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# taz.de -- Atomkatastrophe in Japan: Kühlsystem in drittem Akw ausgefallen
> In einem Atomkraftwerk Tokai südlich von Fukushima ist das Kühlsystem
> ausgefallen. Ob eine Kernschmelze in Reaktor 3 im Akw Fukushima I
> begonnen hat, ist weiter unklar.
Bild: Mit Schutzmasken und -anzügen eskortieren Offizielle zwei Frauen zu eine…
TOKIO rtr/dpa/afp/taz | Zehntausende Opfer, Kettenreaktionen mit
unkalkulierbaren Folgen im Atommeiler Fukushima und eine drohende
Versorgungsnot: Japan kämpft gegen eine historische Krise. Ein
Regierungssprecher dementierte am Sonntag zwar eigene Angaben, wonach es
auch im Reaktor 3 des Atomkraftwerks Fukushima I eine "teilweise"
Kernschmelze gegeben habe. Ministerpräsident Naoto Kan bezeichnete die Lage
im Umkreis von Fukushima aber als alarmierend. In der 150 Kilometer
entfernten Provinz Miyagi maßen Experten eine 400 Mal höhere Radioaktivität
als normal und führten dies auf die Explosion in Fukushima vom Samstag
zurück.
In einem dritten Atomkraftwerk ist ebenfalls das Kühlsystem ausgefallen,
wie die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Feuerwehr
berichtet. Es handelt sich um das 1978 ans Netz gegangene Akw Tokai an der
Ostküste südlich von Fukushima. Tokai hat eine Leistung von 1060 Megawatt.
Auch dort ist der Siedewasserreaktor ausgefallen.
Unterdessen bestätigte ein Regierungssprecher, dass im Akw Fukushima I wie
bereits am Reaktor 1 im Reaktor 3 die Kühlfunktion ausgefallen sei. Dadurch
sei das Kühlwasser zurückgegangen, so Yukio Edano. Zuvor hatte er erklärt,
es sei zu einer "teilweisen" Kernschmelze gekommen. Dass es im Reaktor 1
schon zu einer Kernschmelze kam, hält die Atomsicherheitsbehörde für sehr
wahrscheinlich. Durch Salzwasserzufuhr seien die Brennstoffstäbe inzwischen
wieder im Wasser, führte der Sprecher aus. Es könne sein, dass sich dadurch
Wasserstoff unter dem Dach angesammelt habe. Doch selbst wenn es wie beim
Block Nummer 1 zur Explosion komme, könne der Reaktor dem widerstehen.
80.000 Menschen im Umkreis von 20 Kilometern mussten ihre Häuser verlassen.
Zudem drohe in Block 3 der Anlage eine ähnliche Explosion wie am Samstag in
Block 1, als das Betongehäuse einstürzte, sagte Kabinettschef Yukio Edano
am Sonntag. Mit Blick auf den Reaktor 3 treibt Atomexperten eine weitere
Sorge um: In diesem kommen sogenannte Mischoxid-Brennelemente (Mox) zum
Einsatz, die aus mehreren Uran- und auch Plutoniumoxiden bestehen, die aus
der Wiederaufarbeitung atomarer Abfälle stammen. Diese Mischung sei "ein
gewaltiges chemisches Gift", sagte Jean Marie-Brom vom französischen
Netzwerk für Atomausstieg (Sortir du Nucléaire). "Es reicht, ein Partikel
einzuatmen, um Lungenkrebs zu bekommen."
Unklar ist laut Experten, wie viel Plutonium derzeit noch in den
Brennelementen von Reaktor 3 steckt. "Befindet sich noch relativ viel
Plutonium in den Brennelementen, erhöht das die Gefahr, dass plötzlich
wieder eine Kettenreaktion eintritt", sagte Wolfgang Renneberg, ehemaliger
Chef der Atomaufsicht in Deutschland, Spiegel-Online.
## Radioaktives Wasser ausgetreten
Um Druck vom dem überhitzten Reaktor zu nehmen, sei Dampf abgelassen
worden. Damit sei wohl auch eine geringe Menge Radioaktivität freigesetzt
worden. Gleichzeitig sei Wasser in das Kernkraftwerk geleitet worden, um
den Druck und die Temperatur in dem Reaktor zu senken, sagte Edano.
Unterdessen haben die Behörden den nuklearen Notstand in einem weiteren
Atomkraftwerk ausgerufen. Für das Kraftwerk Onagawa sei wegen überhöhter
Werte von Radioaktivität die niedrigste Notstandsstufe erklärt worden,
teilte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) am Sonntag in Wien mit.
Der Betreiber Tohoku Electric Power Company meldet den Austritt
radioaktiven Wassers. Die Strahlung sei 700-fach zum Normalwert erhöht, so
die Betreiberfirma, aber "immer noch niedrig". Ob der nach dem Beben durch
einen Brand geschädigte Reaktor Onagawo-3 betroffen ist oder einer der
beiden anderen am Standort, war noch unklar. Der Anstieg der Radioaktivität
im Akw Onagawa ist einer japanischen Agentur zufolge Ergebnis des Lecks im
Kraftwerk Fukushima. Die Betreibergesellschaft Tohoku sehe keine Probleme
bei der Kühlung von Onagawo.
Die Akws Fukushima I und II waren bei einem Erdstoß der Stärke 9,0 am
Freitag schwerbeschädigt worden. Das bislang stärkste Beben in der
Geschichte Japans und ein dadurch ausgelöster Tsunami verwüsteten weite
Teile im Nordosten des Landes. Es sei nahezu sicher, dass [1][mehr als
10.000 Menschen ums Leben gekommen seien], zitierte der TV-Sender NHK die
örtliche Polizei.
In Reaktor 3 des Akw Fukushima seien durch Salzwasserzufuhr die
Brennstoffstäbe inzwischen wieder im Wasser, sagte Regierungssprecher Edno.
Es könne allerdings sein, dass sich dadurch Wasserstoff unter dem Dach
angesammelt habe. Doch selbst wenn es wie beim Block Nummer 1 zur Explosion
komme, könne der Reaktor dem widerstehen. Es gebe keine Notwendigkeit für
neue Evakuierungen, sagte Edano.
Laut Agentur Jiji werden Vorbereitungen getroffen, den Atomreaktor 2 des
Kraftwerks Fukushima I mit Meerwasser zu kühlen.
## Brennstäbe möglicherwise geschmolzen
Auf die Frage von Journalisten, ob Brennstäbe in der Anlage teilweise
geschmolzen seien, sagte Edano: "Diese Möglichkeit besteht." Bestätigen
lasse sich dies nicht, da man nicht prüfen könne, was sich im Inneren der
Reaktoren abspiele. Aber in beiden Fällen würden Maßnahmen getroffen, die
auf einer solchen Annahme fußten.
Es bestehe nach dem Ausfall der Kühlung aber das Risiko einer Explosion,
allerdings werde die eigentliche Hülle des Reaktors davon vermutlich nicht
betroffen sein. Am Samstag hatte eine Explosion die Beton-Außenhülle von
Block 1 zerstört. Die Stahlhülle des Reaktorkerns blieb aber nach Angaben
der Regierung intakt.
Strahlung trat dennoch aus. Nach Angaben der Betreiberfirma Tepco wurden
die Grenzwerte für die Strahlenbelastung überschritten. Eine unmittelbare
Gesundheitsgefahr bestehe aber nicht. Nach Angaben der Regierung versuchten
Fachleute, eine Explosion in Block 3 zu verhindern, indem sie Meerwasser
zur Kühlung in die Anlage pumpten. Diese Methode wurde auch bei Block 1
angewendet. Diesmal habe man jedoch "frühzeitig damit begonnen", Druck
abzulassen und Wasser einzupumpen, sagte Edano. Beobachter werteten dies
als Eingeständnis, dass die Regierung bislang zu zögerlich vorging.
Kritiker werfen ihr schwaches Krisenmanagement vor.
## Evakuierungszone 20 Kilometer rund um Fukushima I
Ministerpräsident Naoto Kan bezeichnete das Erdbeben in einer
Fernsehansprache am Sonntag als schlimmste Krise seit dem Zweiten
Weltkrieg. Die Lage im durch das Beben beschädigten Atomkraftwerk Fukushima
1 sei weiter ernst. Kan forderte die Japaner auch zum Stromsparen auf. Nach
der Abschaltung mehrerer Atomkraftwerke wegen des Bebens gebe es das Risiko
von großflächigen Stromausfällen, sagte der Regierungschef. In Tokio werde
die Elektrizität rationiert, wie das Versorgungsunternehmen der Stadt am
Sonntag mitteilte. Ab Montag werde auch in anderen Städten des Landes der
Strom zeitweise abgestellt.
Japans Atomsicherheitsbehörde ging davon aus, dass bis zu 160 Menschen der
radioaktiven Strahlung ausgesetzt gewesen sein könnten. Menschen im Umkreis
von 20 Kilometern rund um Fukushima I mussten die Gegend verlassen. Für ein
weiteres Atomkraftwerk in der Nähe wurde eine Evakuierungszone mit einem
Radius von zehn Kilometern verhängt. In Evakuierungszentren wurden
Neuankömmlinge von Personal in Schutzkleidung überprüft, ob sie verstrahlt
sind. Landesweit seien bislang 300.000 Menschen in Sicherheit gebracht
worden, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo.
Unterdessen haben Experten in Miyagi eine 400 Mal höhere Radioaktivität als
normal gemessen. Ein Sprecher des örtlichen Atomkraftwerksbetreibers sagte,
die Reaktoren in der Region seien stabil. Um das AKW Onagawa sei eine
erhöhte Radioaktivität festgestellt worden. Man gehe aber davon aus, dass
dies nicht von dem Reaktor stamme. Experten vermuten, dass der Wind
Radioaktivität aus der Provinz Fukushima herübergeweht habe. Die
beschädigten Reaktoren von Fukushima liegen gut 150 Kilometer von der
Region mit der erhöhten Strahlung entfernt.
13 Mar 2011
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