| # taz.de -- Fraunhofer-Chef über Atomausstieg: "Die Union will wieder Großtec… | |
| > Der Atomausstieg bietet den Erneuerbaren jetzt eine Chance zu wachsen, | |
| > sagt der Solarstromforscher Eicke Weber. Doch gefördert werden auch | |
| > künftig die falschen Stromerzeuger. | |
| Bild: Die Energiekonzerne fürchten vor allem den von den Bürgern selbst erzeu… | |
| taz: Herr Weber, am Donnerstag werden die Energiegesetze im Bundestag | |
| verabschiedet. Ein guter Tag für das Land? | |
| Eicke Weber: Angesichts dessen, was zunächst an Kürzung bei der Förderung | |
| erneuerbarer Energien angedroht wurde, ist das ein guter Tag für | |
| Deutschland. | |
| Was drohte denn? | |
| Schwarz-Gelb wollte die erneuerbaren Energien aushebeln. Ausgerechnet mit | |
| dem 2002 von Rot-Grün eingeführten Erneuerbare Energien Gesetz. Die Gefahr | |
| bestand es so umzubauen, dass es regenerativen Strom, besonders aus der | |
| Fotovoltaik, praktisch nicht mehr fördert, sondern behindert. Das wäre ohne | |
| die Katastrophe in Fukushima wahrscheinlich auch passiert. Die Erneuerbaren | |
| hätten schließlich die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke obsolet | |
| gemacht. | |
| Ist mit den jetzigen Gesetzen die Energiewende zu schaffen? | |
| Man kann immer mehr fordern. Solaranlagen auf Freiflächen werden nur noch | |
| auf Konversionsflächen gefördert, die beispielsweise chemisch belastet | |
| sind. Besser wären alle Brachflächen. Haushalte, die ihren Solarstrom | |
| selbst verbrauchen, erhalten keine Prämie mehr für hohen Eigenverbrauch. | |
| Das war sinnvoll, weil so der Betrieb von Batteriesystemen gefördert wurde | |
| um die Netze zu entlasten. Ein großer Fehler ist es auch, dass die | |
| Förderung von Fotovoltaik bereits ab 3,5 Gigawatt Zubau im Jahr beschränkt | |
| wird. Aber wir sollten den großen Erfolg nicht übersehen. Die Erneuerbaren | |
| haben jetzt die Chance weiterzuwachsen. Angesichts der politischen Lage mit | |
| Schwarz-Gelb hat damit vor Kurzem kaum einer gerechnet. | |
| Die Photovoltaik trägt bisher trotz Milliardenförderung am wenigsten zur | |
| Stromerzeugung bei, die Preise sinken zudem ständig. Ist eine | |
| Subventionskürzung hier nicht unterlässlich? | |
| In die Fotovoltaik wurden 2010 rund 20 Milliarden Euro in Deutschland | |
| investiert. Das Geld wird nicht in den Schornstein gehängt, es kommt | |
| Handwerkern und Ausrüstern zugute. Es ist ein gewaltiges | |
| Investitionsanreizprogramm, das der Volkswirtschaft guttut. Übrigens: In | |
| den letzten zehn Jahren sind die Strompreise in Deutschland im Schnitt um | |
| 3,8 Prozent jährlich gestiegen. Nicht wegen der Solarförderung, sondern | |
| weil Steuern gestiegen sind und Öl, Kohle und Gas deutlich teurer wurden. | |
| Trotzdem kostet die Energiewende erst einmal. Kann man eine seriöse Aussage | |
| treffen, wie viel? | |
| Zahlen sind Schall und Rauch, wenn man nicht sagt, wer sie bezahlt. Im | |
| Moment wird die Hauptlast der Energiewende von einer Vielzahl privater | |
| Investoren getragen: Mittelständler, die Windräder errichten und jedem, der | |
| sich eine Solaranlage aufs Dach schraubt. Das ist nicht das Geld des | |
| Staates. | |
| Richtig, es ist das Geld der Stromkunden. | |
| Was glauben Sie, was die Verbraucher lieber zahlen? Gas aus Russland oder | |
| Kasachstan oder Strom aus heimischer, erneuerbarer Energie? Zudem | |
| verbreiten Teile der Industrie seit Monaten eine große Stromlüge: Angeblich | |
| wird die besonders stromfressende Industrie von der Energiewende belastet. | |
| Allerdings ist genau sie von der Förderung des Ökostroms befreit. Nicht nur | |
| das, sie profitiert auch noch davon. In den letzten Jahren ist der | |
| Strompreis für sie an der Börse gefallen, weil die erneuerbaren Energien | |
| für ein höheres Angebot bei gleicher Nachfrage gesorgt haben und so den | |
| Preis gedrückt haben. | |
| Die Regierung will die stromintensive Industrie jetzt nochmal um 500 | |
| Millionen Euro entlasten. Ein Fehler? | |
| Darüber kann man reden. Tatsächlich sind durch die Abschaltung der | |
| Kernkraftwerke die Strompreise für diese Firmen in den letzten Monaten | |
| gestiegen. Das liegt aber nicht an der Einführung der Erneuerbaren. Ich | |
| habe vorgeschlagen, die tatsächliche Entlastung der stromintensiven | |
| Industrie durch erneuerbare Energien wieder abzuschöpfen. | |
| Sind Erneuerbare jetzt Konsens? | |
| Die Frage ist, welcher erneuerbare Strom. Der Wirtschaftsflügel der Union | |
| ist der Freund der vier großen Energieunternehmen in Deutschland. Die | |
| vielen Tausend Handwerker, die Solaranlagen auf Dächer schrauben, haben | |
| hier offenbar keine Anhänger. Nun will die Union wieder Großtechnik: | |
| Offshore-Windkraft oder Solarstrom aus der Wüste. Was die alte | |
| Energiewirtschaft fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, ist selbst | |
| erzeugter Strom der Bürger. Dann brechen ihr die Kunden weg. Sie ist in der | |
| gleichen Lage wie die Walölindustrie in den USA 1850. Kennen Sie die | |
| Geschichte? | |
| Das war vor meiner Zeit. | |
| Damals hing ein Drittel des Bruttoinlandprodukts der USA an der | |
| Walölindustrie, vom Fang bis zur Verarbeitung. Zehn Jahre später war diese | |
| Industrie futsch. Weil jemand im Boden gekratzt hat und festgestellt hat: | |
| Das schwarze Zeug, das da herausquillt, brennt ja genauso. Atom und Kohle | |
| ist das Walöl von heute. | |
| Ist das nicht eine Luxusdiskussion? Erneuerbare Ja, aber bitte nicht von | |
| RWE oder Eon? | |
| Ich wäre der erste, der sich RWE-Aktien kaufen würde, wenn die eine große | |
| Solarfirma übernehmen würden. Allerdings schätzen sie ihr altes | |
| Geschäftsmodell zu sehr: Mit fossilem Strom lässt sich richtig Geld | |
| verdienen. Wir haben im vergangenen Jahr die weltweit installierte | |
| Solarleistung fast verdoppelt. Jetzt fängt es an, richtig gefährlich für | |
| die zu werden. | |
| Wird in Deutschland seit Fukushima eigentlich weniger ideologisiert | |
| diskutiert? | |
| Seit dem Konsens des Atomausstiegs hat sich die Diskussion entschärft. Eine | |
| Ideologisierung kommt aber nicht von den Befürwortern der Erneuerbaren, | |
| sondern von der andere Seite. 90 Prozent der Bevölkerung wollen mehr | |
| Solarstrom und die alten Energiekonzerne versuchen, den Menschen immer noch | |
| einzureden, das sei alles Quatsch. Ich sage zu denen immer: Sucht euch doch | |
| – frei nach Brecht – ein anderes Volk. | |
| 29 Jun 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
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