# taz.de -- Pro & Contra Bürgerbegehren zum "Spreeufer für alle": Mehr Freira… | |
> Der Bürgerentscheid zur Bebauung des Spreeufers spaltet Grüne, Linke,. | |
> Sozialdemokraten und taz-Redakteure - ein Pro und Contra. P | |
Bild: Die letzte große Demonstration gegen die Spreeufer-Bebauung am Samstag | |
PRO BÜGERBEGEHREN: MEHR FREIRUM! von GEREON ASMUTH | |
"Spreeufer für alle" lautet die Forderung des Bürgerentscheids. Das sei | |
zwar sympathisch, heißt es quer durch die Parteien. Nur komme die | |
Initiative leider zu spät. Schließlich seien den politisch Verantwortlichen | |
die Hände durch Sachzwänge gebunden. Was klingt wie ein zwingendes | |
Argument, ist nichts anders als eine Kapitulation vor dem eigenen | |
Unvermögen. | |
Denn Sachzwänge fallen nicht einfach vom Himmel, sie sind immer bloß Folge | |
politischer Entscheidungen. Aber die lassen sich durchaus ändern. Von | |
Politikern zum Beispiel. Und wenn die nicht wollen, dann eben vom Souverän | |
- per Bürgerentscheid. | |
Die Politiker entgegnen dann gern, sie müssten sich potenziellen Investoren | |
als verlässliche Partner anbieten. Aber wie wäre es zur Abwechslung mal, | |
wenn sie sich den Wählern als verlässliche Partner anböten? Stattdessen | |
betonen sie zum wiederholten Mal schon vor einem basisdemokratischen | |
Urnengang, dass der ja unverbindlich sei. | |
Das Grundproblem aber liegt woanders. Stadtentwicklungspolitiker nehmen | |
ihren Job zu ernst. Sie verplanen die Stadt bis in den letzten Winkel. | |
Sehen sie eine Brache, fällt ihnen nur Hochhaus ein. Und da es in Berlin | |
nicht nur im Haushalt, sondern auch in der Stadtarchitektur viele Löcher | |
gibt, glauben sie, beides nur mit finanzkräftigen Großinvestoren stopfen zu | |
können. | |
Entsprechend sehen die Planungsergebnisse aus. Mal werden noch ein paar | |
aalglatte Bürokuben auf den Stadtplan geworfen. Mal entstehen | |
Schiffsanleger wie der vor der O2-Arena, denen allenfalls noch mit einem | |
Hunderterpack Spraydosen so etwas wie Charakter einzuhauchen wäre. | |
Die Selbstheilungskräfte der Stadt aber werden übersehen. In den Nischen | |
wuchert und blüht ungeplant das Berlin, das die Jugend der Welt in die | |
Stadt lockt. Es ist eine zarte Pflanze, die nicht mehr braucht als eine | |
Brache. Einen Freiraum. Und ein Ja beim Bürgerentscheid. | |
CONTRA BÜRGERBEGEHREN: | |
MEHR REALISMUS! | |
von KRISTINA PEZZEI | |
Der Protest gegen die Pläne der "Mediaspree"-Investoren ist gut, und er ist | |
wichtig. Nur mit einem extremen Gegengewicht zu den Vorstellungen | |
internationaler Investoren kann ein realpolitischer Mittelweg gefunden | |
werden. Es braucht eine wachrüttelnde, mahnende Kraft im Bezirk, eine, die | |
sich der Ohnmacht angesichts des großen Geldes verweigert. Mit umsetzbarer | |
Politik aber dürfen die Vorschläge von "Mediaspree versenken" nicht | |
verwechselt werden. Wer realistisch ist, stimmt für den Entwurf des grünen | |
Bezirksbürgermeisters Franz Schulz. | |
Natürlich sind das Engagement und der Idealismus der Aktivisten | |
beeindruckend. Inzwischen ist "Mediaspree versenken" eine populäre Bewegung | |
- angefangen hat sie mit nichts als ihrem Zorn und Ideen, wie es ihrer | |
Ansicht nach besser gehen könnte. Diesem Starrsinn gebührt Respekt. Auch | |
der theoretischen Forderung nach dem Recht der Öffentlichkeit auf das Ufer | |
ist wenig entgegenzuhalten. Das Ufer und der Fluss gehören den Bürgern | |
einer Stadt - nicht einzelnen Großinvestoren. Die Hamburger Hafen-City ist | |
ein erschreckendes Beispiel dafür, wie ein Luxus-Stadtteil für Auserwählte | |
geschaffen wird. | |
Die Initiatoren von "Mediaspree versenken" haben eine Diskussion | |
angestoßen, die überfällig war und noch lange geführt werden sollte. | |
Realpolitik ist nicht ihre Stärke und auch nicht ihre Aufgabe. Am Sonntag | |
aber soll über die machbare Entwicklung an den Spreeufern in Friedrichshain | |
und Kreuzberg abgestimmt werden. Deswegen gilt es, für den Entwurf des | |
Bezirks zu stimmen. Auch Bürgermeister Franz Schulz will keine | |
Hochhausfluchten am Horizont, auch er will das Ufer für die Öffentlichkeit | |
zugänglich machen. Er hat dafür mit den Investoren gerungen, denn | |
Steuereinnahmen braucht er, gerade in dem hoch verschuldeten Bezirk. Der | |
Vorschlag des Bezirks ist zwar keine Ideallösung. Doch es ist der | |
bestmögliche und einzig realistische Kompromiss. | |
12 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
Kristina Pezzei | |
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