# taz.de -- Kommentar Europas Außenpolitik: Ben Ali, Gaddafi, ... | |
> Europa muss aus der tunesischen Revolution lernen, dass der Schein der | |
> Stabilität trügen kann. Und dass sie als Werteunion auch für ihre Werte | |
> eintreten muss. | |
Beim Umgang mit Diktatoren macht Europa keine gute Figur. Deutliche Kritik | |
gibt es nur, wenn das Land weit weg ist, kein Öl hat, von europäischen | |
Geldern abhängt und keine eigenen Druckmittel einsetzen kann. | |
Für die direkten Nachbarn Europas hingegen, ob in der ehemaligen | |
Sowjetunion oder an der Südküste des Mittelmeers, gelten andere Maßstäbe. | |
Man äußert sich nur verhalten, oder man hofiert sogar die Autokraten. Von | |
Tunesien bis Usbekistan haben das die Herrscher der europäischen Peripherie | |
begriffen, und sie haben dafür Europa verachten gelernt. | |
In Tunesien hat sich die Verlogenheit der europäischen Politik offenbart. | |
Jahrelang lobte Europa den Diktator Ben Ali als Modernisierer und Freund. | |
Noch in der Schlussphase des Volksaufstands bot Frankreich dem tunesischen | |
Regime Polizeihilfe an, Flugzeugladungen voller Tränengas für Tunesien | |
wurden nur durch den Umsturz in Tunis auf dem Pariser Flughafen gestoppt. | |
Selbst jetzt kündigt die EU die Sperrung der Konten Ben Alis in Europa mit | |
mehreren Tagen Vorlauf an, sodass er sie rechtzeitig leeren kann. | |
Nun ist Ben Ali weg, die Hoffnung auf einen politischen Frühling ergreift | |
auch andere autoritär regierte Länder in der Region. Für Europas | |
Außenpolitik ist das eine Herausforderung, deren Tragweite europäische | |
Regierungen noch nicht begriffen zu haben scheinen. | |
Wenn Europa aus der tunesischen Revolution etwas lernen sollte, dann dies, | |
dass der Schein der Stabilität trügt. Eine Werteunion, wie es die EU zu | |
sein vorgibt, sollte für ihre Werte gerade dort eintreten, wo Menschen | |
dafür ihr Leben riskieren. Dies gilt von der Elfenbeinküste bis China und | |
eben derzeit insbesondere in der unmittelbaren Nachbarschaft am Mittelmeer. | |
Libyens Revolutionsführer al-Gaddafi, für seinen unbarmherzigen Umgang mit | |
Gegnern und seine skandalöse Internierungspolitik gegenüber Flüchtlingen | |
bekannt, wird von Europa weiterhin in einer peinlich anbiedernden Weise | |
umgarnt. Die Aussicht auf Beteiligung an der Ausbeutung der größten | |
Ölreserven Afrikas verstellt offenbar den Blick auf die einfachsten | |
Grundsätze: zum Beispiel, dass man Flüchtlinge nicht in einen Unrechtsstaat | |
abschiebt. | |
Es ist begrüßenswert, dass das EU-Parlament die laufenden EU-Gespräche mit | |
Libyen über ein Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge geißelt. Es ist | |
bedauerlich, dass dieses Votum überhaupt nötig war. | |
20 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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