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# taz.de -- Anti-Atom-Demos: "Abschalten, abschalten!"
> In Berlin, Hamburg, Köln und München gehen Zehntausende auf die Straße.
> Es ist eine Manifestation quer durch alle Schichten. Mit einem festen
> Versprechen.
Bild: Neues aus Springfield: Die Anti-Atom-Bewegung bei der Demo in München,
„Es gab einen gesellschaftlichen Konsens zum Atomausstieg, der im letzten
Herbst gebrochen wurde“, sagt DGB-Chef Michael Sommer auf der Bühne der
Abschlusskundgebung in Berlin, in seinem Rücken das Brandenburger Tor. „Das
werden wir nicht tolerieren, wir werden den sofortigen Ausstieg erkämpfen.“
Applaus brandet auf unter den Zehntausenden, die dicht gedrängt bis zur
Siegessäule stehen – mit grünen und roten Luftballons, mit zahllosen
Schildern und Bannern. „Gemeinsam haben wir die Kraft“, ruft
Gewerkschaftschef Sommer. „Nie und nimmer lassen wir uns noch mal
einlullen.“ Es klingt nach Zeitenwende. Und es sieht auch so aus.
Hunderttausende sind am Samstag gegen Atomkraft auf der Straße. Mit vier
Großdemonstrationen fordern sie die sofortige Abschaltung deutscher AKWs.
Rund 120.000 sind es in Berlin, 50.000 in Hamburg, je 40.000 in Köln und
München. Es ist die größte Anti-Atom-Manifestation der vergangenen Jahre,
wenn nicht überhaupt.
## Robin-Wood-Kletteraktivisten am Kirchdach
In Hamburg zeigt der Protest ein buntes Bild, zieht sich durch alle
Generationen. Familien, Rentner, Schüler sind gekommen. Als sie an der
Petri-Kirche vorbeilaufen, seilen sich unter Jubelrufen Robin
Wood-Aktivisten mit einem Anti-Atom-Banner vom Kirchdach ab. Vor der
Vattenfall-Kundenzentrale ertönt aus einem Lautsprecherwagen ein
„Atom-Alarm“. Um 14.15 Uhr wird es dann ganz still. Auf der Endkundgebung
ruft Bischof Jürgen Bollmann zu einer Schweigeminute auf – zeitgleich
geschieht dies auch in Berlin, München und Köln. „Das Schweigen in der Not
für die Japaner steht nicht im Widerspruch zum lautstarken Protest gegen
die Atomenergie“, sagt Wollmann. „Das was in Japan passiert ist, darf nicht
auch hier passieren.“
Auch in Hamburg haben die Gewerkschaften mit zum Protest mobilisiert. „Wir
erleben einen Wendepunkt und eine historische Chance, endlich die Regierung
und die Konzerne zum Atomausstieg zu bewegen“, ruft Hartmut Meine,
Bezirksleiter der IG-Metall, in die Menge. „Die erneuerbare Energie bietet
längst die Arbeitsplätze für die, die heute in den AKWs arbeiten.“
## „Lassen wir die Nutzung der Atomkraft Geschichte werden“
Ähnliche Bilder auch in München und Köln. „Lassen wir die Nutzung der
Atomkraft Geschichte werden“, fordert Jutta Sundermann von attac in Köln.
Sollten die bereits abgeschalteten Meiler wieder in Betrieb gehen, werden
die Menschen dies zu blockieren wissen, kündigt Sundermann an. Immer wieder
ertönen „Abschalten“-Rufe, „Atomkraft – nein danke“-Schilder staksen…
der Demonstration.
In Berlin wird es am lautesten, als der Demo-Zug die CDU-Zentrale passiert.
„Abschalten, abschalten“, schalt es gegen die Glasfassaden und die davor
postierten Polizeiwagen. Es sei für Politiker keine Schande zuzugeben, man
habe einen Fehler gemacht, sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel, der in der Demo
mitläuft. Vielleicht nicht sofort, aber schrittweise bis 2020 müssten die
deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Die Landtagswahlen in
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erklärt Gabriel zu Abstimmung über
Atomkraft in Deutschland.
Auch anderes Polit-Spitzenpersonal tummelt sich unter den Berliner
Demonstranten: die Grünen Renate Künast und Jürgen Trittin, die
Linken-Chefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst. „Noch nie war ich so
optimistisch, dass mit diesem Teufelszeug Schluss ist“, freut sich
Grünen-Ikone Hans Christian Ströbele. „Heute wird das Ende der Atomkraft
eingeläutet.“
## „Für das Ende der Atomkraft werden wir sorgen"
Auf der Bühne aber sprechen Naturschützer und parteilose AKW-Gegner.
Diejenigen, die in nur wenigen Tagen den Großprotest nach den AKW-Havarien
in Japan aus dem Boden gestampft haben. „Die Atomkraft ist jetzt endgültig
am Ende“, ruft Luise Neumann-Cosel von X-tausendmal quer. „Dafür werden wir
sorgen.“
Dann betritt die Band „Wir sind Helden“ die Bühne, singt: „Wir sind
gekommen um zu bleiben.“ Neben dem Trubel steht Thorben Becker,
BUND-Atomexperte und einer der Organisatoren des Großprotests – und staunt
über die Massen. Mit bundesweit „einigen Zehntausend“ hatten die
Organisatoren im Vorfeld gerechnet. Gekommen sind weit mehr. „Ein
gewaltiges Zeichen“ sei der heutige Tag, sagt Becker. „Ein Zeichen, an dem
die Regierung nicht so leicht vorbeikommen wird.“ Mitarbeit: Stefan Alberti
26 Mar 2011
## AUTOREN
Konrad Litschko
Kai von Appen
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
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