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# taz.de -- EU-Parlamentarier mahnen zur Einheit: "Mitten in einem Euro-Debakel"
> Gegen den Totalzusammenbruch: EU-Parlamentarier fordern die Schaffung
> einer Wirtschaftsregierung. Und kritisieren die nationalen Regierungen
> wegen ihrer Unentschlossenheit.
Bild: Mittlerweile steht der Euro nicht mehr nur in Griechenland auf dem Spiel.
BRÜSSEL taz | Die Abgeordneten im Europäischen Parlament appellierten am
Mittwoch eindringlich an die EU-Mitgliedsstaaten und die Europäische
Kommission, endlich konkrete Schritte einzuleiten zur Schaffung einer
Wirtschaftsregierung. Nur so, erklärten die Parlamentarier, sei der
Totalzusammenbruch in der Eurozone noch zu verhindern.
"Wir haben keine Griechenlandkrise. Wir stecken mitten in einem
Euro-Debakel", sagte der Vorsitzende der liberalen Fraktion, Guy
Verhofstadt. Er forderte gemeinsam mit den Grünen und den Sozialdemokraten
mehr wirtschaftliche Integration und die Einführung von Eurobonds.
Abgeordnete der Konservativen stellten sich gegen solche Initiativen.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso versprach dennoch, dass seine
Behörde "in Kürze" einen entsprechenden Vorschlag vorlegen will. Neben den
Eurobonds will der Portugiese auch eine Finanztransaktionssteuer einführen.
Die Abgeordneten mahnten zur Eile: "Die Bonds könnten die Entlastung an den
Märkten bringen, die wir dringend brauchen. Legen sie nicht nur eine
theoretische Studie vor, sondern machen Sie konkrete Gesetzesvorschläge",
rief Sven Giegold von den Grünen die Kommission auf.
Auch die Regierungen in Europas Hauptstädten bekamen am Mittwoch ihr Fett
weg: "Es war ein taktischer Fehler, monatelang herumzueiern und den Märkten
völlig unterschiedliche Signale zu senden", sagte der Liberale Guy
Verhofstadt. Er kritisierte in diesem Zusammenhang auch seine
Parteikollegen von der FDP in Berlin. Sie sollten sich nicht länger gegen
die Einführung von Eurobonds sperren.
## Botschaft angekommen
Immerhin: Bei der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft scheint die Botschaft
der Abgeordneten angekommen zu sein. Der polnische Finanzminister Jacek
Rostowski erklärte, Europa befinde sich in großer Gefahr: "Wenn die
Eurozone Risse bekommt, wird auch die politische Union nicht überleben." Er
wolle im Ministerrat in den kommenden Wochen auf die Bildung einer
Wirtschaftsregierung hinarbeiten. Auch EU-Währungskommissar Olli Rehn
sprach sich für eine Wirtschaftsregierung als "das Schlüsselheilmittel" der
aktuellen Probleme aus. Behindert würden gemeinschaftliche Methoden wie die
Verstärkung des Krisenfonds durch überzogene Absprachen zwischen einzelnen
Regierungen.
Die EU-Parlamentarier hoffen, dass Kommissionspräsident Barroso in zwei
Wochen in seiner Grundsatzrede vor dem Parlament endlich erste konkrete
Gesetzesvorschläge machen wird. Der Austritt Athens aus der Eurozone oder
eine geordnete Insolvenz Griechenlands ist für die Abgeordneten - durch
alle Fraktionen - keine Alternative. Sie wollen den Zusammenhalt stärken.
Einige fordern auch, dass es in Zukunft nicht nur einen Ministerrat für die
Eurozone geben soll, sondern außerdem ein Euro-Parlament mit Abgeordneten
aus den 17 betroffenen Ländern. So könnten die Entscheidungen der
Regierungen demokratisch legitimiert werden, ohne auf die Abstimmungen in
den nationalen Parlamenten warten zu müssen.
Unterdessen laufen in den angeschlagenen Euroländern die Bemühungen auf
Hochtouren, entsprechende Sparpakete umzusetzen oder auf den Weg zu
bringen. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi beschleunigte gestern
mit einem gewonnenen Vertrauensvotum im Parlament ein milliardenschweres
Sparpaket, das Kürzungen von 54,2 Milliarden Euro vorsieht und am Abend vom
Parlament abgesegnet werden sollte.
Die Regierung in Paris bemühte sich ihrerseits um Beruhigung der Märkte,
nachdem die US-Ratingagentur Moodys zwei französische Großbanken (Crédit
Agricole, Société Générale) herabgestuft hatte und bei der BNP Paribas die
Frist für eine Überprüfung verlängert hatte. Das Eigenkapital der Banken
sei um 50 Milliarden Euro erhöht worden, ließ Präsident Nicolas Sarkozy
mitteilen.
Auch in Griechenland stehen entscheidende Tage an: Heute will die Troika
aus Experten der Europäischen Kommission, des Internationalen Währungsfonds
und der Europäischen Zentralbank in Athen die Ergebnisse ihrer Kontrollen
bekannt geben. Von diesem Ergebnis hängt es ab, ob Griechenland Ende des
Monats die nächste Kreditrate ausgezahlt bekommt.
14 Sep 2011
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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