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# taz.de -- Luxemburg-Liebknecht-Denkmal in Berlin: Zersplitterte Revolutionen
> Die Nazis zerstörten Mies van der Rohes Erinnerungsbau. Die Künstlerin
> Sanja Iveković hat einen spannenden Vorschlag, wie er wieder aufgebaut
> werden könnte.
Bild: Erinnerung: Sanja Ivekovics „Ich bin, ich war, ich werde sein!“ in de…
Das Berliner Revolutionsdenkmal ist so etwas wie ein Mythos: 1935 von den
Nazis endgültig zerstört, war es trotz unzähliger Versuche nie wieder
aufgebaut worden. Dennoch ist das Monument vom Friedhof Friedrichsfelde,
das Ludwig Mies van der Rohe 1926 entworfen hatte, bekannt: ein düsterer
modernistischer Block aus vor- und zurückspringenden Klinkersteinen. Erbaut
wurde es zum Gedenken an die 1919 ermordeten Revolutionäre Rosa Luxemburg
und Karl Liebknecht.
Von der kroatischen Künstlerin Sanja Iveković kommt der wohl aktuellste
Vorschlag für einen Wiederaufbau des Denkmals. „Monument to Revolution
(after Mies)“ heißt ihr Entwurf, der formal an das Original anschließt. In
der daad-Galerie ist er im Rahmen der Ausstellung „Ich war, ich bin, ich
werde sein!“ neben Zeichnungen und Videoarbeiten zum Thema zu sehen.
Iveković hatte sich zuvor auf zahlreichen Biennalen mit öffentlicher
Erinnerung auseinandergesetzt. Seit den siebziger Jahren beschäftigt sie
sich mit Projekten im öffentlichen Raum.
Die Präsentation des Entwurfs ist an eine Bewerbung um Fördermittel
angelehnt, schmucklos und clean: eine formale Projektbeschreibung, Skizzen
der Bauphasen. Das Ziel der Künstlerin: Mies‘ Monument aktualisieren. Die
Geschichte der Sozialen Bewegungen soll in das ursprünglich für die
Arbeiterbewegung errichtete Monument mit einfließen. Dafür sollen an
aktuellen Protestorten Steine – „fragmentierte Überbleibsel der
zersplitterten Revolutionen“ nennt sie die Künstlerin – gesammelt werden.
## Mies als roter Faden
Wie ein roter Faden führt die Miessche Denkmalgeschichte durch die
Ausstellung. Die nämlich endet nicht 1935. In der DDR war das
Revolutionsdenkmal nur provisorisch aufgebaut worden, weder der
revolutionäre Impetus noch der radikale Modernismus waren erwünscht. Der
Kampf um das Denkmal ist darum auch einer um die Deutungshoheit über den
revolutionären Kampf. Und so geistert das Revolutionsdenkmal als ortlose
Erinnerung an einen nie zu Ende gekämpften Kampf umher.
1951 schließlich ersetzte die DDR das Revolutionsdenkmal durch die
bereinigte Gedenkstätte der Sozialisten. Zahllose Vorstöße zur
Rekonstruktion des Mies’schen Entwurfs scheiterten danach.
Iveković schreibt diese Geschichte fort. Ein Kernstück ist dabei die
Partizipation. Ihr Entwurf soll bei einer Realisierung von AnwohnerInnen
mitgestaltet werden. So sollen die Menschen „ein Gefühl dafür entwickeln,
dass es ihr Monument ist“, heißt es im Begleittext. Sie sollen die
Geschichte des Aufstands als eine gemeinsame entdecken.
„Es geht darum, über nationalstaatliche Grenzen hinauszudenken und eine
große Anzahl von internationalen antifaschistischen, Arbeiter- und linken
Organisationen, Gewerkschaften und Frauenrechtsorganisationen in einen
kollektiven Prozess der für das Monument benötigten Ziegelsteine zu
bringen“, heißt es etwas umständlich in einem Statement von Iveković.
Die Installation „We will be victorious if we have not forgotten how to
learn“ – ein Zitat aus Luxemburgs „Briefen aus dem Gefängnis” – vers…
all diese Proteste zusammenzubringen. Ein Video zeigt Proteste in
Lateinamerika, ein anderes Menschen, die Flaggen der Spanischen Republik
schwenken, ein weiteres Schwarzweißaufnahmen jubelnder Männer, vermutlich
während der Novemberrevolution. Immer wieder jaulen Kampflieder dazu auf,
die „Internationale“ und „Bella Ciao“ – in diesem kakofonen Chor
verschwimmen Ort und Zeit der Aufnahmen. Im Hintergrund laufen in
Endlosschleife Zitate aus Luxemburgs „Gefängnisbriefen“ über einen
Bildschirm.
## Abfolge der Proteste
Verständlicher macht die Verschränkung von Protesten und Erinnerung eine
Zeitachse, die die Ausstellung wie eine Klammer umschließt. Sie beginnt
1910 und erzählt die revolutionären und antikolonialen Kämpfe nach, jene um
Frauenrechte – und die des Mies-Denkmals.
Es ist erstaunlich, was sich anhand des Umgangs mit diesem alles erzählen
lässt: die Bilderstürmerei des Nationalsozialismus, der Konservativismus
der DDR, die Zersplitterung der sozialen Bewegungen. Durch dieses
historische Aufdröseln und den neuen Entwurf inszeniert Iveković eine
symbolische Vereinigung. Denn der Zeitstrahl macht die Wende von
organisierten Massenrevolten hin zu verstreuten Protesten deutlich. Immer
seltener werden Aufstände und Umstürze in Europa wie der Sturz Milošević’
in Serbien.
Der Ausstellungstitel „Ich war, ich bin, ich werde sein!“ übrigens stammt
aus einem Gedicht von Ferdinand Freiligrath. Rosa Luxemburg hatte sich die
Zeile kurz vor ihrer Ermordung ausgeliehen für ihre berühmten Worte: „Eure
‚Ordnung‘ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon
rasselnd in die Höh‘ richten und zu eurem Posaunenklang verkünden: ‚Ich
war, ich bin, ich werde sein!‘“
Für Iveković ist diese Durchhalteparole, die Erinnerung an die Geschichte
des sozialen Kampfes, wichtig. Interessant aber ist, dass die Ausstellung
vor allem eins zeigt: Wie intransparent und manipulativ die Erinnerung im
öffentlichen Raum ist. Und wie sie mit wenigen Handgriffen ein ganz neues
Bewusstsein für den eigenen Platz in dieser Welt vermitteln könnte.
Erwünscht ist das nicht. Und darum bleibt Ivekovićs „Monument to Revolution
(After Mies)“ Kunst. Und kein Denkmal.
27 Jun 2015
## AUTOREN
Sonja Vogel
## TAGS
Rosa Luxemburg
Mies van der Rohe Preis
Denkmal
Sachsen
Berlin
Demonstrationen
Demonstrationen
Arbeiterbewegung
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