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# taz.de -- Filmproduzentin Regina Ziegler: Ohne Zweifel
> Regina Ziegler ist Deutschlands erfolgreichste Produzentin. Selbstzweifel
> scheinen nicht ihr Ding zu sein. Nun startet die zweite Staffel ihrer
> Serie „Weissensee“.
Bild: „Der einzige Kerl mit Eiern in dieser Branche“, sagen Kollegen über …
Glanz und Schmach des Produzentinnendaseins liegen im Konferenzraum der
Ziegler Film keine fünf Meter voneinander entfernt. Von ihrem Platz am
großen Tisch aus blickt Regina Ziegler auf ein überlebensgroßes Bild von
ihr und Tochter Tanja, zusammengesetzt aus vielen winzigen Szenenfotos, ein
Geschenk der Mitarbeiter zum 40. Geburtstag der Firma in diesem Jahr.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit gratulierte persönlich,
als die erfolgreichste deutsche Film- und Fernsehproduzentin ihre
beispiellose Karriere feierte, die mit dem Drama „Ich dachte, ich wäre tot“
1973 begann, mit dem sie gleich den Bundesfilmpreis gewann.
Hinter ihr hängt ein Banner des knapp vier Jahrzehnte später gefloppten
Historienfilms „Henri 4“ (2010). Den „wirtschaftlichen Misserfolg“ räu…
sie zwar ein, nur 40.000 Kinozuschauer wollten „Henri 4“ sehen, doch von
Schmach will sie nichts wissen. Sie habe genau den Film produziert, den sie
produzieren wollte, „wie immer übrigens“, der im Ausland zudem „unheimli…
gut funktioniert“ habe, und überhaupt sieht sie „Henri 4“ auch unter dem
„testamentarischen Aspekt“, als eine Art deutsches Pendant zu Billy Wilders
„Eins, Zwei, Drei“, „der ja auch erst nach vielen Jahren richtig ins
Bewusstsein gedrungen“ sei.
Dass es auch an der Qualität der Bestsellerverfilmung gelegen haben könnte,
kommt einer Regina Ziegler nicht in den Sinn. Selbstzweifel scheinen nicht
ihr Ding zu sein. Bezeichnet man die Ziegler-Produktion „Weissensee“ als
Beitrag zum sich ankündigenden deutschen Serienrevival, wird man
korrigiert: „Das war das Revival. Ohne ’Weissensee‘ würden nicht alle
gerade Miniserien entwickeln. Davon können Sie ausgehen.“
## Arg klischeehaft-plakativ
Drei Jahre nach der ersten Staffel laufen ab Dienstag die zweiten sechs
Folgen von „Weissensee“. Wir schreiben mittlerweile das Jahr 1986, die
Auflösung der DDR schreitet voran, und mittendrin versucht Stasimann Falk
Kupfer (beklemmend unbeirrbar: Jörg Hartmann) sein Land und seine Ehe zu
retten. Als seine Frau Vera (Anna Loos) sich einigen Bürgerrechtlern
annähert, sieht er sich gezwungen, sie als Spitzel anzuwerben – beileibe
nicht die einzige Ungeheuerlichkeit, zu der dieser Überzeugungstäter fähig
ist.
Passend zur abgebildeten Zeit ist die zweite Staffel dramaturgisch noch
dichter gestrickt als die erste, kippt aber bisweilen ins arg
Klischeehaft-Plakative. Das grandiose Ensemble – Uwe Kockisch, Ruth
Reinecke, Florian Lukas, Hannah Herzsprung, Katrin Sass – hat jedoch
sichtlich Freude an der emotionalen Zuspitzung der Figuren. Eine dritte
Staffel, beginnend „an einem scheinbar ganz alltäglichen deutsch-deutschen
Morgen, am 9. November 1989“, wie Ziegler sagt, ist schon in Arbeit.
Annette Hess, die Autorin der ersten Folgen, von der auch die Idee zu
„Weissensee“ stammt, sitzt gerade am Exposé. An der zweiten Staffel hat sie
nur „als Showrunner mitgewirkt“, sagt Ziegler.
Gedreht wurden die zweiten sechs Folgen vor mittlerweile zwei Jahren, im
Februar brachte Ziegler Film sie schon auf DVD heraus, um ihre Ausgaben
halbwegs zeitnah wieder reinzuholen. Warum hat das bis zur Ausstrahlung so
lange gedauert? „Da müssen Sie bei der Terminplanung der ARD nachfragen“,
antwortet Ziegler. „Über Sendeplätze verfüge ich leider nicht.“
## Machtverhältnisse verinnerlicht
Niemand kann es Regina Ziegler verübeln, dass sie es sich mit ihren
Auftraggebern in den Sendern nicht verscherzen will, und wie schnell das
gehen kann, weiß sie selbst nach 40 Jahren im Geschäft wohl am besten, aber
dass sie ihr Standing nicht ein bisschen stärker ausspielt, verwundert dann
schon. „Regina Ziegler ist der einzige Kerl mit Eiern in dieser Branche“,
sagt ein Regisseur, der schon mit ihr zusammengearbeitet hat. Im Gespräch
mit ihr ist davon wenig zu spüren – von Klartext keine Spur.
Ziegler hat die Machtverhältnisse im deutschen Fernsehen so sehr
verinnerlicht, dass sie nicht mehr dagegen aufbegehrt – zumindest nicht in
der Öffentlichkeit. Wer auf die Frage, ob Redakteure der Sender in
Deutschland zu viel Einfluss haben und Produzenten zu wenig, ein klares Ja
erwartet, wird enttäuscht: Ziegler spricht über Hierarchien, über
Vorgesetzte, die wiederum Vorgesetzte hätten, die dann immer noch
Programmdirektor und Intendant unterstünden, dass man um ein Haar Mitleid
mit Fernsehredakteuren bekommt. Nur über Bande lässt sie ein bisschen
Unzufriedenheit mit den ARD-Verantwortlichen im Umgang mit „Weissensee“
durchblicken.
Wir sprechen über „Kommissarin Heller“, einen Krimi, den Ziegler Film fürs
ZDF produziert hat. Schon vor der Ausstrahlung des ersten Films sei ein
zweiter in Auftrag gegeben worden, sagt sie. „Der Sender glaubt an das
Potenzial, will eine Samstagabendreihe daraus machen. Das war für mich eine
neue Erfahrung.“
War denn mangelndes Vertrauen in den Erfolg von „Weissensee“ der Grund für
die zögerliche Fortsetzung der Serie nach der Erstausstrahlung 2010? „Ich
hatte diesen Eindruck nie“, sagt Ziegler. Stattdessen lobt sie die
ARD-Verantwortlichen dafür, „Weissensee“ am Dienstagabend zur Primetime
auszustrahlen. „Das fand ich eine Anerkennung der Qualität, die wir
geliefert haben, aber es war auch mutig.“ Mutig im Vergleich zu
Harmlosserien wie „Familie Dr. Kleist“, die sonst auf diesem Sendeplatz um
20.15 Uhr laufen.
Regina Ziegler ist nämlich nicht nur die Mutter von „Weissensee“, sondern
auch Mutter des Erfolgs von Christine Neubauer, produzierte etwa
„Geierwally“ und „Die Landärztin“. Ziegler verkörpert die Ambivalenz …
deutschen Fernsehens wie niemand sonst: den seichten Degeto-Kitsch wie die
ambitionierten Eventproduktionen gleichermaßen. Mit dem einen verdient sie
Geld, mit dem anderen gewinnt sie Preise. „Die Wölfe“ (2009) etwa, ihr
dreiteiliges Dokudrama über eine Berliner Jugendbande, wurde mit dem
Deutschen Fernsehpreis, dem Grimme-Preis und dem International Emmy Award
prämiert.
Über Auszeichnungen redet sie gern: „Jeder Preis macht heiß – ist doch
klar.“ Neulich sei ihr in Rumänien erst wieder einer für ihr Lebenswerk
verliehen worden. Das Museum of Modern Art in New York bezeichnet sie als
„eine Art zweite Heimat“, weil dort etwa 2006 eine Ziegler-Retrospektive
lief und 2011 auch „Weissensee“. Sie lässt sich die Früchte ihrer Arbeit
schmecken, die erste deutsche Produzentin, deren Pionierarbeit den Boden
für viele andere bereitet hat und die ihr Wissen als Honorarprofessorin in
Potsdam-Babelsberg lange an den Filmnachwuchs weitergegeben hat.
## Ihre Tochter übernimmt
Im kommenden Jahr wird Regina Ziegler 70 – ihre Nachfolge ist geregelt,
seit 2006 hält Tochter Tanja die Mehrheit der Anteile an der Ziegler Film
–, aber fertig ist Ziegler senior noch lange nicht. „Ich habe noch so viel
im Kopf, was ich machen möchte“, sagt sie und fügt kokett an: „Mein gutes
Gedächtnis ist eine meiner wenigen Qualitäten.“
Derzeit plant Ziegler die Verfilmung von „Die Klaviatur des Todes“, dem
Bestseller des Rechtsmediziners Michael Tsokos, und „Die Freibadclique“ von
Oliver Storz sowie das TV-Movie „Pommerenke“ von Jo Baier („Henri 4“).
Außerdem freut sie sich über die Fortsetzung der Degeto-Krimireihe
„Mordkommission Istanbul“, für Merkel-Freundin Ziegler ist die Reihe „der
einzige fiktionale Beitrag zur Integrationsdebatte im deutschen Fernsehen“.
Anderthalb Stunden sind vergangen. Regina Ziegler beendet die Audienz –
nicht ohne die „Sondersonderausnahme“ eines so langen Gesprächs
herauszustellen, „das halte ich ja normalerweise viel kürzer“. Ziegler
stellt den Besuchern noch ein DVD-Paket zusammen, damit sie sich mit ihrem
Werk noch vertrauter machen können. Nicht auffindbare DVDs werden in
Windeseile herbeigezaubert. „Darf es jetzt ein kleiner Snack sein?“, fragt
ein dienstbarer Geist seine Chefin. Alle im Büro wollen ihr gefallen. Man
ahnt, was auch schon einige Geschäftspartner erfahren haben dürften: wie
unangenehm Ziegler werden kann, wenn sie ihren Willen nicht bekommt. Auch
das ist wohl ein Geheimnis ihres Erfolgs.
17 Sep 2013
## AUTOREN
David Denk
## TAGS
Medien
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DDR
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