# taz.de -- Die Japanerinnen im Halbfinale: Königin Sawa | |
> Sie hat's drauf: Homare Sawa, die Geniale im Team Japans. Sie selbst | |
> sagt: „Wir können Geschichte schreiben“. Hat aber auch Respekt vor den | |
> Schwedinnen. | |
Bild: Japans Beste: Homare Sawa | |
FRANKFURT taz | Wie kann man angesichts der großen Aufgeregtheit nur so | |
unaufgeregt sein? Homare Sawa steht ruhig und lächelnd da, ihre Hände hat | |
sie hinter dem Rücken zusammengeführt. Recht förmlich sieht das aus. Sie | |
könnte genauso gerade über das japanische Steuerwesen referieren. Und sie | |
vermag selbst erhabene Sätze ganz ohne Pathos vorzutragen. In einem | |
Tonfall, als wäre es eigentlich belanglos, sagt sie: „Wir können hier | |
Geschichte schreiben.“ | |
Das Medienaufgebot wächst von Tag zu Tag. Neun Kamerateams und etwa 50 | |
Journalisten haben sich am Montagabend im Frankfurter Südosten auf dem | |
Trainingsgelände der Japanerinnen eingefunden. Zum ersten Mal stehen die | |
Asiatinnen im Halbfinale einer Weltmeisterschaft (20.45 Uhr, ZDF). Sie | |
haben in ihrem Heimatland die Nacht zum Tag gemacht. [1][Der historische | |
Viertelfinalsieg gegen die Deutschen] wurde vom NHK, dem einzigen | |
öffentlichen Fernsehsender, um 3.45 Uhr Ortszeit übertragen. | |
Und dennoch saßen 10 Millionen Menschen vor den Bildschirmen. Von den | |
Heldentaten der Nadeshikos, der Prachtnelken, wie Japans Frauenteam genannt | |
wird, berichtete etwa Nikkan Sports, die Sportzeitung mit einer Auflage von | |
zwei Millionen, über vier Seiten. Vor allem auch über diesen maßgenauen | |
Traumpass von Sawa, der Ausnahmespielerin dieses Turniers, der auch der | |
Torschützin Karina Maruyama zur Berühmtheit verhalf. | |
Es ist bereits die fünfte WM für die 32-Jährige. Ihr Debüt im Nationalteam | |
feierte sie schon mit 16 Jahren. Für Aufsehen hat Sawa stets gesorgt. Zu | |
Hause in Japan, in der amerikanischen Profiliga, wo sie mehrere Jahre | |
spielte und Nominierungen fürs All Star Team erhielt, wie auch mit dem | |
Nationalteam bei großen Turnieren. Nur stand sie im japanischen | |
Nationaldress mit ihren außergewöhnlichen Fertigkeiten lange Zeit auf | |
ziemlich verlorenem Posten. Nun aber, da das Karriereende naht, kommen | |
Sawas Fähigkeiten besser denn je zum Tragen. | |
## Druck? Nö. | |
Gereift ist ihr Team. Ihre blitzgescheiten Zuspiele werden von den | |
Mitspielerinnen gekonnt aufgegriffen, und umgekehrt verstehen diese nun, | |
Sawa zu bedienen. Drei Tore hat sie bereits erzielt, nur eines weniger als | |
Marta, die beste Torschützin des Turniers – diese Japanerin kann | |
Torschützenkönigin dieses Turniers werden. | |
Nach ihren bisherigen Auftritten werden die Erwartungen an Sawa gewiss | |
steigen. Aber Druck, versichert sie, empfinde sie keinen. „Wenn wir unser | |
Spiel spielen, stellen sich die Ergebnisse von selbst ein. Wir haben Spaß.“ | |
Die Laune, das ist bei der Trainingseinheit augenfällig, ist wirklich | |
prächtig bei den Japanerinnen. Es wird viel und herzhaft gelacht und | |
herumgealbert. Bei Interviews mag Sawa sehr amtlich wirken, bei der | |
lockeren Übungseinheit spielen auch für sie Konventionen keine große Rolle. | |
Mit drei Mitspielerinnen hüpft Sawa Arm in Arm im Kreis, nachdem ihnen | |
gemeinsam ein Treffer geglückt ist. Spätestens als das Team anfängt, | |
Handball zu spielen, fühlt man sich an die saloppen dänischen Spaßfußballer | |
erinnert, die 1992 in Schweden gegen die favorisierten DFB-Mannen | |
Europameister wurden. Der Unterschied ist vielleicht, dass die Japanerinnen | |
von einem Moment auf den anderen plötzlich wieder ganz ernsthaft und | |
konzentriert arbeiten. Sawa ist dabei nur eine von vielen. | |
Eine japanische Reporterin meint: „Bei Birgit Prinz habe ich immer den | |
Eindruck, dass sie so eine Art Mutter für die anderen ist. Sawa aber ist im | |
japanischen Team mittendrin.“ Rein äußerlich sieht man Sawa die vier Jahre | |
nicht an, die sie von der zweitältesten Feldspielerin trennen. | |
## Respekt vor den Schwedinnen | |
Sawa räumt zwar ein, nun nach vier WM-Partien deutlich die körperlichen | |
Strapazen zu spüren: „Ich bin erschöpft. Der Körper schmerzt.“ Aber sie | |
fügt sofort hinzu: „Das ist bei den Jüngeren auch so.“ Sie möchte nicht … | |
Eindruck vermitteln, sie bräuchte eine Extrabehandlung. Alle müssten nun | |
vor dem Halbfinale ihren Körper pflegen, meint Sawa. | |
Sie hat großen Respekt vor dem [2][körperbetonten Spiel der Schwedinnen]. | |
Wie man dem begegnen will? „Das verrate ich nicht“, antwortet Sawa. Der | |
schwedische Trainer Thomas Dennerby hat mächtigen Respekt vor dem | |
Kurzpassspiel der Japanerinnen. Er verglich es jüngst mit der Spielkunst | |
des FC Barcelona. Homare Sawa lächelt. „Ich schaue mir sehr viele Spiel von | |
Barcelona an. Aber wir sind noch nicht so weit“, erklärt sie. „Aber das | |
zeigt, dass man uns ernst nimmt.“ | |
Es zeigt aber auch, dass Sawa in einem Team spielt, in dem auf flache | |
Hierarchien gesetzt wird. Sie ist damit eine Ausnahmespielerin der | |
modernsten Art. Ihr Können setzt sie ausschließlich für das Kollektiv ein. | |
Als die Japanerinnen am Montagabend gegen Ende der Trainingseinheit das Tor | |
verstellen, packen alle 21 Spielerinnen, Sawa mittendrin, an. Unbedingt | |
nötig wäre das eigentlich nicht. So schwer sind Fußballtore nicht. Es ist | |
aber ein Bild mit großer Symbolkraft. | |
13 Jul 2011 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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