# taz.de -- Rosa-und-Karl-Demo 2016: „Die Grundfragen sind die gleichen“ | |
> Was haben uns Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht heute zu sagen? Viel, | |
> meint Tim Scholz, Bildungsreferent der „Falken“. Die Demo am Sonntag | |
> meidet er dennoch. | |
Bild: Gedenkstein für Rosa Luxemburg in Berlin. | |
taz: Herr Scholz, am Sonntag findet die alljährliche Demo zum Gedenken an | |
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (LL) statt – und wie jedes Jahr | |
veranstalten die Falken am Wochenende ein „Rosa und Karl“-Seminar für | |
Jugendliche. Was haben junge Menschen heute mit den beiden zu tun? | |
Tim Scholz: Es geht um die Fragestellungen, vor denen die beiden standen: | |
der Kampf gegen Ausbeutung und Krieg weltweit. Das sind ja auch wichtige | |
Fragen im 21. Jahrhundert. | |
Aber sind das die Themen, mit denen sich Jugendliche heute beschäftigen? | |
Auf jeden Fall. Man muss sich nur angucken, was im letzten Jahr in Europa, | |
im Nahen Osten passiert ist, wie viele geflüchtete Menschen zu uns gekommen | |
sind. Zwar müssen junge Menschen hier nicht selbst erfahren, was Krieg ist, | |
aber sie bekommen doch die Auswirkungen mit – weil andere junge Menschen | |
hier herkommen und eine sichere Zuflucht suchen. Und natürlich fragen sich | |
Jugendliche hier: Warum fliehen Menschen eigentlich – auch das wollen wir | |
auf dem Rosa-und-Karl-Seminar analysieren. | |
Es ist schwer vorstellbar, dass 100 Jahre alte Texte darauf eine Antwort | |
haben. | |
Natürlich sind die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen andere geworden, | |
aber die Grundfragen sind die gleichen geblieben. Luxemburg und Liebknecht | |
haben sich sehr stark mit der Frage der Militarisierung und der Auswirkung | |
von Krieg auf Gesellschaft beschäftigt. Zwar finden die heutigen Kriege | |
nicht in Europa statt, aber die Folgen sind ja hier zu spüren. Und die | |
Regierung ebenso wie deutsche Unternehmen sind auch nicht unschuldig an | |
diesen Auseinandersetzungen, wenn man sich die deutschen Rüstungsexporte | |
anguckt. | |
Was sagt Rosa Luxemburg zu Rüstungsexporten? | |
Das war damals noch nicht so das Thema. Aber natürlich hat sie sich damit | |
befasst, wie Ökonomie Politik beeinflusst. Das ist ebenso spannend wie ihre | |
Auseinandersetzung mit dem Imperialismus. | |
Warum gehen Jugendliche heute zu den Falken? | |
Das sind, glaube ich, junge Menschen, die sich selbst sehr stark für | |
gesellschaftliche Zusammenhänge interessieren – und die finden, dass diese | |
Verhältnisse nicht so sind, wie sie sein sollten. Kurz, es sind | |
politisierte Jugendliche, die den Anspruch haben, Gesellschaft zu gestalten | |
und zu verändern. | |
Kommen sie eher aus gut situierten Familien oder eher aus sozial | |
schwachen? | |
Unser Verband ist mit seinen unterschiedlichen Angeboten ein Spiegelbild | |
der Gesellschaft: Menschen aus dem Bildungsbürgertum ebenso wie Menschen, | |
die sich abgehängt von der Gesellschaft fühlen und die über die Falken ihre | |
gesellschaftliche Teilhabe realisieren wollen. | |
Wie rekrutieren Sie eigentlich Ihren Nachwuchs? Gehen Sie in die Schulen? | |
Das ist unterschiedlich. Das besondere an den Falken ist ja, dass es ein | |
politischer Erziehungsverband ist, also einerseits sehr politisch, aber | |
auch mit vielen Freizeitaktivitäten. Ganz wichtig sind zum Beispiel die | |
Zeltlager jeden Sommer: Viele Kinder und Jugendliche kommen hier neu dazu, | |
leben drei Wochen miteinander, gestalten zusammen ihre Freizeit und erleben | |
dabei Solidarität und Gesellschaft – so kommen sie in den Verband. | |
Gehen Sie mit den Jugendlichen denn auch zur Demo am Sonntag? | |
Nein, das machen wir nicht. Wir haben uns in den letzten Jahren abgekoppelt | |
von der Demo, weil wir mit der Bündnispolitik nicht einverstanden sind und | |
teilweise zu viel Stalin und andere Leute gefeiert werden, mit denen wir | |
uns nicht identifizieren können. Darum werden wir ein alternatives Gedenken | |
organisieren: Wir machen Stadtrundgänge für unsere Seminarteilnehmern zu | |
Orten, die für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bedeutsam waren. | |
Was meinen Sie mit Bündnispolitik? Dass zu viele Altstalinisten bei der | |
Demo mitmachen? | |
Das ist einer der Punkte. Wir können uns mit einigen | |
Sozialismusvorstellungen, die auf der Demo vertreten sind, nicht | |
identifizieren. Darum hatten wir in den letzten Jahren versucht, mit | |
einigen linken Jugendverbänden ein Bündnis zu starten. Das hat leider nicht | |
so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben. Darum werden wir zwar | |
beim „stillen Gedenken“ an der Gedenkstätte der Sozialisten dabei sein, | |
aber die LL-Demo ist nicht mehr der Orientierungspunkt für uns. | |
Welche Orte meinen Sie, die für Rosa und Karl in Berlin bedeutsam waren? Wo | |
kann man ihren Geist noch schnuppern? | |
Dazu gehören sicherlich die Denkmäler am Landwehrkanal und im Tiergarten, | |
aber auch der Sockel des ehemals geplanten Liebknecht-Denkmals am Potsdamer | |
Platz. Dieses Denkmal erinnert an eine von Luxemburg und Liebknecht | |
initiierte Antikriegsdemonstration am 1. 5. 1916. Ein weiterer Ort ist für | |
mich der Balkon des ehemaligen Stadtschlosses, von dem Karl Liebknecht 1918 | |
die sozialistische Republik ausrief. Orte, an denen Rosa Luxemburg wirkte, | |
sind heute im Stadtbild schwerer zu finden, aber es gibt sie, etwa in | |
Friedenau und dem heutigen Hansaviertel. | |
8 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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