Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- RAF-Prozess gegen Verena Becker: "Heimtückisch drei Menschen getö…
> Die Bundesanwaltschaft wirft Verena Becker vor, auf die "bedingungslose
> Umsetzung" der Mordpläne an Buback gedrungen zu haben. Die Angeklagte
> hüllt sich in Schweigen.
Bild: Als Mittäterin angeklagt: die Beschuldigte Verena Becker beim Prozessauf…
STUTTGART taz | Verena Becker kam mit einer großen Sonnenbrille in den
Sitzungssaal. Sie leidet unter einer Autoimmunkrankheit, die die Tränen-
und Speichelproduktion verhindert. Deshalb durfte sie im Gerichtssaal sogar
trinken. "Das ist keine Ungehörigkeit", erläuterte der Vorsitzende Richter
Hermann Wieland den zahlreichen Zuhörern.
Es ging also respektvoll zu im Prozessbunker von Stuttgart-Stammheim. Für
Verena Becker war es ein Déjà-vu. Ende 1977 wurde sie hier zu lebenslanger
Haft verurteilt wegen einer Schießerei bei ihrer Festnahme in Singen. Als
das Urteil damals verkündet wurde, sprang sie auf den Tisch und beschimpfte
die Richter als "Nazischweine".
Der RAF-Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinen zwei
Begleitern am 7. April 1977 in Karlsruhe war damals kein Thema gewesen.
Obwohl Becker als verdächtig galt, wurde sie hierfür nicht angeklagt. 1980
stellte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen ein und nahm sie erst im
April 2008 auf Druck von Michael Buback, dem Sohn des Opfers, wieder auf.
Am Donnerstag nun, 33 Jahre nach der Tat, verlas Bundesanwalt Walter
Hemberger die Anklage: Verena Becker habe "gemeinschaftlich und mit anderen
handelnd aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch drei Menschen
getötet".
Verena Becker äußerte sich gestern nur kurz zu Namen, Geburtstag und
Anschrift und ließ dann ihren Anwalt Walter Venedey erklären, dass sie
"derzeit" keine weiteren Angaben machen werde. Stattdessen wurden ihre
Aussagen beim Ermittlungsrichter und einige alte Urteile verlesen.
Lebhaft wurde es in Stammheim erst nach Ende des offiziellen
Prozessprogramms. In einer improvisierten Pressekonferenz erläuterten
Bundesanwaltschaft, Verteidigung und Nebenkläger Michael Buback ihre
Positionen.
Die Bundesanwaltschaft wirft Becker drei Tatbeiträge zum Buback-Mord vor.
So habe sie innerhalb der Roten Armee Fraktion (RAF) auf die
"bedingungslose Umsetzung" des Anschlagsplans gedrungen. Das könne, so
Hemberger, der Ex-RAFler Peter-Jürgen Boock bezeugen. Am Tag vor dem
Anschlag habe sie gemeinsam mit Günter Sonnenberg und Knut Folkerts den
Tatort ausgespäht oder die beiden von dort abgeholt. Das habe eine Zeugin
damals gesehen. Und schließlich habe Becker für die Verbreitung der
Bekennerschreiben gesorgt. An mehreren Briefumschlägen von damals konnten
ihre DNA-Spuren nachgewiesen werden. Die Tatbeteiligung habe sie inzwischen
in privaten Aufzeichnungen auch gestanden.
Die Verteidigung sieht dagegen "gute Aussichten" auf einen Freispruch, so
Anwalt Venedey. Die Bundesanwaltschaft habe die Aussagen von Boock
überinterpretiert. Auch die Frau, die Becker am Vortag des Anschlags
gesehen haben will, sei keine zuverlässige Zeugin. 1977 habe sie
widersprüchliche Angaben gemacht, heute könne sie sich an nichts erinnern.
Und die DNA-Spuren?
Dies sei keine Tatbeteiligung am Mord, spätestens der Bundesgerichtshof in
der Revision werde das lediglich als Beihilfe oder "mitgliedschaftliche
Betätigung in einer terroristischen Vereinigung" werten, so die
Verteidiger.
Michael Buback kündigte an, er werde dafür sorgen, dass auch die
zahlreichen Zeugen gehört werden, die eine Frau oder "zierliche" Person auf
dem Motorrad gesehen haben. Er glaubt "mit 99-prozentiger Sicherheit", dass
Verena Becker seinen Vater erschossen hat. Befragen will er zudem die
Präsidenten von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz. Sie sollen
erklären, ob die Sicherheitsbehörden Verena Becker gedeckt haben.
Bei aller Kritik an der Beweisführung der Bundesanwälte gab sich Buback
gestern versöhnlich: "Wir Bubacks stehen an der Seite der
Bundesanwaltschaft, das ist schließlich die Behörde meines Vaters."
Bis weit ins nächste Jahr hinein wird jetzt zweimal pro Woche, jeweils
dienstags und donnerstags, verhandelt.
30 Sep 2010
## AUTOREN
Christian Rath
## ARTIKEL ZUM THEMA
RAF-Prozess in Stuttgart: Boock entlastet Becker
Rückendeckung vom Ex-Kampfgenossen: Peter-Jürgen Boock sagt im Prozess
gegen Verena Becker aus, sie habe bei der Planung des Buback-Mords nicht
als Einpeitscherin gewirkt.
RAF-Prozess um Verena Becker: Michael Buback lässt sich nicht beirren
Der Nebenkläger sieht in der Ex-Terroristin Verena Becker immer noch die
Frau, die seinen Vater erschoß. Beobachter zweifeln inzwischen daran.
Buch zum Fall Verena Becker: 200 Seiten, die Ärger machen werden
Hatte das frühere RAF-Mitglied Verena Becker Kontakt zum Verfassungsschutz,
als Buback ermordet wurde? Wolfgang Kraushaar stößt auf zahlreiche
Ungereimtheiten.
Anklage gegen Verena Becker: I Ging und Orakel
Verena Becker soll sich spirituell mit dem Buback-Mord beschäftigt haben.
Ihre einem Orakel gestellten Fragen gehen aus schriftlichen und digitalen
Aufzeichnungen hervor.
Debatte RAF-Prozess: Mitangeklagt ist der Staat
Bubacks Sohn vermutet ein Vertuschungskomplott beim Mord an seinem Vater,
das es so wohl nicht gegeben hat. Geheimdienstelei führt aber zu genau
solchen Annahmen.
Portrait Michael Buback: Der Kriminalist wider Willen
Eigentlich ist er Wissenschaftler, aber seit 2007 widmet sich Michael
Buback vor allem der Aufklärung des Mords an seinem Vater. Weil er den
Behörden misstraut.
Aufklärung des RAF-Terrorismus: Zeitreise nach Stammheim
Die Rote Armee Fraktion (RAF) ist längst Teil der politischen Folklore.
Doch ihre Geschichte ist häufig noch ungeklärt. Auch dagegen soll der
Verena Becker-Prozess helfen.
Vor Prozess gegen Ex-RAF-Terroristin: Dokument entlastet Becker
War Verena Becker zur Zeit des Buback-Attentats in Bagdad? Ja, sagt der
Verfassungsschutz. Nebenkläger Michael Buback warnt: Die Ex-Terroristin
werde immer noch geschützt.
Kölner Intendantin Karin Beier: Die Überzeugungstäterin
Die Intendanz Karin Beiers an Kölns Stadttheater ist eine Erfolgsstory. Mit
ihrem Einsatz für den Erhalt des Schauspielhauses hat sie sich in der
Lokalpolitik aber nicht nur Freunde gamacht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.