# taz.de -- Parlamentswahlen in Dänemark: „Blutbad in der Borgen“ | |
> Die Rechtspopulisten werden in Dänemark zur zweitstärksten Kraft. Aber | |
> auch kleinere Linksparteien können hinzugewinnen. | |
Bild: Zufrieden mit dem Ergebnis: Der Chef der Dänischen Volkspartei Kristian … | |
STOCKHOLM taz | „Erdbeben“, „politische Revolution“, „gefährliches | |
Experiment“, „Blutbad in der Borgen“. So lauteten Überschriften, mit den… | |
dänische Medien am Freitag das Ergebnis der Parlamentswahl vom Vortag auf | |
den Punkt zu bringen versuchten. Dabei ist oberflächlich eigentlich nicht | |
viel passiert. Ein knapper Vorsprung, den der „rote Block“ vor vier Jahren | |
hatte erzielen können, verwandelte sich diesmal in einen ähnlich knappen | |
Sieg für den rechten, den „blauen Block“. Dieser hat nun mit 51,9 Prozent | |
und gerade mal einem Mandat mehr die Nase im Folketing vorn. | |
Doch unter der Oberfläche hat es wirklich eine kleine Revolution gegeben. | |
Rechts verlor die bislang stärkste Partei des Landes, die rechtsliberale | |
Venstre mit einem Rückgang auf 19,5 Prozent mehr als jeden vierten Wähler, | |
fuhr das schlechteste Ergebnis seit 1990 ein und ist nun nur noch | |
drittstärkste Kraft. Ähnlich erging es ihrem traditionellen | |
Koalitionspartner den Konservativen, die mit 3,4 Prozent um fast 50 Prozent | |
schrumpften und froh waren, überhaupt noch über die 2-Prozent-Sperrklausel | |
des Folketing zu kriechen. | |
Paradoxerweise wird aller Voraussicht nach der große Wahlverlierer, der | |
„Venstre“-Chef Lars Løkke Rasmussen neuer Ministerpräsident werden. In der | |
dänischen Politik wird in „Blöcken“ gedacht und die vier Parteien des | |
„blauen“ hatten sich auf ihn als Herausforderer der bisherigen | |
Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt geeinigt. | |
Die 48jährige legte zwar mit ihren Sozialdemokraten 1,5 Prozent zu und | |
machte diese mit 26,3 Prozent zur stärksten Partei. Aber wegen des | |
Verlustes für den „roten Block“ insgesamt zog sie noch in der Wahlnacht die | |
Konsequenzen, gestand und ihre Niederlage ein und gab auch den Verzicht auf | |
den Parteivorsitz bekannt. | |
Dänemarks neuer „starker Mann“ wird aber in Zukunft nicht Løkke Rasmussen, | |
sondern Kristian Thulesen-Dahl heissen. Unter ihm verdoppelte die | |
rechts-populistische Dänische Volkspartei nahezu ihre Stimmen auf 21,1 | |
Prozent und ist jetzt Dänemarks zweitgrösste Partei. Sie profitierte damit | |
davon, dass nicht nur die übrigen „blauen“ Parteien, sondern auch die | |
Sozialdemokraten sich auf einen Wettlauf um die restriktivsten | |
ausländerrechtlichen Vorschläge einliessen. Einwanderungskritische | |
WählerInnen stimmten dann offenbar gleich für die Rechtspopulisten als | |
konsequent ausländerfeindliche Partei. | |
## Einführung von Grenzkontrollen | |
Die Volkspartei will beispielsweise die Grenzkontrollen an der | |
deutsch-dänischen Grenze wieder einführen und Kopenhagen auf den | |
EU-skeptischen Kurs Londons führen. Ob sie in eine Regierung eintreten | |
möchte, ist noch unklar. Man werde die Konstruktion wählen, „die uns | |
größtmöglichen Einfluss sichert“, erklärte Thulesen-Dahl. | |
„Für Dänemarks internationales Ansehen und seine Glaubwürdigkeit ist das | |
Wahlgebnis jedenfalls das schlimmst-denkbare“ kommentiert die liberale | |
Politiken. Im Erfolg einiger kleinerer Parteien glaubt der | |
Staatswissenschftler Rune Stubager eine „Rückkehr der Ideologie in die | |
dänische Politik“ erkennen zu können. | |
Während im „roten Block“ die linksliberalen Radikalen und die | |
Linkssozialisten für ihre Konturlosigkeit bestraft wurden und jeweils mehr | |
als die Hälfte ihrer Stimmen verloren, reüssierte die „Einheitsliste“. Die | |
Linksaussenpartei konnte unter ihrer Vorsitzenden Johanne Schmidt-Nielsen - | |
Dänemarks beliebtester Politikerin – ihre Position weiter ausbauen und ist | |
nun mit knapp 8 Prozent viertstärkste Partei im Parlament. | |
Die neugegründete rot-grüne Alternativet (Alternative) wurde mit knapp 5 | |
Prozent gleich bei ihrer ersten Wahl fünftgrösste von neun | |
Parlamentsparteien. Die schon mit dem Etikett „Hippiepartei“ bedachte | |
„Alternativet“ stellt den herkömmlichen Wachstumsbegriff in Frage, will | |
einen Bruch mit neoliberalen Wirtschaftsdoktrinen, Dänemark ökologisch | |
umbauen, eine 30-Stunden-Woche und strebt eine politische Kultur mit mehr | |
direktdemokratischen Elementen an. Dabei orientiert sie sich nach eigener | |
Aussage weniger an Europas grünen Parteien als an Spaniens Podemos. | |
Mit „klaren Visionen und dem Wunsch nach deutlichen Veränderungen lassen | |
sich also durchaus Wähler ansprechen“, konstatiert der Politologe Kasper | |
Møller Hansen. Er sieht einen „Bruch mit der Art und Weise, in der in | |
Dänemark bislang Politik gedacht wurde.“ | |
19 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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