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# taz.de -- Ende der Bahnstreiks: Ein geschickter Zug
> Die Bahn fährt wieder. Die Schlichter Bodo Ramelow und Matthias Platzeck
> könnten den Tarifstreit zu einem Ende bringen. Wie es nun weitergeht.
Bild: Sie fährt wieder.
BERLIN taz | Der Streik ist zu Ende. Pünktlich vor den Pfingsttagen. Die
bundeseigene Deutsche Bahn AG und die Lokführergewerkschaft GDL einigten
sich am Donnerstagmorgen darauf, in einem offiziellen Schlichtungsverfahren
eine Einigung in ihrem Tarifkonflikt zu suchen. Nach und nach wird nun
wieder Normalität in den Bahnverkehr einkehren. Spätestens ab Samstag soll
auch der Fernverkehr fahrplanmäßig funktionieren.
## Die Reaktionen
„Nun haben wir endlich die Chance, Ruhe in unsere Betriebe zu bekommen“,
kommentierte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber das unter Vermittlung des
ehemaligen Vorsitzenden Richters am Bundesarbeitsgericht, Klaus Bepler,
zustande gekommene Ergebnis. Die vereinbarte Schlichtung sei zwar „noch
kein endgültiger Durchbruch, aber nun haben wir eine echte Chance, uns zu
verständigen“. Am kommenden Mittwoch soll die Schlichtung beginnen.
Vereinbart ist, dass sie drei Wochen dauert. Es gibt die Option, sie um
eine Woche zu verlängern.
Die Eröffnung des Schlichtungsverfahrens sieht vor allem die GDL als
Erfolg. Sie hatte dieses bislang immer mit dem Hinweis abgelehnt, sie lasse
nicht über ihre Grundrechte schlichten. Gemeint ist das Recht,
eigenständige Tarifverträge für alle ihre Mitglieder abzuschließen, auch
wenn diese Verträge mit denen der konkurrierenden Eisenbahn- und
Verkehrsgewerkschaft (EVG) kollidieren sollten. Die Bahn habe nun
akzeptiert, „dass die Tarifverträge anderer Gewerkschaften für die Annahme
eines Schlichterspruchs oder den Abschluss eines Tarifvertrages keine Rolle
spielen“, erklärte die GDL. „Nach fast einem Jahr Tarifkonflikt konnte mit
dem Druck im 9. Arbeitskampf der gordische Knoten durchschlagen werden“,
sagte Gewerkschaftschef Claus Weselsky.
## Die Voraussetzungen
Das allerdings ist noch lange nicht der Fall. So erklärte Personalvorstand
Weber, als Voraussetzung für die Schlichtung sei vereinbart, dass es weder
unbedingt gleiche noch unterschiedliche Verträge geben müsse. Die Bahn
halte aber daran fest, „dass es keine Mitarbeiter erster und zweiter Klasse
geben darf“. Daran werde nicht gerüttelt, weil das Unternehmen für 200.000
Mitarbeiter in Deutschland in der Verantwortung stehe. Nach wie vor hält
also die Bahn an dem Ziel fest, unterschiedliche Tarifregeln für ein und
dieselben Berufsgruppen zu vermeiden.
## Die EVG
Die EVG, die dem DGB angehört, will am Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit“ festhalten. Ihre Tarifverhandlungen mit der Bahn wurden am
Donnerstagabend fortgesetzt. Sollte es zu einer Einigung mit der DB kommen,
wollte sich die EVG mit einer Klausel das Recht zusichern lassen, ihren
Tarifvertrag für den Fall nachzuverhandeln, dass die GDL ein besseres
Ergebnis erzielt.
## Die Konflikte und Erfolge
Auch bei den inhaltlichen Punkten, die zwischen Bahn und GDL verhandelt
werden, gibt es noch genügend Konfliktpotenzial. Die GDL fordert neben
einer 5-prozentigen Löhnerhöhung eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von
39 auf 38 Stunden sowie eine Reduzierung der Überstunden auf 50 im Jahr.
Die Bahn bietet bislang demgegenüber nur eine Löhnerhöhung um 4,7 Prozent
an.
Der erbittert geführte Streit um die sogenannten Lokrangierführer scheint
beigelegt worden zu sein. Ihre unterschiedliche Bewertung galt bisher als
ein entscheidender Knackpunkt. Für die GDL handelt es sich bei dem Großteil
der insgesamt 3.100 Beschäftigten, die von der Bahn als Lokrangierführer
bezeichnet werden, in Wahrheit nur um schlechter tarifierte
„Billig-Lokomotivführer“. Ihre Gleichstellung bei der Vergütung wie auch …
Bezug auf die Arbeitsbedingungen gehört daher zu den zentralen Forderungen,
was die Bahn bisher jedoch strikt ablehnte. Das sei nun vom Tisch:
„Lokrangierführer werden als Lokomotivführer exakt im
GDL-Flächentarifvertrag eingruppiert.“
## Die Schlichter
Die Wahl der Schlichter spricht für einen hohen Einigungswillen beider
Seiten: Als Schlichter benannte die im Deutschen Beamtenbund organisierte
Lokführergewerkschaft überraschend den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo
Ramelow (Linkspartei). Die Bahn nominierte den ehemaligeb Brandenburger
Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD). Beide sind politisch erfahren
genug, ein solches Verfahren zu Ende zu bringen. Als ehemaliger Funktionär
einer DGB-Gewerkschaft sind Ramelow zudem sämtliche tarifpolitischen Tricks
und Kniffe geläufig. Kritisch steht er dem Tarifeinheitsgesetz gegenüber,
das die Große Koalition heute im Bundestag beschließen will.
Für die Schlichtung sieht Ramelow gute Chancen. Mit der Einigung auf ein
formelles Schlichtungsverfahren sei ein zentraler Durchbruch gelungen,
sagte der frühere Gewerkschaftsfunktionär. Als Ministerpräsident von
Thüringen habe er ein großes Interesse an einem Betriebsfrieden bei der
Bahn. Zuvor hatte Ramelow die Bahn, wenig diplomatisch, scharf kritisiert.
„Es war ein Fehler der Deutschen Bahn, so lange auf Vollkonfrontation zu
setzen“, sagte er in einem Radiointerview. „Ich habe in meinem Leben viele
Tarife verhandelt, ein derart unprofessionelles Vorgehen habe ich noch
nicht erlebt.“ Auch kritisierte Ramelow die schwarz-rote Bundesregierung.
Der Staat als Eigentümer der Bahn dürfe keiner Berufsgewerkschaft die
„Handlungsfähigkeit für freie Tarifverhandlungen“ nehmen. Eine Gewerkscha…
dürfe nicht zum Bettler gemacht werden.
Platzeck will sich als Schlichter für „ein gutes, ein tragfähiges Ergebnis�…
einsetzen. „Dabei müssen für die Mitarbeiter ordentliche Bedingungen beim
Entgelt, in der Arbeitszeit, beim Schichtrhythmus und bei den Überstunden
herauskommen“, sagte er. Das Ergebnis müsse auch dem Unternehmen weitere
Entwicklung ermöglichen. Wichtigstes Ziel sei es, für Millionen Bahnkunden
wieder Verlässlichkeit zu schaffen.
21 May 2015
## AUTOREN
Pascal Beucker
Richard Rother
## TAGS
Deutsche Bahn
Bodo Ramelow
Matthias Platzeck
Schwerpunkt Bahnstreik
Gewerkschaft der Lokführer
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