# taz.de -- Kölner Intendantin Karin Beier: Die Überzeugungstäterin | |
> Die Intendanz Karin Beiers an Kölns Stadttheater ist eine Erfolgsstory. | |
> Mit ihrem Einsatz für den Erhalt des Schauspielhauses hat sie sich in der | |
> Lokalpolitik aber nicht nur Freunde gamacht. | |
Bild: Neuland zu betreten, davor fürchtet sich Karin Beier eben nicht. | |
Sie trägt oft Schwarz, häufig diese schwarzen fingerlosen Handschuhe, | |
meistens nur einen. Die braunen Haare stehen öfters kreuz und quer. Wenn | |
man sie so sieht, kann einem, immer noch, der Gedanke an Punk kommen. | |
1988, als Studentin in Köln, fing Karin Beier zusammen mit Elmar Goerden | |
an, Shakespeare in englischer Sprache, mit der sie aufgewachsen ist, in | |
aufgelassenen Hallen zu machen. Dem Elisabethaner hat sie über die Jahre | |
die Treue gehalten. Vom Düsseldorfer Schauspiel aus wurde sie einige Jahre | |
später mit zwei furiosen, mehrsprachigen Shakespeare-Inszenierungen zum | |
Berliner Theatertreffen eingeladen. Und ihr aktueller Kölner "Lear" stand | |
lange auf der Nominierungsliste der diesjährigen Ausgabe. In die Endauswahl | |
hat es dann aber ihre Adaption von Ettore Scolas Film "Die Schmutzigen, die | |
Hässlichen und die Gemeinen" geschafft. | |
Inzwischen ist sie mit 44 Jahren die Intendantin des Stadttheaters in ihrer | |
Geburtsstadt. Für dessen Erfolg stehen zum Beispiel die drei Einladungen | |
von Kölner Inszenierungen zum diesjährigen Theatertreffen in Berlin. Auch | |
wenn zwei davon Koproduktionen sind; Johan Simons hat "Kasimir und | |
Karoline", mit dem das Theatertreffen eröffnete, zuerst am NT Gent gezeigt | |
und Nicolas Stemanns Inszenierung von Jelineks "Die Kontrakte des | |
Kaufmanns", mit dem das Festival in Berlin schließt, ist eine Koproduktion | |
mit dem Thalia Theater. | |
Karin Beier lässt sich den Mund nicht verbieten. Keine Zeit während der | |
drei Jahre, die sie jetzt in Köln Chefin eines Hauses mit 160 Mitarbeitern | |
ist, hat das deutlicher gemacht als die letzten Monate, während des Streits | |
um Abriss oder Neubau des Schauspielhauses. Nachdem der Stadtrat aufgrund | |
der Kostenexplosion eine abgespeckte Neubauvariante beschlossen hatte, | |
wurde das Unterfangen für Beier sinnlos. Wozu 295 Millionen Euro für Oper | |
und Schauspiel ausgeben, wenn viele der geplanten Raum- und Synergiegewinne | |
nicht mehr vorhanden sein würden? Die Intendantin wurde zur Gallionsfigur | |
im Kampf für die Sanierung der denkmalgeschützten Architektur. Sie pochte | |
öffentlich auf den praktischen Unsinn des Neubaus und die stadtbiografische | |
Identität des Riphahn-Ensembles. | |
Die unzähligen Runden mit "diesen ganzen Herren der Schöpfung" gingen bis | |
zur Despektierlichkeit, erzählt sie. Doch am Ende hat sie den Sieg | |
davongetragen. Gegen den Oberbürgermeister und gegen den Kulturdezernenten, | |
die den Neubau wollten. | |
Der Preis dafür ist, dass Beier in bestimmten Kreisen jetzt als Persona non | |
grata gilt. Zwar gibt es, sagt sie, ein Bekenntnis der Stadt, dass man | |
ihren Vertrag, der 2012 ausläuft, verlängern wolle. Sie will das auch, | |
steht zur Verantwortung, die sie für die schwierige Sanierungsphase auf | |
sich genommen hat. In trockenen Tüchern ist aber noch nichts. | |
Um so entschlossener plant sie die nächste Spielzeit, die nun doch im alten | |
Haus stattfinden wird und nicht in der bereits angemieteten | |
Interimsspielstätte. Auch dafür hat sie sich eingesetzt, zusammen mit den | |
Sanierungsaktivisten: "Hier steht ein Theater leer!" Warum soll man | |
ausziehen, solange nicht saniert wird, wenn man die nötigen Reparaturen | |
durchführen kann? | |
Und auch mit der geplanten Eröffnungspremiere in der kommenden Saison, die | |
sie selber inszenieren wird, beweist sie Mut. Denn Elfriede Jelinek wird | |
zur Saisoneröffnung ein Stück für Köln schreiben vor der Folie des | |
Stadtarchiv-Einsturzes, Beier wird es montieren mit zwei weiteren Stücken | |
der Nobelpreisträgerin. Wenn sie über diese Arbeit redet, wirkt sie | |
gegenüber dem Gesprächspartner, bei aller Zielstrebigkeit, offen und | |
unprätentiös. So gibt sie zu, dass ihr Jelineks figur- und psychologiefreie | |
Textflächen eigentlich nicht liegen: "Für mich ist es Neuland, mit so einer | |
intellektuellen Kälte umzugehen." Aber Neuland zu betreten, davor fürchtet | |
sie sich eben nicht. | |
Überhaupt, sich zu verstecken, das scheint etwas zu sein, das absolut nicht | |
zu ihr passt. "Wenn ich einmal Überzeugungstäter bin, ziehe ich mein Ding | |
durch", sagt sie. Das erklärt vielleicht auch den strammen Schritt, mit dem | |
man sie öfter dahin- oder davoneilen sieht. Oder ist diese Gangart Ausdruck | |
der Mentalität, die man in diesem Job braucht, vor allem wenn man wie sie | |
in letzter Zeit "oft am Rand" war? Manche, die sie nicht näher kennen, | |
sagen sogar, sie fänden sie arrogant. | |
Als Regisseurin steht Beier für szenischen Einfallsreichtum und | |
Spielfreude, für Figurenpsychologie bei gleichzeitig hohem Bildanteil. Ihre | |
Inszenierungen müssen zuoberst über Musikalität verfügen, sagt sie. Die | |
"Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen" vereint vermutlich alle | |
diese Komponenten, obwohl die Inszenierung weitgehend stumm abläuft. Der | |
Arbeit wohnt ein hohes Spannungsmoment inne. Beier lässt fast das gesamte | |
Stück in einem Container spielen. Die asoziale Armutsfamilie, die innen | |
vegetiert und gegeneinander um eine Versicherungssumme kämpft, kann der | |
Zuschauer immer nur von außen begaffen. Dieses Konzept ist zugleich der | |
gesellschaftskritische Grundkommentar des Abends. | |
18 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Alexander Haas | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |