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# taz.de -- Hintergründe zum AKW Fukushima: Geflutete Stromaggregate
> Wie konnten die Notdiesel im AKW Fukushima ausfallen, was hat zur
> Explosion geführt und wieviel Radioaktivität produzieren die Reaktoren?
> Eine Erklärung.
Bild: Regelt die Evakuierung. Ein Straßenpolizist in der Präfektur Fukushima.
BERLIN taz/dpa | Es mehren sich Details zur Explosion im Reaktor
Fukushima-Daiichi. Demnach habe es sich um eine Knallgas-Explosion
gehandelt. Dies sagte Noriyuki Shikata, Pressesprecher der japanischen
Regierung, um kurz nach 14 Uhr. Knallgas ist ein Gemisch aus Wasserstoff-
und Sauerstoffgas, H2 und O2. Schon ein kleiner Funken genügt bei diesem
Gemisch, um eine explosionsartige Reaktion zu Wasser (H2O) auszlösen. Das
ist ein gefürchteter Effekt bei Reaktorunfällen, weil der damit
einhergehende Explosionsstoß den Reaktor zerreißen kann. Wasserstoff und
Sauerstoff entsteht im Reaktor durch die große Hitze aus Wasser.
Das Knallgas sei zwar außerhalb des Reaktordruckbehälters gewesen, jedoch
im Reaktorgebäude. So hat es zwar die Wandverkleidungen und das Dach des
Gebäudes weggerissen, nicht jedoch den inneren Druckbehälter aus Stahl
beschädigt, so Shikata.
Die Internationale Atomenerigebehörde IAEA gab bekannt, die Regierung
versorge die Anwohner mit Jodtabletten. Damit soll die Aufnahme in den
Körper von gasförmigen radioaktivem Jod aus dem Reaktor vermieden werden.
Radioaktives Jod führte im Fall von Tschernobyl und bei anderen
Strahlenopfern zu Schilddrüsenkrebs. Ist der Körper per Tabletten mit Jod
gesättigt, nimmt er weniger davon aus der Umwelt auf.
## Wieso fielen die Notdiesel aus?
Die Atomlobby-Website [1][World Nuclear News] (WNN) erklärte am
Samstagmorgen den Ausfall der Notdiesel am Standort Fukushima-Daiichi
folgendermaßen: Die drei Reaktoren dort gingen mit dem Beben vom
Normalbetrieb in die Notabschaltung. Die Dieselaggregate sprangen an und
kühlten den Reaktorkern weiter. Eine Stunde nach dem Beben erreichte jedoch
der Tsunami die Küste und flutete die Stromaggregate, referiert WNN Angaben
der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Seitdem ist es offensichtlich
nicht wieder gelungen, diese zu starten.
Es ist außerdem noch nicht gelungen, genügend Stromaggregate von Außen
heranzuschaffen, um den Kühlkreislauf wieder zu starten. Bei allen drei
Reaktoren wird deshalb radioaktiver Dampf abgelassen, sobald der Druck im
Inneren eine Höchstgrenze überschreitet. Tepco versucht inzwischen laut dem
taz-Korrespondentenin Tokio, mit Borsäure angereichertes Meerwasser als
neues Kühlmittel einzufüllen. Zudem wird am Samstagnachmittag ein neuer
Generator für das Kühlsystem eingeflogen.
Am Standort Fukushima-Daini stellt laut der Betreiberfirma Tepco vor allem
Reaktor Nummer 1 eine Gefahr dar. Dort fiel ein Notkühlsystem wegen
Überhitzung aus. Die Betreiber bereiten bei allen vier dortigen Reaktoren
das Ablassen radioaktiven Dampfes in die Umgebung vor, um so den Druck in
den Reaktorsicherheitsbehältern zu mindern.
Laut WNN befand sich in einem Führerhaus am Abluftkamin des Reaktors 1 ein
lebloser Arbeiter. Der Betreier Tepco "überlegte eine Rettung" - was diese
Formulierung heißen soll, ist unklar. Eventuell sind auch in diesem Reaktor
die Strahlenwerte schon über den zulässigen Grenzen, so dass eine Bergung
mit Gefahren für die Retter verbunden wäre. Ein weitere Arbeiter in Reaktor
3 von Fukushima-Daini wurde mit einer Dosis von 106 Millisievert
verstrahlt. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Strahlenbelastung durch
die Natur beträgt etwa 2,4 mSv pro Jahr.
## Wieviel Radioaktivität steckt in einem AKW?
Atomkraft-Befürworter verweisen manchmal darauf, dass selbst beim Zünden
der Atombombe 1945 in Hiroshima die Strahlenkrankheiten schnell wieder
nachließen. Das ist für die Atomlobby aber ein gefährliches Argument. Im
Vergleich zu einem Atommeiler waren bei der Hiroshima-Bombe nämlich nur
kleine Mengen Radioaktivität im Spiel.
Der atomkritische Trinationale Atomschutzverband aus der Schweiz rechnet
vor: In einem AKW, egal ob Siedewasser- oder Druckwasserreaktor, wird pro
Megawatt elektrischer Leistung jährlich etwa die Radioaktivität einer
Hiroshima-Bombe erzeugt. Die drei derzeit ohne Stromversorgung darnieder
liegenden japanischen Fukoshima-II-Reaktoren haben eine Leistung von 1.067
Megawatt. Also produziert jeder von ihnen kurz- und langlebige Radioaktivät
von gut 1.000 Hiroshima-Bomben. Pro Betriebsjahr.
Der am Samstagmorgen explodierte Reaktor Fukushima I-1 mit seinen 439
Megawatt produziert pro Jahr "nur" die Hälfte. Allerdings sammeln Reaktoren
in ihrem Inneren radioaktives Inventar aus mehreren Jahren an. Wieviel
Radioaktivität am Reaktor Fukushima I-1 tatsächlich freigesetzt wurde, ist
unklar. Noch heute, knapp 25 Jahre nach der Explosion des ukrainischen
Reaktors Tschernobyl-4, streiten Experten über die Menge an freigesetzem
strahlenden Material.
## Atomgipfel im Kanzleramt
Wegen der dramatischen Entwicklung im japanischen Atomkraftwerk Fukushima
hat Bundeskanzlerin Angela Merkel für Samstagabend ein Krisentreffen
angesetzt. Teilnehmen würden neben Merkel Vizekanzler Guido Westerwelle,
Innenminister Hans-Peter Friedrich und Umweltminister Norbert Röttgen,
sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Röttgen werde auch einen Experten
für Reaktorsicherheit mitbringen. Die Kanzlerin lasse sich laufend auch
über die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) über die Lage
informieren.
Röttgen hatte am Samstagvormittag erklärt, die drohende Kernschmelze in
Fukushima stelle keine Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland dar. "Wir
gehen davon aus, dass eine Gefährdung Deutschlands praktisch ausgeschlossen
werden kann."
12 Mar 2011
## LINKS
[1] http://www.world-nuclear-news.org/default.aspx
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