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# taz.de -- Klaus Töpfer über den Atomausstieg: "Eine Erfahrung aus Tschernob…
> Die Katastrophe in Japan fordert auf, über das Energiekonzept der
> Bundesregierung neu nachzudenken, sagt Ex-Umweltminister Klaus Töpfer.
> Erneuerbare Energien seien bereits jetzt eine "reale Größe".
Bild: Vor fast 25 Jahren: Strahlungsmessung innerhalb der Tschernobyl-Sicherhei…
taz: Herr Töpfer, welche Entscheidungshilfen kann die Ethik-Kommission zum
Atomausstieg, die Sie nun mitleiten, den politischen Verantwortlichen
geben?
Klaus Töpfer: Wir sehen in vielen Bereichen, dass es in unserer
Gesellschaft nicht nur darum geht, dass man aus technischen
Bewertungskriterien heraus Aussagen zur Akzeptanz von Technologien
ableitet. Eine große Rolle spielt auch, welche Auswirkungen Technologien
auf die Risikobereitschaft in der Gesellschaft haben. Es wird die Frage
gestellt: Inwieweit wollen wir unseren Wohlstand auf Techniken aufbauen,
die, wenn sie versagen, massive negative Auswirkungen haben, die kaum
beherrschbar sind?
Ist diese ethische Frage in Bezug auf die Atomenergie nicht längst
beantwortet?
Sicherlich sind diese Fragen immer wieder und vor allem kontrovers erörtert
worden. Die Katastrophe in Japan fordert gebieterisch, dass wir uns
Gedanken darüber machen, wie die Kernenergie früher zu einem Ende geführt
wird, ohne dass dadurch andere der Gesellschaft außerordentlich bedeutsame
Ziele in Frage gestellt werden. Gedanken darüber zum Beispiel, dass dieser
Ausstiegs- und Überbrückungsprozess nicht dazu führen darf zusätzliche
Emissionen an C02 zu erzeugen. Dass er auch nicht dazu führen darf, eine im
Export sehr erfolgreiche und damit für die Arbeitsplätze in diesem Lande
entscheidende wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit in Frage zu stellen. Es
ist ernst und in einem breiten gesellschaftlichen Dialog zu erörtern, wie
die Überbrückung gestaltet werden muss, in der mit erneuerbaren Energien
eine umweltverträgliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung
gewährleistet werden kann. Ich halte es für ein richtiges Signal, dafür
eine solche Kommission einzusetzen
Sehen Sie eine Kompromissmöglichkeit zwischen dem Profitstreben der
Betreiber und dem Ausstiegswunsch einer breiten Bevölkerung?
Ich sehe es nicht als Aufgabe der Kommission, ein Schlichtungsverfahren
zwischen Betreibern und der Öffentlichkeit durchzuführen.
Gibt es bei der Regierung tatsächlich den Wunsch auszusteigen oder hat Herr
Brüderle mit dem Vorwurf recht, dies sei nur Wahltaktik?
Nein, das ist nicht meine Besorgnis. Für alle Teilnehmer dieser Kommission
kann ich sagen: es sitzt nicht einer darin, der sich für ein wahltaktisches
Manöver missbrauchen ließe. Und dieses wahltaktische Manöver wäre ja schon
am Montag zum größten Teil vorbei.
Die Bundesregierung hat vor nicht langer Zeit ihr Energiekonzept
vorgestellt. Muss nun ein Neues her?
Das Energiekonzept der Bundesregierung ist durch die Ereignisse in Japan,
durch die Dramatik des Kollapses dieser Kernkraftwerke, deutlich
überarbeitungsbedürftig geworden. Dieser Aufgabe muss man sich stellen. Wir
sollten nicht vergessen, dass Deutschland weltweit eine einmalige Position
einnimmt. Gehen sie mit mir nach China, nach Indien, Russland, Frankreich.
Es gibt kein Kernenergie nutzendes Land, bei dem sich die Gesellschaft
insgesamt darüber einig ist, dass diese Energie eine auslaufende
Technologie ist. Alle diese genannten Länder sind der Meinung – auch nach
dem Drama in Japan -, dass Kernenergie eine Zukunftstechnologie ist. Bei
uns ist das glücklicherweise nicht so. Das ist auch eine hart eingebläute
Erfahrung aus Tschernobyl. Deswegen ist Deutschland aber auch weltweit
führend geworden in erneuerbaren Energien.
Deutschland als energiepolitischer Vorreiter?
Den Begriff mag ich nicht. Ich denke, man muss eine nüchterne Analyse
machen und darauf hinweisen, dass wir ganz zweifellos bis in die
ökonomischen Determinanten hinein, Vorteile gewinnen können aus einer
Umstrukturierung ohne Kernenergie. Wir sehen ja, dass Kernenergie keine
Technik ist, die uns billiger kommt. Im Gegenteil, es entstehen an vielen
Stellen massive Kosten zur Gewährung der Sicherheit – ohne dass ein nicht
beherrschtes Restrisiko ausgeschlossen werden kann. Andere Energietechniken
bekommen dadurch im Vergleich eine viel größere Wirtschaftlichkeit. Es wäre
hervorragend, wenn die Arbeit der Kommission darüber eine breite
gesellschaftliche Diskussion auslösen könnte. Eine Diskussion, die nicht
von vornherein vergiftet ist.
Aber diese Diskussion gibt es doch schon seit 30 Jahren?
Ja, aber man muss dazu beitragen, dass die Alternativen neu aufgearbeitet
werden statt alte Grabenkriege zu führen. Dafür ist jetzt eine neue Chance
gegeben. Es ist eine klare Notwendigkeit nicht nur zu sagen, wir steigen
aus, sondern diese Feststellung damit zu verbinden, wie wir auch Anderen
belegen können, dass man aus Kernenergie aussteigen kann, ohne Stabilität
und Wohlstand aufzugeben. Das ist nicht nur eine Frage für uns, sondern
über unsere Grenzen hinweg. Denn wenn es uns nicht gelingt diesen Beleg zu
bringen, dann werden wir anderen Ländern die Begründung dafür geben, auf
Dauer bei der der Kernenergie zu bleiben.
Gehören dazu auch solche Zukunftsprojekte wie das von Ihnen unterstützte
Großprojekt Desertec, das Energie aus Wüstenstrom in großem Maßstab
gewinnen will?
Es wäre ein Fehler, gerade auch für ein technologisch führendes Land wie
die Bundesrepublik, würde man eine realistische Technologie, die sich mit
der Nutzung erneuerbarer Energien beschäftigt, nicht verfolgen. Die Technik
der Solarthermie ist sehr risikolos, und vor allem: sie ist nicht visionär
sondern sehr real. Es wäre meiner Meinung nach sträflich, so etwas nicht
mitzuverfolgen – für die Energieversorgung in Europa und vor allem auch in
Nordafrika als Beitrag zu einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung nach
dem gesellschaftlich-politischen Umbruch in diesen Ländern.
Hat sich ihre Dringlichkeit bei dem Thema Ausstieg aus der Atomenergie nach
Japan verstärkt?
Ich habe solange wie ich politische Verantwortung trage, seit dem ersten
Tag meiner Tätigkeit als damaliger Bundesumweltminister gesagt, wir müssen
eine Zukunft ohne Kernenergie erfinden. Nach Tschernobyl gab es noch nicht
so konkrete Alternativen für die Energieversorgung ohne die Kernenergie.
Was die Diskussion heute für mich sehr viel bewusster und sehr viel
nachdrücklicher macht ist die Tatsache, dass viel erreicht wurde im Bereich
der erneuerbaren Energien. Die Entwicklung und die massenhafte Nutzung
erneuerbarer Energien ist keine Vision mehr, sondern reale Größe. Wir haben
auch gesehen, dass die Entwicklung in diesem Bereich in den vergangen
Jahren sehr viel schneller gegangen ist, als man glaubte. Dass wir heute 17
Prozent unserer Elektrizitätsversorgung über erneuerbare Energie bekommen,
hätte uns vor zehn Jahren niemand geglaubt.
26 Mar 2011
## AUTOREN
Edith Kresta
Wolfgang Löhr
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Nachruf
Wissenschaftsrat
Desertec
Schwerpunkt Atomkraft
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