# taz.de -- Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn: Das Risiko des Ramelow | |
> Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow soll im Streit zwischen Bahn | |
> und GDL schlichten. Eine ungewöhnliche Wahl. | |
Bild: Bricht ein ungeschriebenes Gesetz: Der Linken-Politiker ist noch sehr akt… | |
Ein ungewöhnlicher Start. Kurz nachdem er als Schlichter im Streit zwischen | |
der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL benannt worden war, | |
polterte Bodo Ramelow erst mal gegen den Bahnvorstand los. „Ich habe in | |
meinem Leben viele Tarife verhandelt, ein derart unprofessionelles Vorgehen | |
habe ich noch nicht erlebt“, sagte er. | |
Den Konflikt hätten sie schon im vergangenen Jahr lösen müssen. Vor den | |
neun Streiks, die die Republik seit September 2014 erschüttert haben. „Es | |
war ein Fehler der Deutschen Bahn, so lange auf Vollkonfrontation zu | |
setzen.“ | |
Klare Kante – ganz so, wie man es von dem Thüringer Ministerpräsidenten | |
kennt. Aber von einem Vermittler in einem Tarifkonflikt nicht gewohnt ist. | |
Ramelows Auftreten ist keine Tölpelhaftigkeit. Auch wenn der gebürtige | |
Niedersachse bisweilen Temperament und Zunge nur mit Mühe zügeln kann, | |
versteht er doch als langjähriger Gewerkschaftsfunktionär das Tarifgeschäft | |
glänzend. Ramelow ist kein Krawallinski, sondern Realpolitiker durch und | |
durch. Dazu gehört für ihn auch, durch gezielte Provokationen den | |
Verhandlungsspielraum zu erweitern. Und fürs Diplomatische gibt es ja noch | |
seinen Co-Schlichter Matthias Platzeck. | |
## Unerwartet nominiert | |
Es ist ein echter Coup, den GDL-Chef Claus Weselsky am Donnerstag gelandet | |
hat. [1][Dass der Linksparteiler Ramelow auf seinen Vorschlag gemeinsam mit | |
Brandenburgs Ex-Ministerpräsidenten Platzeck für eine Lösung in dem völlig | |
verfahrenen Tarifkonflikt sorgen soll]. „Ich bin Mitglied einer | |
Gewerkschaft, die nicht dem Deutschen Beamtenbund angehört, also eigentlich | |
bin ich kein natürlicher Partner der GDL“, sagt Ramelow selbst, früherer | |
Landeschef der – inzwischen in Verdi aufgegangenen – Gewerkschaft Handel, | |
Banken und Versicherungen (HBV) in Thüringen. | |
So unerwartet die Nominierung für die Öffentlichkeit kam: Sie war gut | |
vorbereitet. Schon Mitte April hatte Weselsky am Rande einer Tagung der | |
Rosa-Luxemburg-Stiftung gefragt, ob er zur Schlichtung bereit sei. | |
Offiziell sträubte sich Weselsky damals noch gegen eine Schlichtung, weil | |
er die Grundlagen dafür noch nicht gegeben sah. | |
Auf der Veranstaltung hatte sich Weselsky mit dem Hauptgeschäftsführer der | |
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Reinhard Göhner, über | |
das sogenannte Tarifeinheitsgesetz gestritten. Von dem am Freitag von der | |
Großen Koalition durch den Bundestag gepeitschten Gesetz sehen sich | |
Spartengewerkschaften wie die GDL in ihrer Existenz bedroht. | |
## Ungeschriebenes Gesetz | |
Dass auch Ramelow ein strikter Gegner des Gesetzes ist, ließ ihn in den | |
Augen Weselskys prädestiniert für den Schlichterjob erscheinen. Als die | |
Bahn das erste Mal Anfang Mai Platzeck als Schlichter ins Gespräch brachte, | |
hieß es noch von der GDL, man werde vor einer inhaltlichen Grundsatzklärung | |
keine Namen nennen und Personen verheizen. | |
Zwar werden für Schlichtungen immer wieder gerne Politiker herangezogen. | |
Allerdings fällt die Wahl üblicherweise nur auf solche, die nicht mehr im | |
Tagesgeschäft aktiv sind. So war es bislang auch bei der Bahn: Beim letzten | |
großen Tarifkonflikt mit der GDL vermittelten 2007 die beiden alt-, aber | |
ausgedienten CDU-Politiker Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf. Bei ihrer | |
Entscheidung für Platzeck hielt sich die Bahn an dieses ungeschriebene | |
Gesetz: Der 61-jährige Sozialdemokrat ging vor knapp zwei Jahren in den | |
Politruhestand. | |
Ramelow hingegen ist amtierender Ministerpräsident in Thüringen. Der erste | |
Länderregierungschef der Linkspartei steht auf dem Höhepunkt seiner | |
politischen Karriere. Mit der Übernahme der Schlichteraufgabe geht er ein | |
hohes Risiko ein. Scheitern Platzeck und er, dann würde ihn das erheblich | |
politisch beschädigen. Es spricht für Ramelows großes Ego, dass er die | |
Offerte des CDU-Mitglieds Weselsky trotzdem nicht abgelehnt hat. | |
Er nehme eine „ehrenvolle Aufgabe“ wahr, „um ein Problem aus der Welt zu | |
schaffen, das uns alle belastet“, sagt er.Die Differenzen zwischen Bahn und | |
GDL sind nach wie vor groß. Zudem ist nicht ausgemacht, ob die Spitze des | |
Staatskonzerns überhaupt an einer Einigung interessiert ist. | |
## Keinerlei Angebot der Bahn | |
Nebenbei zeigt er Weselsky, wie man es richtig macht. Wenn Ramelow | |
öffentlich über den Tarifkonflikt bei der Bahn spricht, klingt das ganz | |
anders als bei dem verschwurbelten GDL-Chef: Es gehe um die Verbesserung | |
der Arbeitsbedingungen des Zugpersonals. Drei Millionen Überstunden würden | |
die Lokführer vor sich herschieben, eine Million die Zugbegleiter. | |
Sie dürften nicht weiter „ständig überlastet werden“. Das sei „ein | |
unzumutbarer Zustand“, der geändert werden müsse. Das Zugpersonal hätte | |
„auch für die Sicherheit ihrer Kunden“ gestreikt. Es sind es einfache, | |
leicht nachvollziehbare Botschaften, die Ramelow verbreitet. | |
Und sie treffen einen Kernbereich der Auseinandersetzung: Im Gegensatz zur | |
konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert die GDL | |
nicht nur eine Lohnerhöhung, sondern auch noch eine Verkürzung der | |
Wochenarbeitszeit und eine Begrenzung der Überstunden. Dazu gibt es aber | |
bislang keinerlei Angebot der Bahn. Nur wenn es hier Bewegung gibt, wird | |
aber eine Verständigung erreichbar sein. | |
## Drei Wochen Zeit | |
[2][Mit der EVG ist sich der Bahnvorstand mittlerweile weitgehend einig]. | |
Die wenigen unwesentlichen Details, die noch offen sind, seien bis zur | |
nächsten Verhandlungsrunde am kommenden Mittwoch geklärt, versichern beide | |
Seiten. In der Schlichtungsvereinbarung zwischen Bahn und GDL ist geregelt, | |
dass es am Ende einen Tarifvertrag, der sich von dem mit der EVG | |
unterscheidet, geben kann, aber nicht muss. | |
Die Bahn will jedoch kollidierende Regeln weiterhin vermeiden. Das sei ihr | |
Problem, sagt Ramelow. Wenn sie wolle, dass die entscheidenden Passagen | |
textidentisch abgeschlossen werden, müsse das „die Bahn selber schaffen“. | |
Daran dürfe sie die Verhandlungen nicht scheitern lassen. „Ich habe viele | |
Jahre meines Lebens Tarife verhandelt, da musste ich auch mit | |
konkurrierenden Gewerkschaften gemeinsame Ergebnisse erreichen.“ | |
Am kommenden Mittwoch um 14 Uhr beginnen Ramelow und Platzeck den | |
Schlichtungsversuch. Drei Wochen Zeit haben sie, um sieben Tage könnte noch | |
mal verlängert werden. Dann muss es „zu einem auskömmlichen Tarifvertrag | |
für beide Seiten kommen“, sagt Ramelow. „Ich glaub, wir erreichen das.“ | |
23 May 2015 | |
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## AUTOREN | |
Richard Rother | |
Pascal Beucker | |
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