# taz.de -- Die Atomkonzerne profitieren: Hoheit auf den Meeren | |
> Der "Bürgerwindpark Butendiek" ist gescheitert. Das sagt viel darüber | |
> aus, worum es derzeit in Berlin geht: um die Frage, wer die | |
> Stromversorgung kontrolliert. | |
Bild: Offshore-Strom steht für die alten Strukturen, sagen Konzernkritiker. | |
BERLIN taz | Eine Gruppe von Nordfriesen hatte vor etwa zehn Jahren | |
geplant, einen Windpark zu bauen – auf dem Meer: 34 Kilometer vor Sylt | |
sollten 80 Turbinen Strom für über 200.000 Haushalte liefern. Ein riskantes | |
Projekt, das nach heutigen Stand knapp 1 Milliarde Euro kostet. | |
Das Besondere: Die BürgerInnen wollten es selbst finanziert und bauen. "Wir | |
wollten zeigen, dass Landwirte und Angestellte richtig Mut haben können", | |
sagt Hans Feddersen, einer der Initiatoren. | |
Der "Bürgerwindpark Butendiek" ist gescheitert. Das sagt viel darüber aus, | |
worum es derzeit in Berlin geht: die Frage, wer die Stromversorgung | |
kontrolliert, mit Öko Geld verdient, sich die Macht aufteilt, das Land mit | |
Energie zu versorgen. Am Montag fand die letzte Expertenanhörung im | |
Wirtschaftsausschuss des Bundestages statt. Es geht um die Novelle des | |
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das festlegt, welche Ökoenergie wie | |
gefördert wird. | |
## Bundesregierung nahm Kürzungspläne zurück | |
## | |
Als die Bundesregierung die Energiewende ausrief, wollte sie vor allem bei | |
Solarenergie und Windkraft an Land kürzen. Verbände und Wirtschaft liefen | |
Sturm, vom Bundesverband Windenergie bis zu RWE. Der Bundesrat hielt vor | |
allem die Kürzungen bei der Windenergie an Land für "nicht geeignet", den | |
Ausbau der Erneuerbaren bis 2020 zu schaffen. | |
Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden: Nach Berichten will die | |
Bundesregierung die Kürzungen in der Windkraft zurücknehmen. Einzig | |
Solarenergie bleibt nicht verschont: Wer 2012 eine Anlage aufstellt, | |
bekommt womöglich bis zu 24 Prozent weniger Vergütung als im Vorjahr. Bei | |
Windenergie soll die Absenkung gerade noch 1 Prozent betragen. Windkraft | |
auf See soll nicht stärker gefördert werden – das ist kaum nötig, denn | |
schon heute garantiert die Regierung Investoren 15 Cent pro Kilowattstunde, | |
für 12 Jahre. Damit gehört Offshore-Strom bald zu den teuersten aller | |
Erneuerbaren. | |
## "Hier wollen ein paar Großkonzerne mehr Geld" | |
Hans Feddersen hat eine simple Erklärung, warum hier so viel Geld | |
reingepumpt wird: "Hier wollen ein paar Großkonzerne mehr Geld, die Politik | |
folgt." Als er selbst vor Jahren in Berlin war und erklärte, dass der | |
Bürgerwindpark ohne höhere Vergütung nicht zu bauen sei, habe niemand auf | |
ihn gehört. | |
Für Unternehmer wie Matthias Willenbacher und viele andere steht der | |
Offshore-Strom für die alten Strukturen: Heute kontrollieren in Deutschland | |
RWE, Eon, Vattenfall und EnBW 80 Prozent der Stromerzeugung. Das ist | |
historisch gewachsen, denn bis 1998 gab es keinen Wettbewerb zwischen | |
Stromkonzernen, das Land war in Gebiete aufgeteilt, in denen der jeweilige | |
Anbieter unter Aufsicht einer zahnlosen Kontrollbehörde die Preise | |
diktierte. | |
## Windkraft an Land ist mittelständisch geprägt | |
Erst seit 1998 änderte sich das unter Ägide der EU. Bis heute sagt selbst | |
Günther Oettinger, EU-Energiekommissar und Konzernen eher zugeneigt, es | |
mangele an Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt. Die einzige | |
Möglichkeit, diese alte Struktur auf die Zukunft zu übertragen, ist | |
Offshore-Strom. | |
Regenerative an Land wie Windparks, Solarfelder oder Biogas sind | |
mittelständisch geprägt, niemand ist dort marktbeherrschend. Vielen gelten | |
sie als Chance, die Energieversorgung demokratischer zu gestalten, so dass | |
die Wertschöpfung bei möglichst vielen ankommt. Zwar mischen auch bei der | |
Windkraft an Land die Konzerne mit, doch bescheiden: RWE ist nach eigenen | |
Angaben Nummer drei. Auf dem Meer agieren auch völlig neue Unternehmen: | |
Zwar hat die EnBW im Mai den ersten kommerziellen deutschen | |
Offshore-Windpark in der Ostsee eröffnet. Weitere Projekte werden von der | |
dänischen Dong Energy errichtet, von Bard Offshore, mit einem russischen | |
Investor, auch Trianel ist dabei, ein Zusammenschluss kommunaler | |
Energieversorger. Der einstige "Bügerwindpark Butendiek" wurde von der | |
Bremer Entwicklungsgesellschaft wpd gekauft und soll ab 2012, auch unter | |
Beteiligung von Stadtwerken, gebaut werden. | |
## Offshore ist Neuland | |
Ohne Banken, meist Großbanken, funktioniert das Geschäft allerdings nicht. | |
Nur sie können die Risiken schultern. In Deutschland sind es etwa die | |
Landesbank Baden-Württemberg oder die Deutsche Bank. Zwar stehen schon seit | |
Jahren Offshore-Parks in Dänemark und England, allerdings in wesentlich | |
flacheren Gewässern als die deutschen Planungen. "Offshore vor der | |
deutschen Küste ist sozusagen Neuland. Die Technologie ist noch nicht | |
komplett ausgereift. Das wird sich ändern, wenn die ersten vier, fünf | |
Projekte stehen", sagt Astrid Hass-Klement, bei der Kreditanstalt für | |
Wiederaufbau (KfW) für Produktentwicklung Umwelt und erneuerbare Energien | |
zuständig. | |
In diesem Monat hat die staatseigene KfW ein Kreditprogramm von 5 | |
Milliarden Euro für Offshore-Strom aufgestellt. Schon nach einer Woche gibt | |
es erste Anträge und Anfragen. Eine staatliche Bank macht die Finanzierung | |
sicherer, das Risiko und die Zinsen sinken. Auch das ist ein Grund, warum | |
kleinere Firmen scheitern oder selbst als große Konsortien nur einen Park | |
bauen. Sie gelten als weniger finanzstark und krisenfest als große | |
Unternehmen mit regelmäßigen Gewinnen aus fossiler Energie im Hintergrund. | |
Deshalb sind die Kredite für kleinere Unternehmen mit höheren Zinsen | |
behaftet. | |
Feddersen bestätigt: Als der Bund eine Bürgschaft für den Bürgerwindpark | |
ablehnte, waren die Zinsen für die Kredite der Banken kaum mehr zu tragen. | |
Heute, sagt Feddersen, sieht er die Windkraft auf See ohnehin anders: zu | |
teurer, zu zeitaufwendig, zu risikoreich und wieder eine Energieform, die | |
den Gewinn nicht bei den Bürgern lässt, sondern in den Konzernen. | |
27 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
Ingo Arzt | |
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