# taz.de -- Solidarität mit Japan: BerlinerInnen zeigen Flagge | |
> Viele BerlinerInnen zeigen ihr Mitgefühl mit den Opfern der Erdbeben- und | |
> Atom-Katastrophe in Japan: bei Flashmobs, Gottesdiensten, Demos und mit | |
> Blumen. | |
Bild: Flashmobben für Japan am Sonntag am Alex. | |
Punkt 16 Uhr ertönt am Neptunbrunnen ein Pfiff. Rund 60 in rot und weiß | |
gekleidete Menschen bilden am Sonntag gegenüber vom Roten Rathaus eine | |
Traube, formen zusammen so etwas wie die japanische Flagge. Nach gut zehn | |
Minuten löst sich das Schauspiel auf. Es wird applaudiert und gelacht, | |
einige machen Erinnerungsfotos. | |
Der Flashmob soll eine Solidaritätsadresse für die Erdbebenopfer in Japan | |
sein. "Die ganze Welt steht hinter euch", tröstet eine Frau eine Gruppe | |
japanischer Teilnehmer. Sie könne nicht einfach Zuhause sitzen und nur die | |
Bilder am Fernseher verfolgen, sagt eine japanische Studentin, seit drei | |
Jahren in Berlin. Ihre Angehörigen seien von dem Erdbeben zwar verschont | |
worden. "Aber ich will zumindest ein kleines Zeichen setzen." Für | |
Organisator Nicolas Jakoby ist der Flashmob "die schnellstmögliche | |
Solidarität". Übers Internet hatte der Werbetexter und DJ zu der Aktion | |
mobilisiert. Die Atom-Diskussion sei ein wichtiges Thema, findet Jakoby. | |
"Heute aber wollen wir an den humanitären Part, die vielen Einzelschicksale | |
denken." Jacoby wirbt deshalb zusätzlich um Spenden - für die ärztliche | |
Versorgung der Opfer und den Wiederaufbau der zerstörten Regionen. | |
Die lebende Japan-Fahne bleibt nicht die einzige Mitgefühlsbekundung: Mit | |
vielen Aktionen wurde am Wochenende in Berlin Anteil genommen an der | |
Erdbeben- und Atom-Katastrophe in Japan. Bereits am Samstagabend | |
demonstrierten mehrere hundert Menschen auf einer Route vom Alexanderplatz | |
zum Bundeskanzleramt für einen sofortigen Atom-Ausstieg. "AKWs abschalten, | |
erneuerbare Energien ausbauen", prangte auf einem Schild. "Trauer und Wut", | |
stand auf einem schwarzen Banner. "Abschalten, abschalten", skandierten die | |
Protestierer. Ein "Schock" seien die Bilder aus Japan, sagte ein | |
Demonstrant. "Die Regierungen müssen aus diesen Erfahrungen endlich lernen, | |
dass diese Technologie keine Sicherheit bieten kann." Die jetzt von der | |
Bundesregierung angekündigte Prüfung deutscher Reaktoren seien | |
"Luftblasen", so der Mann. "Wir müssen sofort raus der Atomkraft". | |
Vorm Bundeskanzleramt legten die Demonstranten eine Schweigeminute ein. Ein | |
Redner forderte die Abschaltung von Atomkraftwerken weltweit. "Die | |
Bundesregierung sollte spätestens jetzt ihren Ausstieg aus dem | |
Atom-Ausstieg rückgängig machen", forderte Klaus Ehlbeck von | |
Anti-Atom-Berlin. In Deutschland stünden baugleiche AKWs wie in Japan, auch | |
hier könnten Erdbeben nicht ausgeschlossen werden. Am Montagabend ab 17 Uhr | |
wollen sich Atomkraftgegner erneut zu einer Mahnwache vorm Kanzleramt | |
treffen. | |
Auch in Gedenkgottesdiensten wurde um die Opfer getrauert. Bischof Markus | |
Dröge drückte im Berliner Dom sein Mitgefühl aus. Die Fernsehbilder seien | |
schrecklich. Dabei sei "das Schlimmste" gar nicht zu sehen, sagte Dröge: | |
"Die Hitze im Atomkraftwerk. Die drohende Gefahr eines Super-GAUs." | |
Das Mitgefühl und die Solidarität der Berliner gelte den Menschen in Tokio | |
und ganz Japan, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). | |
Seit 1994 ist Tokio Partnerstadt von Berlin. Die Grünen-Spitzenkandidatin | |
zur Abgeordnetenhauswahl Renate Künast drückte ihre "großen Sorgen" über | |
die weitere Entwicklung bei den unkontrollierbaren japanischen | |
Atomkraftwerken aus. Die Vorfälle zeigten: "Es gibt keine sichere | |
Atomkraft." | |
Vor der japanischen Botschaft am Tiergarten liegen am Sonntag auf einem | |
kleinen Rasenstück Blumen und ein kleiner Bonsai-Baum. Kerzen flackern im | |
Wind. Hinter dem Zaun hängt die Landesflagge auf Halbmast. Passanten stehen | |
davor, reden gedämpft. "Das tut mir so wahnsinnig leid", sagt ein | |
50-jähriger Berliner. "Und an die, die an den Reaktoren gegen den GAU | |
kämpfen müssen und ihr Leben aufs Spiel setzen, denkt ja noch keiner." Er | |
schüttelt den Kopf. "Hier werden Menschen zu Geiseln einer Technologie. Das | |
muss einfach aufhören." Am Zaun vor dem großen, weißen Gebäude hängt ein | |
Schild: "Für Ihre Anteilnahme und Ihre guten Wünsche bedankt sich die | |
Botschaft von Japan sehr herzlich." | |
13 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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