# taz.de -- Debatte Unser Israel (1): Feiger Hass | |
> Hinter Kritik an Israel verbirgt sich oft blanker Antisemitismus. Die | |
> Blockade von Gaza dient der Selbstverteidigung des jüdischen Staats | |
Es gibt in der deutschen Öffentlichkeit eine besondere Sorte von Menschen, | |
die von einem dunklen, nicht offen eingestandenen Motiv gelenkt werden: | |
Judenhass. Man kann diese Menschen zum Beispiel in Teilen der | |
antizionistisch geprägten extremen Linken und propalästinensischen | |
Unterstützergruppen finden. Auch einzelne Mitglieder der Linkspartei | |
gehören dazu. Im Gegensatz zum unverblümten Antisemitismus von | |
Rechtextremisten und Neonazis pochen diese selbst ernannten Kämpfer für | |
Menschenrechte auf ihr "legitimes" Recht, Israel zu kritisieren, und tarnen | |
ihren Antisemitismus, indem sie sich als Kämpfer für Fortschritt und | |
Gerechtigkeit gerieren. | |
Selbstverständlich sind ihnen Juden lieb und teuer - vor allem diejenigen, | |
die im Rahmen der nationalsozialistischen "Endlösung der Judenfrage" | |
ermordet wurden. Da ihr Hass sich dennoch entladen muss, suchen sich unsere | |
pseudoaufgeklärten Feinde ein ihrer Meinung nach legitimes Objekt aus: den | |
Staat Israel, den sie dann so behandeln, wie "klassische" Antisemiten Juden | |
zu behandeln pflegen. Der Judenstaat wird ausgesondert, delegitimiert und | |
mit geradezu satanischen Attributen ausgestattet. | |
Der jüngste Fall: Israels Versuch, die von angeblichen Friedensaktivisten | |
gelenkte "Solidaritätsflotte" nach Gaza zu stoppen. Dabei tappte Israels | |
viel gerühmte Marinekommandoeinheit einem gut organisierten | |
dschihadistischen Schlägertrupp in die Falle und musste um ihr Leben | |
kämpfen, auch mit scharfer Munition. In der Folge starben neun der | |
Blockadebrecher. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Jedes | |
verlorene Menschenleben ist eine Tragödie, doch gerade deshalb darf die | |
Wahrheit nicht verschwiegen werden. | |
Gregor Gysi verstieg sich medienwirksam dazu, die legitime | |
Selbstverteidigung der israelischen Soldaten gegen die mit Eisenstangen und | |
Messern brutal angreifenden Islamisten als "verbrecherischen Akt, bei dem | |
friedliche Menschen getötet und verletzt wurden", zu verfälschen. Bis heute | |
hat er sich nicht von dieser antiisraelischen Propaganda distanziert. | |
Den Initiatoren der Flotte ging es übrigens nicht um das Schicksal der | |
Palästinenser im Gazastreifen - sonst hätten sie Israels oder Ägyptens | |
Angebot angenommen, die Hilfsgüter nach einer Inspektion selbst nach Gaza | |
zu bringen -, sondern um die Aufhebung jeglicher israelischer Kontrolle der | |
nach Gaza gelangenden Fracht. Das jedoch hätte in Zukunft ungehinderten | |
Waffentransport an die Hamas-Bewegung und deren Geistesverwandte bedeutet - | |
und das keine siebzig Kilometer von Tel Aviv und nur achthundert Meter von | |
Sderot entfernt. | |
Ein kleiner Hinweis: Heute verfügt die vom Iran mit syrischer Hilfe | |
aufgerüstete libanesische Hisbollah bereits über 40.000 auf Israel | |
gerichtete Raketen. Wäre die Rechnung der Blockadebrecher aufgegangen, | |
könnte auch die Hamas binnen kurzer Zeit tausende von hochgefährlichen | |
militärischen und nicht "nur", wie bisher, "hausgemachten" Raketen | |
vorweisen. Dieselbe Hamas, die unverhüllt Israels Vernichtung anstrebt und | |
israelische Städte unter Beschuss nimmt. Dem kann keine israelische | |
Regierung, ob rechts oder links, tatenlos zusehen. Daher muss Israel den | |
Weg nach GaZa kontrollieren. Wer Israel das verwehren möchte, spricht den | |
dort lebenden Juden das universale Menschenrecht auf Selbstverteidigung ab. | |
Dass die hinter der "Gaza-Hilfsaktion" stehenden Dschihadisten und | |
islamistischen Terroristen verurteilt worden wären, davon konnten die Juden | |
nur träumen. Auch fand es kaum jemand nötig, die leider destruktive Rolle | |
der türkischen Regierung, immerhin eines Nato-Mitgliedsstaats, unter der | |
Führung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan beim Namen zu nennen. | |
Dass diese - immer mehr zum Islamismus tendierend - den | |
Möchtegern-Israelvernichtern Unterstützung gewährte, ist eine Entwicklung, | |
die von den Medien wie von der Politik in Deutschland hätte verurteilt | |
werden müssen. Doch wer kritisiert das menschenverachtende Terrorregime der | |
Hamas und die Verletzung der Menschenrechte der palästinensischen | |
Zivilbevölkerung? Wer spricht über die Inhaftierung und Folterung | |
oppositioneller Aktivisten, die sich etwa gegen Steuererhöhungen für die | |
Armen wenden? Auch gegen die Einführung der Todesstrafe in Gaza oder die | |
Zerstörung illegal errichteter Häuser durch die Bulldozer der Hamas gibt es | |
keinen Widerspruch. | |
Nicht nur Erdogan hat hierzu auffallend geschwiegen. Angesichts der bis | |
heute andauernden Leugnung des Genozids der osmanischen Türkei an den | |
Armeniern 1915 und der türkischen Besatzung Nordzyperns erscheint dies aber | |
nur konsequent. Den Drahtzieher des weltweiten islamistischen Terrorismus, | |
Irans Staatspräsident Ahmadinedschad, empfing der türkische | |
Ministerpräsident ganz besonders herzlich. Denselben Ahmadinedschad, der | |
die Hamas und die Hisbollah jährlich mit zwei- und dreistelligen | |
Dollarmillionen-Beträgen unterstützt, den Holocaust leugnet, Wahlen | |
verfälscht, Journalisten und Oppositionelle im Iran brutal terrorisiert, | |
inhaftiert und foltert. Der an Minderjährigen Todesurteile vollstreckt und | |
Ehebrecherinnen öffentlich steinigt. | |
Glaubt man dem Medienbild, so ist Israel allein verantwortlich für die | |
Perspektivlosigkeit und die Armut in der palästinensischen Bevölkerung. Wo | |
sind aber die zig Milliarden von Dollar und Euro geblieben, die als | |
Unterstützung und zum Aufbau von sozialen und wirtschaftlichen Strukturen | |
aus Europa, Amerika und einigen arabischen Staaten ins Westjordanland und | |
den Gazastreifen gingen? | |
Wer Moral und Völkerrecht selektiv gegen Juden einsetzt, reißt sich selbst | |
die Maske vom Gesicht. Besonders widerwärtig ist es, wenn die Heuchler auch | |
noch argumentieren, dass nach dem Holocaust gerade die Juden mehr | |
Verständnis für die Rechte der Palästinenser haben müssten. Hier wird nicht | |
nur Unvergleichbares über einen Kamm geschoren, sondern die wirkliche Lehre | |
aus der nationalsozialistischen "Endlösung" mit Füßen getreten: "Nie | |
wieder!" Und dazu gehört, dass Juden, auch solche, deren Heimat Israel ist, | |
nie wieder wehrlos sind. | |
19 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Stephan Kramer | |
## TAGS | |
Antisemitismus | |
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