Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Deutscher Fernsehpreis: Die totale Umarmung
> Öffentlich-Rechtliche, Private, Branchennasen - bei der Verleihung des
> Deutschen Fernsehpreises haben sich alle lieb. Sogar die Jury entscheidet
> versöhnlich.
Bild: Wie zu erwarten: Humor- und charmelos moderierten Marco Schreyl und Nazan…
KÖLN taz | Wladimir Klitschko ist zufrieden. "Vielen Dank, Jungs, ihr habt
super gemacht", lobt er väterlich die Leistung der Verantwortlichen für die
Inszenierung seines WM-Kampfes gegen David Haye. Zur Belohnung hat er sie
auf dem Weg zur Bühne des Kölner Coloneums gerade alle umarmt. Die
quotenstarke RTL-Produktion - 16 Millionen Zuschauer saßen Anfang Juli vor
dem Fernseher - hat sich gegen "heimspiel! extra: Frankfurt Marathon" (HR)
und das WDR-Magazin "sport inside" durchgesetzt.
Es ist ein merkwürdiger Moment, der die Machtverhältnisse zwischen Sender
und Star eindrücklich offenlegt: Klitschko ist der Herr im Hause, die
Männer hinter ihm sind die Männer hinter ihm. Mit Sportjournalismus hat es
natürlich nichts zu tun, wenn ein Sportler die Dankesrede für die beste
Sportsendung hält - allein in dieser Kategorie zeigt sich also wieder sehr
schön der Spagat, den der Deutsche Fernsehpreis auch in seinem 13. Jahrgang
machen musste: Um sowohl den öffentlich-rechtlichen Stiftern ARD und ZDF
als auch den privaten RTL und ProSiebenSat.1 gerecht zu werden, kommt die
Jury nicht umhin, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, in diesem Fall
kritisch-investigativen Sportjournalismus ("sport inside") mit seinem
Gegenbild, der totalen Umarmung (Klitschko).
Als Kampf der Systeme allerdings will das an diesem Abend niemand sehen.
## Qualitätskriterien differieren
"364 Tage im Jahr sind wir Wettbewerber", sagte RTL-Geschäftsführerin Anke
Schäferkordt in ihrer Begrüßungsrede, "heute aber eint uns der Anspruch,
gutes Fernsehen auszuzeichnen." Dass die Qualitätskriterien durchaus
differieren, erwähnte Schäferkordt nicht. Und Moderator Marco Schreyl
sprach von "Fernsehökumene" - ein schönes Bild, weiß man doch (oder ahnt
zumindest), wie hart erkämpft und ausgehandelt das Miteinander in beiden
Fällen ist.
Nicht zuletzt als Zugeständnis an die Privatsender hat der Deutsche
Fernsehpreis im vergangenen Jahr seine Kategorien reformiert, seitdem
werden etwa keine Kameraleute und Cutter mehr separat ausgezeichnet, dafür
wurde die Kategorie "Beste Unterhaltung Doku" geschaffen, eine Domäne der
Privaten. Preisträger 2011 ist dann auch das KabelEins-Cultureclash-Format
"Stellungswechsel - Job bekannt, fremdes Land".
Die Empörung der Branche über diese Reform führte zur Gründung der
Interessenvertretung Deutsche Akademie für Fernsehen, die ein Gegengewicht
zur Übermacht der Sender werden will. Mit dem Schauspieler Hans-Werner
Meyer wurde einer der Protagonisten des Protests im vergangenen Jahr in die
diesjährige Jury berufen - eine klassische Feindumarmung, ein cleverer
Schachzug der Stifter.
## Erwartungsgemäß charismafreie Moderation
Auch sonst wird 2011 als Jahr der Versöhnung in die Annalen des
Fernsehpreises eingehen: Hatten 2010 nach der Gala nur dem Veranstalter
genehme Journalisten überhaupt Zugang zu einer Art Kontakthof zwischen
Presselounge und dem VIP-Bankettsaal und damit die Chance zum Gespräch mit
Branchennasen, durften diesmal auch die im Vorjahr ausgesperrten
Kolleginnen von den bunten Blättern mitfeiern.
Auch die Juryentscheidungen des 13. Deutschen Fernsehpreises stimmen im
Großen und Ganzen versöhnlich: Alexandra Neldel etwa ging für "Die
Wanderhure" (Sat.1) leer aus, als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde
Nina Kunzendorf für das BR-Drama "In aller Stille". Und die
MDR-Familiensaga "Weißensee" hat gleich zwei Preise abgeräumt: für die
beste Serie und den besten Schauspieler. Als Jörg Hartmann für seine
(Neben-)Rolle des ungeliebten Stasimajors Falk Kupfer ausgezeichnet wurde,
ging ein spitzer Schrei des Entzückens durchs Publikum.
Lediglich Marco Schreyl und Nazan Eckes enttäuschten erwartungsgemäß mit
einer charismafreien Fließbandmoderation. Da man weder ihnen noch den
Zuschauern eine Liveübertragung zumuten wollte, wurde die preisbewusst
inszenierte Gala aufgezeichnet und mit dem einen oder anderen aufpeppenden
Schnitt erst einen Tag später ausgestrahlt.
Der weltfremde Versuch, das Bekanntwerden der Preisträger bis nach der
Sendung zu verhindern, also um rund 24 Stunden zu verzögern, schlug ebenso
erwartungsgemäß fehl. Auch warum ausgerechnet RTL-Societylady Frauke
Ludowig sich in einem der dümmlichen Einspieler über die ebenfalls
ausgezeichnete ARD-Literatursendung "Druckfrisch" auslassen durfte ("Der
Look dieser Sendung, der ist irgendwie cool"), verstehe, wer will!
Man kann den Spagat auch bis zum Bänderriss überreizen. Einigen konnten
sich die beiden Welten hingegen auf Ehrenpreisträger Joachim "Blacky"
Fuchsberger. Der Schauspieler, Entertainer und Bestsellerautor, körperlich
merklich geschwächt, aber geistreich-charmant wie eh und je, ließ das
Publikum für ein paar Minuten seine antrainierte Blasiertheit vergessen,
rührte viele zu Tränen. Seine Dankesworte beschloss der 84-Jährige mit
einem "ganz besonderen Herzenswunsch: Auf Wiedersehen!"
Aber sehr gern doch.
4 Oct 2011
## AUTOREN
David Denk
## TAGS
Schauspieler
Grimme-Preis
Deutscher Fernsehpreis
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nachruf auf Joachim Fuchsberger: Der gute, geliebte Deutsche
Er war eines der Gesichter der alten Bundesrepublik. Nun ist Joachim
„Blacky“ Fuchsberger im Alter von 87 Jahren gestorben.
Aus für den Deutschen Fernsehpreis: Mehr als ein Reförmchen
Im Herbst wird der Deutsche Fernsehpreis zum vorerst letzten Mal verliehen.
Seine Zukunft ist ungewiss, dabei füllte er eine große Lücke.
Deutscher Fernsehpreis 2013: Dann doch lieber Musik
Ekelhaft satt: Galt die Verleihung des Fernsehpreises vor zwei Jahren schon
als Ausflug in die Untiefen des Niveaus, so wurde es dieses Mal eine noch
längere Reise.
Verleihung Deutscher Fernsehpreis 2012: Rentnerfernsehen, hihi
Bei der Gala zum Deutschen Fernsehpreis gibt sich das ZDF selbstironisch.
Betroffen macht Dirk Bachs Tod – und die Würdigung von Frank Elstner.
Deutscher Fernsehpreis 2010: Ein letztes Zucken
Das deutsche Fernsehen schafft es nicht mal mehr, sich bei einer Gala
selbst zu feiern. Konsequenterweise schalteten die ZuschauerInnen ab.
Deutscher Fernsehpreis 2010: Erster Platz für die absurdeste Show
Beim Deutschen Fernsehpreis werden Regisseure nicht mehr geehrt und
Journalisten dürfen nicht ordentlich arbeiten.
Kritik am Deutschen Fernsehpreis 2010: Ein Hauch von "Stuttgart 21"
Weniger Auszeichnungen für Einzelne und ein Ehrenpreis für die
Fußball-Nationalmannschaft: Das neue Reglement beim Deutschen Fernsehpreis
ist ein Witz, sagen die Kreativen.
Deutscher Fernsehpreis 2009: Unerhört harmonisch
Am Samstag wurde in Köln der Deutsche Fernsehpreis verliehen - ganz
skandalfrei. Nur Thomas Gottschalk fiel peinlich auf.
Deutscher Fernsehpreis: Gnade für Maria F.
Die siebte Verleihung des "Deutschen Fernsehpreises" brachte so manche
Überraschung: Eine Jury in Deutschland entscheidet originell und ein
Echt-Altstar hat Hunger.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.