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# taz.de -- Krise der Milchbauern: Das Euter ist voll
> Milch ist inzwischen so billig, dass es selbst für Großbauern eng wird.
> Sie fordern, dass der Staat die Produktionsmenge wieder deckelt.
Bild: Da drin ist jede Menge billige Milch
BERLIN taz | Milchbauer Christian Karp hat alles so gemacht, wie es
konservative Agrarpolitiker gefordert haben: Vor ein paar Jahren hat der
Mecklenburger 2,5 Millionen Euro in einen neuen Stall investiert. Immer
wieder modernisierte und erweiterte er den ehemaligen DDR-Betrieb südlich
von Schwerin: Statt wie früher rund 500 Milchkühe hat er nun 800; getreu
dem Motto „Wachse oder weiche“.
Soll heißen: Wer nicht wächst, kann nicht billig genug produzieren und muss
die Kühe abgeben. Doch selbst Großbetriebe wie Karps Hof ächzen nun unter
dem Verfall der Milchpreise, der seit Herbst 2013 anhält. Deshalb fordern
sie vom Staat, die Produktionsmenge zu begrenzen.
Die Bauern bekamen nach Angaben des Bundesverbands Deutscher
Milchviehhalter (BDM) im vergangenen Mai von den Molkereien 30 Prozent
weniger für ihr Produkt als im Dezember 2013 – ein bundesweiter
Durchschnittspreis von 29 Cent. Um ihre Kosten zu decken, bräuchten die
Bauern je nach Effizienz des Betriebes 40 bis 50 Cent.
Dass Russland seit August 2014 EU-Milchprodukte boykottiert, hat nicht nur
laut BDM lediglich zu einem kleinen Teil zu dem Preisverfall beigetragen.
Bereits im Vorjahr hatten die Landwirte die Produktion kräftig ausgeweitet,
um sich beim [1][Auslaufen der Milchquote in der EU] im April 2015
Marktanteile sichern zu können. Seitdem gibt es keine Begrenzung der
Produktionsmenge per Gesetz mehr. Die Bauern expandierten stärker, als die
internationale Nachfrage stieg.
## Höfe geben auf
Viele Bauern hatten also schon vor April dieses Jahres mehr gemolken.
Manche kauften Lieferrechte von anderen Bauern, andere nahmen bewusst eine
Strafzahlung in Kauf. So haben sie die Preise selbst kaputtgemacht – nicht
nur für sich selbst, sondern auch für diejenigen, die lediglich ihre Quote
erfüllt haben. Darunter dürften vor allem kleine Höfe leiden, die pro Liter
Milch meist höhere Produktionskosten haben.
Allein in den sechs Monaten bis Mai ist die Zahl der Milchkuhhaltungen um
2,2 Prozent auf [2][knapp 75.000] gesunken, teilte das Statistische
Bundesamt mit. Seit 2010 sind rund 19.000 Höfe aus der Milchproduktion
ausgestiegen. Während damals jeder Halter im Schnitt 45 Milchkühe in seinem
Stall stehen hatte, sind es aktuell 57 Tiere.
Aber das Beispiel des Mecklenburgers Karp zeigt, dass mittlerweile auch
Großbetriebe von der Substanz leben. Er rechne in diesem Jahr mit 1,1
Millionen Euro weniger Einnahmen aus der Milch, sagt der Landwirt.
„Investitionen werden erst mal zurückgestellt. Wir fahren auf Verschleiß.“
Deswegen haben Karp und mehrere andere Agrarunternehmer des
Milchbauernbunds mit überdurchschnittlich großen Höfen vergangene Woche
einen „[3][Brandbrief]“ an Agrarminister Christian Schmidt geschrieben.
Darin fordern sie von dem CSU-Politiker, sich bei der EU für ihre Branche
einzusetzen.
## Forderung nach „Milchgipfel“
Brüssel solle früher als vorgesehen Milch aufkaufen, nicht erst, wenn der
Preis weiter fällt. Zudem solle die EU Bauern dafür bezahlen, dass sie
vorübergehend weniger melken. Langfristig will der Verband, dass die EU die
Produktionsmenge bei einer „Marktkrise“ begrenzt. Wer dann dennoch mehr
liefert, müsste eine Strafe zahlen.
Auch Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im
Bundestag, appellierte an Schmidt zu handeln. „Ich fordere den
Landwirtschaftsminister auf, jetzt einen [4][Milchgipfel einzuberufen].“
Bund und Länder, Handel und Molkereien, Bauern und ihre Vertretungen
müssten gemeinsam einen Weg aus der Krise finden.
Schmidt ließ der taz aber mitteilen, dass die Lage noch lange nicht so
schlimm sei wie 2009, als die Preise besonders niedrig waren. „Für die
Absicherung der Betriebe wurde im Zuge der Agrarreform bereits viel getan“,
ergänzte eine Behördensprecherin. Der CSU-Politiker hat das Ende der
Milchquote stets begrüßt und die Vorschläge des BDM abgelehnt.
Werden die Milchbauern also wieder streiken – [5][so wie 2008]? „Wenn die
Politik sich weiterhin taub stellen sollte“, antwortet BDM-Chef Romuald
Schaber, „liegen alle Optionen auf dem Tisch.
7 Jul 2015
## LINKS
[1] /Ende-der-Milchquote/!5015801
[2] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtsc…
[3] http://bdm-verband.org/html/index.php?module=News&func=display&cat=…
[4] http://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2015/juli/milchkri…
[5] /Der-Milchstreik-der-Bauern-laeuft-an/!5181392
## AUTOREN
Jost Maurin
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