# taz.de -- Kommentar Reaktorexplosion in Japan: Die Methoden der Atomlobby | |
> Das Vertuschen und Verzögern der Atomlobby ist ein unfassbarer Skandal. | |
> Aber er ist keine Folge des Chaos nach dem Beben, nein - das hat Methode. | |
> Auch in Deutschland. | |
Fünf Atomreaktoren in Japan laufen derzeit auf eine Katastrophe zu. Sie | |
sind notabgeschaltet und ohne Kühlung. Was genau passiert ist, wissen weder | |
Anwohner noch die Welt, und das fast zwei Tage nach dem schweren Erdbeben. | |
Ein Reaktor ist schon explodiert, aber die Atomlobbyisten geben auch das | |
nur zögerlich zu, sprechen teilweise von einer wahrscheinlich nicht so | |
folgenschweren Wasserstoffexplosion. Kein Vergleich zu Tschernobyl, heißt | |
es. | |
Dieses Vertuschen und Verzögern ist ein unfassbarer Skandal. Und er ist | |
keine Folge des Chaos nach dem Beben, nein - das hat Methode. Noch bei | |
jedem Atomunfall war es so. Erst mal versuchen, die schöne Fassade intakt | |
zu lassen. Lieber die Gesundheit von Zehntausenden und Hunderttausenden | |
gefährden, als schlechte Presse zu riskieren. Es könnte ja sein, dass | |
Experten die Lage in den Griff bekommen oder die Bevölkerung nichts merkt. | |
Radioaktive Strahlung ist ja zum Glück unnsichtbar und geruchlos. Und die | |
Milliarden aus diesem Geschäft stinken nicht. | |
In Wahrheit ist es so, dass im Falle Japans auf einem der aktivsten | |
Erdbebengebiet der Welt 54 Reaktoren laufen. Alle paar Jahre wird dort ein | |
AKW bei einem Beben beschädigt. Nun sind Teile anscheinend auch noch von | |
einem Tsunami geflutet worden. Wir wissen es ja nicht genau. Wir müssen uns | |
nur Sprüche anhören, dass es schon nicht so schlimm kommen wird. Vor allem | |
nicht in Deutschland. | |
Aber es kommt schlimm. Das liegt in der Natur der Sache. In | |
Industrieanlagen passieren Unfälle, seien es Raffinerien, AKWs oder | |
Ölplattformen. Techniker können die Wahrscheinlichkeit für einen solchen | |
Unfall durch Vorkehrungen minimieren. Aber man kann prinzipiell nicht für | |
jeden Schaden vorsorgen. Das stärkste Beben in der Geschichte Japans plus | |
eine zehn Meter hohe Tsunami-Welle waren eben nicht drin in den | |
Wahrscheinlichkeitsannahmen. Genauso wenig wie in Deutschland ein weit | |
schwächeres Beben in den Genehmigungsunterlagen mitgedacht ist, oder gar | |
ein Terrorangriff oder ein Flugzeugabsturz eines riesigen Airbus A380. | |
Konnte ja beim Bau der AKW in den 60er oder 70er Jahren keiner vorhersehen, | |
was es 2011 alles gibt auf der Welt. | |
Die Risiken der Technik kann man nicht abschaffen. Wohl aber den Umgang | |
damit ändern. Anlagen wie Atomkraftwerke, die zu unfassbaren Schäden | |
führen, sollte kein Staat betreiben. Und Menschen, die mit solchen Anlagen | |
ihr Geld verdienen, wie unsere werte Atombranche, sind klar als | |
verantwortungslose Lobbyisten zu brandmarken. Sie haben die Lage in ihren | |
Reden noch im Griff, während hinter ihnen bereits die Reaktorhalle | |
auseinanderfliegt. | |
In Deutschland sind in der Beziehung die Fronten ja geklärt: Die Union und | |
die FDP fördern die Atomkraft. So lange das so ist, gehören sie abgewählt. | |
Dafür sind wir Deutschen zuständig. Wie es in Japan weitergeht, können wir | |
und die Japaner erst beurteilen, wenn endlich die Wahrheit auf dem Tisch | |
liegt. Aber es sieht schlimmer aus, als selbst jeder Anti-Atom-Aktivist | |
befürchten konnte. | |
12 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Reiner Metzger | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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