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# taz.de -- Portrait Michael Buback: Der Kriminalist wider Willen
> Eigentlich ist er Wissenschaftler, aber seit 2007 widmet sich Michael
> Buback vor allem der Aufklärung des Mords an seinem Vater. Weil er den
> Behörden misstraut.
Bild: Aufklärung des Attentats als zweiter Lebensinhalt: Michael Buback auf ei…
Michael Buback ist am Ziel und doch erst am Anfang. Er hat diesen Prozess
gegen Verena Becker gewollt. Seit drei Jahren hat er auf ihn hingearbeitet.
Endlich soll ein Gericht überprüfen, ob Becker 1977 seinen Vater erschossen
hat - und ob sie von staatlichen Stellen gedeckt wurde.
Seine Rolle im Prozess hat er sich freilich anders vorgestellt.
Gelegentlicher Beobachter wollte er sein, sehen, wie die Justiz seine
Fragen abarbeitet. Jetzt ist er Nebenkläger, weil er mit der
Bundesanwaltschaft immer noch unzufrieden ist. Diese hat zwar Anklage gegen
Verena Becker erhoben, aber sie geht nicht davon aus, dass Becker einst auf
Bubacks Vater geschossen hat. Also muss Buback vor Gericht nun doch die
Fragen selbst stellen und für die Vorladung entsprechender Zeugen sorgen.
Buback lässt Gesprächspartner oft wissen, dass das alles über seine Kräfte
gehe und welche Zumutung es sei, dass nun er den Tod seines Vater aufklären
müsse. "Ich habe doch einen Beruf zu erfüllen", sagt er dann. Doch er wird
weitermachen, mit dieser bewundernswerten Hartnäckigkeit, ohne die es
diesen Prozess nicht gäbe.
Michael Buback ist seit 1981 Chemieprofessor in Göttingen. Er war 31 Jahre
alt, als sein Vater erschossen wurde, und lebte bereits sein eigenes Leben,
verheiratet mit einer Lehrerin, später wurde er Vater von zwei Kindern. Das
Attentat beschäftigte ihn vor allem an Gedenktagen. Gelegentlich wurde er
in Fernsehdiskussionen über Terrorismus eingeladen. Seine Leidenschaft galt
aber der Wissenschaft. 2003 wäre er unter dem neuen Regierungschef
Christian Wulff (CDU) fast parteiloser Wissenschaftsminister in Hannover
geworden.
Erst 2007 wurde das Attentat auf seinen Vater zu seinem zweiten
Lebensinhalt. Deutschland diskutierte über eine Begnadigung von Christian
Klar, die Medien waren voll von Berichten zur 30. Wiederkehr des
Terrorjahres 1977. Michael Buback verlangte öffentlich, dass Klar sagen
solle, wer seinen Vater erschossen hat. Da meldete sich der Ex-RAFler
Peter-Jürgen Boock bei Buback und teilte mit, dass Klar nicht der Schütze
gewesen sei. Also forderte der Konservative Buback die Begnadigung von Klar
und sorgte für Aufsehen.
In den Mittelpunkt der Auseinandersetzung rückte Buback im April 2007. Der
Spiegel hatte enthüllt, dass Verena Becker schon 1981 beim
Verfassungsschutz Aussagen zu den Tätern des Buback-Mordes gemacht hatte.
Wenige Tage später räumte die Bundesanwaltschaft ein, dass der
Verfassungsschutz ihr die Informationen für Fahndungszwecke überlassen
hatte. Die Karlsruher Behörde hatte also mehr als 25 Jahre gewusst, dass
die offizielle Tatversion zweifelhaft war, aber nichts unternommen, dies
näher aufzuklären. Begründung: Der Verfassungsschutz habe eine gerichtliche
Verwertung der Akten ausgeschlossen, um die Zusammenarbeit mit Becker
geheim zu halten. Buback war entsetzt. Die eingeweihten Bundesanwälte
hatten nicht einmal gegenüber den Angehörigen der Opfer eine Andeutung
gemacht.
Nun begann ein hartes Ringen. Michael Buback wollte Akten, stellte Fragen,
bekam erst keine Antworten, dann ungenügende, Buback wurde immer
ungeduldiger und misstrauischer. Er gab Interviews und schrieb ein Buch
("Der zweite Tod meines Vaters"). Darin hatte er eine wirklich
beeindruckende Indizienkette aufgereiht, mit neuen und alten Zeugen, Spuren
und sonstigen Hinweisen, die auf Verena Becker als Schützin hindeutete. Er
holte nach, was damals versäumt wurde, mit dem Handicap, dass inzwischen 30
Jahre vergangen waren.
Immer wieder fragte Buback: Warum wurde Verena Becker nicht schon 1977
wegen ihrer Beteiligung an der Ermordung seines Vaters angeklagt - obwohl
sie doch als dringend tatverdächtig galt und inhaftiert war. Hinweise der
Bundesanwaltschaft auf das Bedürfnis nach einem kurzen und übersichtlichen
Prozess, als Kontrast zum Chaos im Stammheimer Baader-Meinhof-Verfahrens,
akzeptierte Buback nicht. Wie kann man von Prozessökonomie sprechen, wenn
der Tod eines Generalbundesanwaltsaufzuklären ist. Michael Buback konnte es
nicht fassen: Ausgerechnet die einst von seinem Vater geleitete Behörde
hatte nicht alles darangesetzt, die Mörder seines Vaters zu finden und vor
Gericht zu stellen.
Es war ein Kampf David gegen Goliath, Einzelkämpfer gegen Apparat, der bei
den Medien natürlich gut ankam. Unter Linksliberalen hatte die
Bundesanwaltschaft ohnehin noch nie viele Freunde. Doch nun konnte man an
alte Konfrontationsmuster anknüpfen, ohne deshalb gleich in Verdacht zu
geraten, ein Linksextremist zu sein. Nein, man war sogar
Buback-Sympathisant, man unterstützte den Sohn eines Terroropfers.
Tatsächlich geriet die Bundesanwaltschaft alsbald in die Defensive und
reagierte. Sie beantragte - letztlich erfolglos - Beugehaft gegen Christian
Klar und andere Ex-RAFler, führte Beckers Verfassungsschutzakten in den
Prozess ein und eröffnete ein Ermittlungsverfahren gegen Verena Becker.
Dies ermöglichte einen DNA-Vergleich mit Spuren an den Bekennerschreiben
vom Buback-Mord. Und als Übereinstimmung festgestellt war, wurde Becker
observiert, abgehört, verhaftet und angeklagt - allerdings nicht als
Todesschützin.
Michael Buback ist damit unzufrieden. "Es wäre mir unangenehm, wenn Frau
Becker nur deshalb verurteilt würde, weil sie Briefmarken auf die
Bekennerschreiben geklebt hat", sagte er neulich zur taz. Für ihn lohnt
sich der ganze Aufwand nur, weil er wissen will, wer seinen Vater
erschossen hat. Ihn interessiert nicht das arbeitsteilige Kollektiv,
sondern wem der Finger am Abzug gehörte.
Und immer mehr eröffnete Buback eine zweite Ebene in der
Auseinandersetzung: Wenn Verena Becker wirklich die Schützin war und so
viele Indizien auf sie hindeuteten, aber nicht weiterverfolgt wurden, dann
könne das kein Zufall sein, glaubt Buback. Dann müsste Becker aus dem
Apparat heraus gedeckt worden sein. Doch warum? Buback mutmaßt, dass Becker
nicht erst 1981/1982, also vier Jahre nach der Inhaftierung, zeitweise mit
dem Verfassungsschutz kooperierte, sondern schon früher. Möglicherweise sei
Becker eine V-Frau des Verfassungsschutzes gewesen, deren Verwicklung in
den Mord nun vertuscht werden müsste. Hier wirkt Bubacks Argumentation
angestrengt.
Er hat sich auch erst langsam getraut, diesen Verdacht offen zu äußern.
2007 hieß es noch vage und düster: "Es gibt Anzeichen, dass ein Geheiminis
über der Sache liegt." 2008 bezeichnete er die mögliche
Geheimdienstverwicklung bereits als "Gedankenexperiment". Inzwischen
spricht Buback offen von der "schützenden Hand", die die Geheimdienste über
Becker hielten und noch halten.
Doch auch Bubacks Geheimdienstthesen sind noch Ausdruck alter Loyalität zur
Behörde des Vaters. Die normalen Bundesanwälte hätten ihre Arbeit immer gut
gemacht, betont Buback, die Verschwörung müsse vom Verfassungsschutz und
der späteren Hausspitze unter Kurt Rebmann gekommen sein. Unter seinem
Vater wäre so etwas sicher nicht passiert. "Mein Vater hätte seinen Mord
nach sechs Wochen aufgeklärt gehabt", sagte Michael Buback einmal. Er wird
wohl noch etwas länger brauchen, aber ein Aufgeben kann man sich bei
Michael Buback kaum vorstellen.
29 Sep 2010
## AUTOREN
Christian Rath
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