# taz.de -- Das Atomkraftwerk Fukushima I: Vom Pannen- zum Unglücksreaktor | |
> Der havarierte japanische Block 1 vom Akw Fukushima I ist nicht nur einer | |
> der ältesten der Welt, er war offenbar auch alles andere als zuverlässig. | |
Bild: Das Akw Fukushima I an der Pazifikküste vor dem Erdbeben und der Explosi… | |
BERLIN taz | "Fukushima". Wieder ist die Welt um ein trauriges Chiffre | |
reicher, in der Liste der Orte, die für atomare Unfälle stehen. Wie | |
Harrisburg in den USA, wo es 1979 im Kernkraftwerk Three Mile Island zu | |
einer partiellen Kernschmelze kam, oder Tschernobyl. | |
Genau genommen geht es um Fukushima I (Daiichi), wobei immer noch unklar | |
ist, ob es zu einer Kernschmelze kam oder nicht. Er ist einer von sechs | |
Reaktoren an dem Standort direkt an der japanischen Ostküste und einer von | |
54 im ganzen Land. Elf Kilometer südlich befindet sich Fukushima II (Daini) | |
mit vier weiteren Reaktoren, die von 1982 bis 1987 gebaut wurden. Der | |
havarierte Reaktor ist nicht nur der Älteste der sechs an seinem Standort, | |
er gehört auch zu den betagtesten weltweit. | |
Nur 16 der global 441 Kernreaktoren in Betrieb sind noch vor dem | |
japanischen ans Netz gegangen, sie stehen in den USA, der Schweiz, | |
Großbritannien, Indien, auch in Japan sind zwei Kraftwerke noch älteren | |
Datums. Angeblich sollte Fukushima I im März 2011 ohnehin vom Netz, das | |
schreibt das Forschungszentrums Nuclear Training Centre (ICJT) in Slowenien | |
– eine Bestätigung hierfür gibt es aber nicht. | |
Fukushima scheint nicht zu den verlässlichsten seiner Art gehört zu haben. | |
Aus Daten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) geht hervor, dass | |
er in den letzten zehn Jahren nur knapp über die Hälfte des Stromes | |
produziert hat, die seine Nettoleistung von 439 Megawatt zulassen würde. | |
Nur wenige Reaktoren weltweit haben eine schlechtere Ausbeute. | |
Der Wert ist auch nicht mit der skandalösen japanischen Betreiberfirma | |
Tokyo Electric Power (Tepco) zu erklären. 2002 hatte sie eingeräumt, über | |
zehn Jahre lang Berichte über Risse in Atomreaktoren und | |
Reaktordruckbehältern gefälscht zu haben. Fünf Manager mussten damals ihren | |
Hut nehmen, sämtliche 17 Tepco-Reaktoren des Landes gingen zeitweise vom | |
Netz. | |
Ein Erdbeben hatte bereits 2007 Schäden am Kernkraft-Komplex Kashiwazaki | |
verursacht, die Anlage musste ebenfalls vom Netz – Tepco räumte ein, sie | |
sei nicht für Beben der damaligen Stärke ausgelegt gewesen. Doch selbst im | |
Vergleich mit den Pannenreaktoren des Betreibers war Fukushima I deutlich | |
seltener am Netz. Ein klarer Hinweis auf häufige Probleme. | |
Die gab es auch in der Frühphase des Reaktors. Von der Bauweise her gehört | |
er zu den sogenannten Siedewasserreaktoren. Dabei wird Wasser durch die | |
radioaktiven Zerfallsprozesse der Brennstäbe zum Sieden gebracht, verdampft | |
und treibt Turbinen an, die Strom erzeugen. Die Technologie ist in den | |
70er-Jahren unter anderem vom US-amerikanischen Konzern General Electric | |
(GE) in Japan eingeführt worden, GE hat auch Fukushima I errichtet. | |
Die Arbeiten begannen um Juli 1967. Ein häufiges Problem dieses Bautyps | |
waren feine Risse in den Stahlrohren des Kühlsystems, die, so schreibt die | |
IAEA, quasi bei jeder Inspektion festgestellt wurden. Auch in der | |
Kernummantelung des Reaktors traten die Risse auf. Erst im Jahr 2001 wurde | |
Fukushima I deshalb generalüberholt. | |
Japan erzeugt normalerweise rund 30 Prozent seiner Elektrizität aus | |
Kernkraft. Bis 2017 sollte der Anteil auf 40 Prozent steigen. Das | |
Wirtschaftsministerium hat im Jahr 2008 einen Plan erarbeitet, wonach der | |
gesamte Energiebedarf des Landes, also auch für Verkehr und Heizung, im | |
Jahr 2100 zu 60 Prozent aus Kernenergie kommen sollte. Sehr | |
unwahrscheinlich, dass das Land daran festhalten wird. | |
12 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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