# taz.de -- Deutscher Fernsehpreis 2013: Dann doch lieber Musik | |
> Ekelhaft satt: Galt die Verleihung des Fernsehpreises vor zwei Jahren | |
> schon als Ausflug in die Untiefen des Niveaus, so wurde es dieses Mal | |
> eine noch längere Reise. | |
Bild: Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher schafften das Kunststück, dass man s… | |
KÖLN taz | Ottfried Fischer hatte gut reden: „Sie müssen ein bisschen | |
fröhlicher werden“, riet er den rund 1300 Gästen beim Deutschen | |
Fernsehpreis im Kölner Coloneum. Gerade war dem an Parkinson erkrankten | |
Kabarettisten und Schauspieler der Ehrenpreis der Stifter verliehen worden. | |
Der frühere „Bulle von Tölz“ ist zwar erst 59, aber eines der wenigen | |
Gesichter des diesjährigen Ausrichters Sat.1, das überhaupt ein | |
preiswürdiges Lebenswerk zu bieten hat. | |
Die Stimmung im Saal indes vermochte auch Fischer nicht zu heben. „Das ist | |
fast ein Workshop, was ich hier mache“, sagte er hilflos, als schon wieder | |
eine Pointe nicht zündete. Fischer fremdelte mit der Veranstaltung – und | |
die Veranstaltung mit ihm. Echte Lacher blieben ihm genauso verwehrt wie | |
Standing Ovations. Man konnte Mitleid haben. | |
Einsamer humoristischer Höhepunkt des Abends war ausgerechnet Piet Klockes | |
Laudatio auf Fischer: Klar ist das 90er-Jahre-Humor, aber mit seinem | |
sicheren Gespür für Timing, die präzise gesetzten Pointen deklassierte | |
Klocke alle anderen, die am Mittwochabend auf der Bühne versuchten, lustig | |
zu sein. Nebenbei kaschierte Klockes gewohnt sprunghaft-wirre Rede schön, | |
dass die Auszeichnung Fischers für sein Lebenswerk nicht unbedingt zwingend | |
war. | |
Die Moderatoren Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher schafften das | |
Kunststück, dass man sich beinahe Nazan Eckes und Marco Schreyl | |
zurückwünschte, deren Moderation vor zwei Jahren als bisheriger Tiefpunkt | |
in der 15-jährigen Geschichte des Fernsehpreises galt. Die beiden | |
RTL-Moderatoren bemühten sich zumindest um eine solide Leistung – das | |
diesjährige Duo dagegen vermittelte nie den Eindruck, mit Herz oder | |
zumindest Professionalität bei der Sache zu sein. Sie rotzten ihre | |
Moderationen und Gagattrappen lieblos runter – ein krasser Fall von | |
Unterhaltungsverweigerung. | |
## Wie egal ihm alles zu sein schien | |
Insbesondere Pocher wirkte ekelhaft satt: Weder war auch nur ein Hauch | |
früherer Schärfe spürbar noch hielt er es für nötig, sich die Namen der | |
nominierten Produktionen einzuprägen. Als am Ende des Abends wenig | |
überraschend die Nico-Hofmann-Produktion „Unsere Mütter, unsere Väter“ a… | |
„Bester Mehrteiler“ ausgezeichnet wurde, nannte er den ZDF-Film „Unsere | |
Väter, unsere Mütter“ – entsetzlich, wie egal ihm das alles zu sein schie… | |
„Unsere Mütter, unsere Väter“-Drehbuchautor Stefan Kolditz wünschte sich | |
als Zeichen des Respekts, dass bei den Nominierungen künftig nicht nur | |
Regisseure und Kameraleute namentlich genannt werden. Sein Appell an die | |
Jury wirkte wie ein kurzer, matter Nachhall zum Protest gegen die | |
Streichung einiger Preiskategorien wie Schnitt, Regie oder Drehbuch vor | |
drei Jahren. | |
Ebenfalls in Köln waren diese Gewerke am Vorabend zum ersten Mal mit dem | |
Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen ausgezeichnet worden: Auch hier | |
triumphierte „Unsere Mütter, unsere Väter“ – in 7 von 20 Kategorien: | |
Casting (Sarah Lee, Nina Haun), Kostüm- (Wiebke Kratz), Masken- (Gerhard | |
Zeiß) und Szenenbild (Thomas Stammer) sowie Stunt (Sandra Barger, Wanja | |
Götz), Regie (Philipp Kadelbach) und Schauspieler Hauptrolle (Tom | |
Schilling). | |
Vom Protest gegen den Deutschen Fernsehpreis fehlte bei der von | |
Schauspieler Burghart Klaußner charmant moderierten Premiere im Filmforum | |
NRW jede Spur. Dabei führte doch dessen Reform erst zur Gründung der | |
Akademie als Interessenvertretung aller Fernsehschaffenden. So wirkte der | |
neue Preis wie ein Outsourcing des weniger glamourösen Teils – ohne | |
politische Agenda, ohne Idee von sich selbst. Die Dominanz von „Unsere | |
Mütter, unsere Väter“ verstärkte diesen Eindruck noch. | |
## Eine sympathische Spur Demut | |
Beim großen Bruder Fernsehpreis gingen die Auszeichnungen in diesem Jahr in | |
Ordnung: Bester Fernsehfilm wurde das ARD-Kinderprostitutionsdrama | |
„Operation Zucker“, beste Serie das SWR/Arte-Echtzeitexperiment „Zeit der | |
Helden“, beste Schauspielerin Susanne Wolff für das ARD-Drama „Mobbing“. | |
Matthias Brandt wurde als bester Schauspieler in gleich vier Produktionen | |
gewürdigt und brachte eine sympathische Spur Demut in die Veranstaltung. | |
„Mit Verlaub, es ist meine Überzeugung, dass dies ein Preis ist für etwas, | |
was es nicht gibt“, sagte er in seiner Dankesrede, „nämlich den besten | |
Schauspieler, erst recht nicht in der Konstellation der Nominierten.“ | |
Nur die Auszeichnung der von ZDFneo ausgestrahlten Promi-Elends-Doku „Auf | |
der Flucht. Das Experiment“ in der Kategorie „Bestes Dokutainment“ taugte | |
zum Aufreger – auch wegen der bizarren Dankesreden: Schauspielergattin | |
Mirja du Mont widmete den Preis den „45 Millionen Menschen, die in diesem | |
Augenblick auf der Flucht sind“. Und der Bundeswehrsoldat Johannes Clair | |
bat das Publikum zusammenhanglos, sich für seine in Afghanistan gefallenen | |
Kameraden von den Plätzen zu erheben. Sediert, wie es war, kam es dieser | |
Aufforderung nach. | |
Nach gut drei Stunden brauchte die Branche Alkohol, viel Alkohol, um das | |
Erlittene zu ertränken. Dabei gab es eine positive Überraschung: einen | |
motivierten Oliver Pocher, der sich als DJ redlich mühte, sein Publikum zu | |
unterhalten. | |
3 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
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