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# taz.de -- Gerichtsurteil für Teenager in Wien: Knast statt Dschihad
> Ein 14-Jähriger wollte den Wiener Westbahnhof in die Luft jagen und dann
> nach Syrien reisen. Ein Gericht verurteilt ihn zu zwei Jahren Haft.
Bild: Der Teenager wollte eine Bombe am Wiener Westbahnhof legen.
Wien taz | Nach Syrien ausreisen, in den Dschihad ziehen und vorher noch
den Wiener Westbahnhof in die Luft jagen. Das war der Plan eines
14-jährigen Türken, der am Dienstag in der niederösterreichischen
Hauptstadt St. Pölten vor Gericht stand. Der Prozess vor dem Schöffensenat
unter Richter Markus Grünberger dauerte nur wenige Stunden, da der
Angeklagte auf Anraten seines Anwalts ein volles Geständnis ablegte.
Der Jugendliche war im Oktober vergangenen Jahres festgenommen worden,
nachdem die Mutter und ein aufmerksam gewordener Lehrer der Polizei die
zunehmende Radikalisierung des Jugendlichen gemeldet hatten. Gegen strenge
Auflagen entlassen, war er untergetaucht und hatte dann versucht, einen
12-jährigen Freund für den Dschihad zu rekrutieren. Er wurde aber erwischt
und saß seither in Untersuchungshaft.
Die Staatsanwaltschaft konstatierte damals weder Reue noch
Schuldbewusstsein. Der Sonderschüler hatte via Internet Kontakt zum IS
aufgenommen, dessen Webauftritt auf Deutsch sehr effektvoll ist. Ebenfalls
über Internet hatte er sich Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff
geholt. Als mögliches Anschlagsziel machte er den stark frequentierten
Westbahnhof in Wien aus.
Die Öffentlichkeit war mit Rücksicht auf den künftigen Lebensweg des Jungen
von der Verhandlung ausgeschlossen. Er erschien im blauen Kapuzenpulli,
Jeans und Turnschuhen. Sein Gesicht verbarg er hinter einer blauen Mappe,
als er an der Presse vorbei in den Verhandlungssaal geschleust wurde.
## „Einer Propagandamaschinerie aufgesessen“
Verteidiger Rudolf Mayer wies darauf hin, dass sein Mandant die
Strafmündigkeit gerade erst erreicht habe. Dessen Radikalisierung versuchte
er mit der Erfahrung der Ausgrenzung zu erklären. Aufgewachsen ohne Vater
bei der kaum Deutsch sprechenden Mutter, habe er auf der Suche nach
Geborgenheit Trost in der Religion gefunden und sei „der Hetzkampagne des
IS zum Opfer gefallen“.
Instabile Jugendliche, die sich als Verlierer der Gesellschaft sehen,
würden sich von den Versprechen der Dschihadisten angesprochen fühlen. Sie
würden viel Geld bekommen und mit willigen Frauen belohnt werden.
Mit Rücksicht auf das jugendliche Alter des Angeklagten ersuchte Mayer um
ein mildes Urteil. Denn in intensiven Gesprächen mit der Bewährungshilfe
habe sein Schützling erkannt, dass er einer Propagandamaschinerie
aufgesessen sei.
## Acht Monate Haft, dann Therapie
Ganz so mild fiel das Urteil dann doch nicht aus. Das Gericht wertete zwar
das Geständnis als strafmindernd und schöpfte den Strafrahmen von fünf
Jahren nicht aus. Der Möchtegern-Dschihadist, der laut Anwalt inzwischen
geläutert sei, kam mit zwei Jahren davon. Acht Monate davon muss er
absitzen und sich einer Psychotherapie unterziehen. Der Angeklagte nahm das
Urteil an. Die Staatsanwaltschaft überlegt noch, ob sie in Berufung gehen
will.
Bis Ende 2014 waren laut Schätzungen des Innenministeriums etwa 150 Männer
und Frauen aus Österreich in den Dschihad gezogen. Darunter viele
Jugendliche. Exemplarisch [1][die Mädchen Samra und Sabina], deren
Schicksal immer wieder die Boulevardpresse beschäftigt. Derzeit sitzt ein
als Hassprediger verdächtiger Imam aus Graz in Untersuchungshaft. Er soll
aktiv für den Kampf in Syrien und im Irak rekrutiert haben.
26 May 2015
## LINKS
[1] /Isis-Kaempfer-aus-Deutschland/!5039954/
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Österreich
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