# taz.de -- Usbekistans Präsident zu Gast bei der EU: Roter Teppich für einen… | |
> Islam Karimow trifft sich mit Vertretern der EU und der Nato. Zu Hause | |
> lässt er seine Gegner foltern. Dank der geostrategischen Lage Usbekistans | |
> kann er sich das leisten. | |
Bild: Kann so einer ein schlechter Mensch sein? Islam Karimov auf einem Wahlpla… | |
ALMATY taz | Der Seidenstraßentyrann Islam Karimow reist nach Brüssel. Der | |
usbekische Präsident wird am Montag den EU-Kommissionspräsidenten José | |
Barroso und den Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen treffen. Der | |
Machthaber des zentralasiatischen Landes an der afghanischen Grenze führt | |
seit 1989 einer der weltweit brutalsten Despotien. | |
"Der Empfang von Karimow ist respektlos gegenüber den Opfern der | |
repressiven Staatsführung des Präsidenten", sagt der Geschäftsführer von | |
Reporter ohne Grenzen Christian Rickerts. Für die Bundestagabgeordnete der | |
Grünen Viola von Cramon "hat er den Empfang durch den | |
EU-Kommissionspräsidenten definitiv nicht verdient". | |
Das Sündenregister des 72-jährigen EU- und Nato-Gastes ist lang. Nach | |
UN-Angaben wird Folter in Usbekistan "systematisch" angewandt, mehrere | |
tausend Menschen sitzen wegen religiöser Überzeugung in Gefängnissen, und | |
ein Dutzend Journalisten sind zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Es | |
gibt keine Pressefreiheit oder legale Opposition. Die von Wikileaks | |
veröffentlichten US-Botschaftsdepeschen aus Taschkent berichten detailreich | |
über den Raubzug der Präsidentenfamilie durch die Wirtschaft des Landes. | |
Im Mai 2005 ließ Karimow zudem einen Volksaufstand in Andischan | |
zusammenschießen. Nach dem Massaker mit hunderten Toten verhängte die EU | |
Sanktionen, die aber 2009 ohne sichtbare Verbesserung der | |
Menschenrechtssituation einkassiert wurden. Vor allem der deutschen | |
Diplomatie – damals leitete Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Auswärtige | |
Amt – war deren Aufhebung zu verdanken. Steinmeier band die usbekische | |
Despotie 2007 in die unter der deutschen EU-Präsidentschaft erdachte | |
Zentralasienstrategie ein und reiste als einer der ersten Minister aus | |
Europa nach dem Massaker 2006 nach Taschkent. | |
Der Schlüssel heißt Afghanistan | |
Der Grund für dieses Verhalten liegt in Afghanistan. "Wegen der starken | |
geostrategischen Position hat die usbekische Führung so lange ein wirksames | |
Instrument, bis der Einsatz in Afghanistan beendet ist", sagt von Cramon. | |
Seit 2002 unterhält die Bundeswehr im südusbekischen Termes einen | |
Luftwaffenstützpunkt. Durch das Land läuft der wichtigste Strang der | |
nördlichen Versorgungsroute für den Krieg am Hindukusch. | |
Den mit der Zentralasienstrategie verbundenen Menschenrechtsdialog konterte | |
das usbekische Regime bisher aus. Auf die vom Westen geforderte Freilassung | |
eines Menschenrechtlers folgte in der Regel die willkürliche Verhaftung | |
eines anderen. | |
Mit der Nachsicht soll nun Schluss sein, die EU verspricht Standfestigkeit. | |
"José Barroso hat vor, konkrete Menschenrechtsfälle anzusprechen", | |
beschwichtigt der EU-Sprecher Michael Karnitschnig, offensives Engagement | |
sei das beste Mittel zur Förderung der Menschenrechte. Bei dem Treffen mit | |
dem Nato-Generalsekretär werde es hauptsächlich um den Einsatz in | |
Afghanistan gehen, sagte eine Sprecherin, aber Menschenrechte seien ein | |
Teil des usbekischen Partnerprogramms mit der Nato. | |
Das Auswärtige Amt sieht heute Usbekistan skeptisch. "Die | |
Menschenrechtslage in Usbekistan ist besorgniserregend", sagt eine | |
Sprecherin, gewissen Verbesserungen, unter anderem die Abschaffung der | |
Todesstrafe, stünden große Defizite gegenüber. Deutschland gehe davon aus, | |
dass "alle kritischen Fragen bei dem Treffen mit Barroso offen angesprochen | |
werden". | |
24 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Marcus Bensmann | |
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