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# taz.de -- Nach dem Erdbeben in Japan: Nuklearer Notstand in zwei Akws
> An einem weiteren Atomkraftwerk an der vom Tsunami getroffenen Ostküste
> Japans sind inzwischen die Kühlsysteme ausgefallen. An den beiden
> Standorten Fukushima I und II drohen Kernschmelzen.
Bild: Vor dem Tsunami: Undatiertes Luftbild des Akw Fukushima.
TOKIO/BERLIN taz/dapd/dpa/afp | Nach dem gewaltigen Erdbeben und den darauf
folgenden Tsunami-Wellen sind zwei an der japanischen Ostküste gelegene
Atomkraftwerke in sehr ernste Probleme geraten. Insgesamt bei fünf der zehn
Kernreaktoren an den beiden Standorten Fukushima Daiichi und Fukushima
Daini sind die normalen Kühlsysteme ausgefallen. In Folge drohen die
Reaktoren zu überhitzen – und im schlimmsten Fall sogar eine Kernschmelze.
Nach dem Versagen des Kühlsystems im japanischen Atomkraftwerk Fukushima
Daiichi (Fukushima I) ist die Radioaktivität im Umkreis der Reaktoren
gestiegen: In einem der Kontrollräume habe sie das Tausendfache des
Normalwerts erreicht, teilten die Behörden am Freitagabend (unserer Zeit)
mit.
In Fukushima I war die Stromversorgung des Kühlsystems von zwei der sechs
Reaktoren ausgefallen und der Druck weiter angestiegen. Die Regierung hatte
deshalb für das Kraftwerk am Freitagmittag (unserer Zeit) den nuklearen
Notstand ausgerufen. Zusätzlich sind Freitagnacht am 12 Kilometer weiter
südlich gelegenen Akw Fukushima Daini (Fukushima II) ebenfalls an mehreren
Reaktoren die Kühlsysteme ausgefallen.
Der japanische Premierminister Naoto Kan weitete den Evakuierungsbereich
für das Akw Fukushima I aus. Er forderte die Menschen in einem Radius von
zehn Kilometern um das Atomkraftwerk auf, sich in Sicherheit zu bringen.
Zuvor waren die Menschen bereits in einem Umkreis von drei Kilometern
aufgerufen worden, ihre Häuser zu verlassen. Rund 3.000 Anwohner hatte dies
betroffen.
Radioaktiver Dampf muss abgelassen werden
Um den gestiegenen Druck in einem der sechs Reaktoren des [1][Akws
Fukushima I] zu reduzieren, wollten die Behörden dort etwas radioaktiven
Dampf aus dem Reaktor ablassen. Die Atomsicherheitsbehörde erklärte, der
Druck sei auf das Doppelte des Normalwerts angestiegen. Die im Wasserdampf
enthaltene Radioaktivität werde aber die Umwelt oder die menschliche
Gesundheit nicht beeinträchtigen.
Kabinettssekretär Yukio Edano erklärte, die dadurch freigesetzte Menge an
Radioaktivität sei "sehr gering". Weil bereits Evakuierungen angeordneten
seien und der Wind Richtung Meer wehe, "können wir Sicherheit garantieren",
sagte Edano auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz.
Die Ingenieure täten ihr Möglichstes, um das Kühlsystem wieder in Betrieb
zu setzen, teilte die Atomaufsichtsbehörde mit. Der Erfolg dieser Maßnahme
sei jedoch nicht garantiert.
Ein "Wettlauf mit der Zeit"
Der ausgewiesene Kernenergie-Experte Michael Sailer vom Öko-Institut sprach
Freitagnacht in den ARD-Tagesthemen von einer "sehr dramatischen Situation"
und "einem Wettlauf mit der Zeit", um die Stromversorgung rechtzeitig
aufzubauen und die Reaktoren wieder ordentlich kühlen zu können.
Nach dem Ausfall des Kühlsystems hatten selbst die Notstromgeneratoren
versagt. Ein Mitarbeiter der Atomsicherheitsbehörde erklärte, derzeit werde
der Reaktor mit einem zweiten System gekühlt, das aber nicht so effektiv
sei wie die eigentliche Anlage.
Das Atomkraftwerk [2][Fukushima Daiichi], auch Fukushima I genannt, besteht
aus zwei Baukomplexen, einer von vier und einer von zwei Reaktoren und
liegt direkt am Meer, war also der Tsunamiwelle unmittelbar ausgesetzt. Es
befindet sich rund 270 Kilometer nordöstlich von Tokio. Alle sechs Blöcke
sind schon recht alt: Sie gingen in den Siebziger Jahren ans Netz. Zwei
weitere sind geplant. Drei der sechs bestehenden Reaktorblöcke waren zum
Zeitpunkt des Tsunamis wegen Wartungsarbeiten komplett abgeschaltet
gewesen.
Am Samstagmorgen havarierte das zweite Akw
Etwa 12 Kilometer weiter südlich befindet sich das ebenfalls am Meer
gelegene Atomkraftwerk [3][Fukushima Daini], auch Fukushima II genannt, mit
vier Reaktoren. Am Samstag früh um 8 Uhr Ortszeit (0 Uhr mitteleuropäischer
Zeit) meldete die japanische [4][Nachrichtenagentur Kyodo], dass auch hier
das Kühlsystem von drei der vier Reaktoren ausgefallen sei. Und auch für
diesen Meiler wurde nun der nukleare Notstand ausgerufen.
Gut eine Stunde später folgte die Meldung, dass auch hier wahrscheinlich
Druck aus dem Reaktoren abgelassen werden müsse – wodurch trotz der
Filterung des Kühlwasserdampfes auch Radioaktivität ins Freie entweichen
würde. Und auch hier wurde nun eine Evakuierung der Häuser in einem Umkreis
von drei Kilometern angeordnet.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte schon am Freitagabend
festgestellt, dass die Situation sehr ernst sei. Im äußersten Fall sei auch
eine Kernschmelze möglich.
Durch das [5][Jahrtausendbeben der Stärke 8,9 in Japan] war am Freitag auch
ein weiteres Akw in Mitleidenschaft gezogen worden: In der Turbinenhalle
der Atomanlage in der Präfektur Miyagi im Nordosten der Hauptinsel Honshu
war ein Feuer ausgebrochen, es konnte zum Glück bald gelöscht werden. In
Japan waren am Samstag früh (Ortszeit) 1,2 Millionen Haushalte ohne Strom.
Das rohstoffarme Japan setzt bei der Energiegewinnung auf die Kernkraft:
Rund ein Drittel des Strombedarfs der Wirtschaftsnation stammt aus 55
Reaktoren an 17 Standorten. Bei dem Erdbeben waren elf der Reaktoren
automatisch heruntergefahren worden, darunter die in Fukushima Daiichi.
Doch auch im heruntergefahrenen Zustand müssen die Brennstäbe weiter
gekühlt werden, da die nukleare Kettenreaktion nicht vollständig zum
Erliegen kommt.
Immer noch Nachbeben
In weiten Teilen Japans bebte die Erde auch am Samstagmorgen (japanische
Zeit) immer wieder. Die Menschen im Großraum Tokio wurden von einer neuen
schweren Erschütterung aufgeschreckt. Auch in der Provinz Nagano gab es
starke Nachbeben. Das japanische Fernsehen zeigte Bilder von großflächigen
Überschwemmungen an der Küste. Viele Menschen verbrachten die eiskalte
Nacht frierend im Freien auf den Dächern umfluteter Häuser.
Das gewaltige Beben hatte Japan am Freitag gegen 14.45 Uhr Ortszeit (6.45
Uhr unserer Zeit) erschüttert. Das Zentrum der Erdstöße lag 24 Kilometer
unter dem Meeresboden, 130 Kilometer östlich der Stadt Sendai und knapp 400
Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tokio. An der Ostküste der japanischen
Hauptinsel Honshu fielen Gebäude wie Kartenhäuser zusammen, eine Wasserwand
raste ins Landesinnere und riss alles mit sich, was ihr im Weg stand.
11 Mar 2011
## LINKS
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_Daiichi
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_I
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_II
[4] http://english.kyodonews.jp/
[5] /1/zukunft/umwelt/artikel/1/schwerstes-beben-seit-1200-jahren/
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