| # taz.de -- Magazin „Reportagen“: „Lesen statt blättern“ | |
| > Lange Texte, keine Bilder oder Anzeigen – so überlebt das Magazin | |
| > „Reportagen“ seit vier Jahren. Ein Gespräch mit dem Gründer Daniel Punt… | |
| > Bernet. | |
| Bild: Natürlich lesen die jungen Leute noch. So sieht das dann zum Beispiel au… | |
| taz: Herr Puntas Bernet, was ist die beste Reportage, die Sie jemals | |
| gelesen haben? | |
| Daniel Puntas Bernet: So ganz spontan: Erwin Koch über Silvia Tolchinsky. | |
| Warum? | |
| Zunächst einmal ist das eine Wahnsinnsgeschichte: Eine argentinische Frau, | |
| die von der Militärdiktatur gefoltert wird, weil sie Oppositionelle ist. | |
| Nach dem Ende der Diktatur vermag sie zu flüchten, findet in Barcelona | |
| zurück ins Leben. Eines Tages verliebt sie sich in einen Landsmann. Die | |
| beiden heiraten, stellen aber fest, dass er einer ihrer Folterknechte war. | |
| Eine unglaubliche Geschichte – und unglaublich gut aufgeschrieben. 50.000 | |
| Zeichen, die ich im Schnelltempo verschlungen habe. | |
| Was braucht eine Reportage, um gut zu sein? | |
| Klar geht es auch immer um die Einzigartigkeit der Geschichte, wie bei | |
| allen anderen auch. Aber sie muss einen Schritt weiter gehen als eine | |
| konventionelle Reportage. Ein temperamentvoller Erzähler muss eine | |
| Geschichte erzählen wollen. | |
| So wie bei der Reportage in Ihrem Magazin über Engtanzpartys in Stuttgart | |
| zur Weihnachtszeit? | |
| Genau. Stuttgarter kommen an Weihnachten nach Hause, sehen sich bei solchen | |
| Klassenzusammenkünften wieder und schwelgen für einen Abend in Erinnerung. | |
| Wir in der Redaktion waren begeistert von der Geschichte. Außerdem ist der | |
| Autor nicht nur ein Journalist, der recherchiert, sondern Beteiligter. Das | |
| gibt Tiefe und spannende Aspekte, die man als Außenstehender nicht | |
| rausgefunden hätte. | |
| Wie sind Sie auf die Idee gekommen, „Reportagen“ zu starten? | |
| Aus Mangel an Lektüre. Andererseits habe ich gemerkt, dass es immer | |
| schwieriger wird, Reportagen zu platzieren, sei es aus Kosten- oder | |
| Platzgründen. Aus den beiden Beobachtungen hat sich ergeben: Wieso nicht | |
| ein eigenes Magazin machen? | |
| Und wie setzt man das in dieser Medienkrise um? | |
| Ich habe tagsüber weiter gearbeitet und abends einen Businessplan erstellt. | |
| Dann habe ich ganz lange Türklinken geputzt und einen Investor gesucht, der | |
| die ersten Jahre das Defizit trägt. Einen, der dieses Medien-Start-up | |
| unterstützen möchte, weil er es für eine tolle Idee hält. | |
| Wer sind Ihre Leser? | |
| Wir sind ein sehr junges Magazin und haben gerade unsere erste | |
| Leserbefragung durchgeführt: Besonders gefreut hat mich, dass ein Drittel | |
| um die 30 und jünger ist. Das ist eine hervorragende Nachricht in Zeiten, | |
| wo alle von „kurze Texte lesen“ reden. Was alle gemein haben: Sie sind | |
| Leser. Es ist lesen statt blättern. Man kann sich nicht berieseln lassen. | |
| In Ihrem Magazin gibt es keine Fotos. Warum haben Sie sich dafür | |
| entschieden? | |
| Am Bahnhofsbuchhandel gibt es 5.000 bis 6.000 Titel, davon leben gefühlte | |
| 98 Prozent vom noch schöneren, noch größeren Bild. Jetzt möchte ich mit | |
| diesem kleinen literarischen Nischenmagazin wahrgenommen werden. Also war | |
| mein erster Gedanke: Sicher nicht mit Bild, sondern mit Typografie. | |
| Außerdem: Wenn die Geschichten erzählerisch sind und der berühmte Film im | |
| Kopf des Leser beginnt, brauche ich gar keine Bilder. | |
| Und worauf kommt es Ihnen bei der Auswahl der Texte für „Reportagen“ an? | |
| Pro Heft sind es nur sechs Geschichten, darum versuchen wir so | |
| unterschiedlich wie möglich auszuwählen. Geografisch, thematisch. Außerdem | |
| möchten wir bei den Autoren möglichst verschiedene Zugänge: Bei Alter, | |
| Geschlecht und Stil. Wir würden gerne mehr Frauen bringen. Und es dürfen | |
| nicht nur sechs schwere Themen sein, die runterziehen, sondern eben auch | |
| die engtanzenden Stuttgarter. | |
| Wenn Sie sich den Zustand des Medienmarktes anschauen, was glauben Sie: | |
| Geht es mit dem Journalismus bergab? | |
| Das sehe ich überhaupt nicht so. Durch diesen aktuellen Wandel, bei dem | |
| sich alles ein wenig in Frage stellt und neu positioniert, trennt sich die | |
| Spreu vom Weizen. Wer wirklich Journalist ist, der ist auch gut: Entweder | |
| er recherchiert gut. Oder er schreibt gut. Oder er erzählt gute | |
| Geschichten. Egal ob im Print, Radio oder Fernsehen. Und: Wer den Drang | |
| hat, der Welt etwas zu sagen, hat heute wieder bessere Möglichkeiten. Alle, | |
| die vorher nur mitschwammen und Durchschnittsware produziert haben, spült | |
| es jetzt weg. | |
| 5 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Lara Wiedeking | |
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