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# taz.de -- Kritik am Deutschen Fernsehpreis 2010: Ein Hauch von "Stuttgart 21"
> Weniger Auszeichnungen für Einzelne und ein Ehrenpreis für die
> Fußball-Nationalmannschaft: Das neue Reglement beim Deutschen
> Fernsehpreis ist ein Witz, sagen die Kreativen.
Bild: Kommt es dieses Jahr zum Show-Down? Am Samstag wird in Köln der Deutsche…
Im deutsche Fernsehen liegt ein Hauch von "Stuttgart 21" in der Luft. Es
geht zwar nicht um den Abriss eines Bahnhofs, sondern um den Deutschen
Fernsehpreis, den die vier großen Sender ARD, ZDF, RTL und Sat.1 in
seltener Eintracht seit gut zehn Jahren als Gemeinschaftserlebnis
inszenieren. Doch auch hier wird etwas verbuddelt: die Leistung der
Kreativen hinter und neben der Kamera.
Und wie in Stuttgart reiht sich seit Wochen ein Kommunikationsdesaster an
das andere – zwischen den Sendern und der federführenden ARD und den
TV-Machern und ihren Verbänden. Am Samstag kommt es bei der Preisverleihung
in Köln zum Show-Down. Weshalb man die früher Primetime-taugliche Gala
lieber erst am späteren Abend sendet – und damit gar nichts schief gehen
kann, auch noch einen Tag später: Erst am Sonntagabend, nach dem „Tatort“,
ist der Deutsche Fernsehpreis 2010 ab 21.45 Uhr bei der ARD im Programm.
Die Bombe platzte schon mitten im Sommer: Der Preis, verkündeten damals die
großen Sender, die sich den Spaß nach Branchenberichten rund zwei Millionen
Euro kosten lassen, bekomme ein neues Reglement. Aber nicht etwa, dass man
Klagen, der Fernsehpreis gerate mit seinen Dutzenden von Kategorien immer
mehr zum gefälligen „Prämierst du Meins, prämier ich Deins“ ernst genomm…
hätte. Vielmehr werden bei der heutigen Preisgala nur noch Sendungen als
Gesamtkunstwerk prämiert. Kategorien wie Regie, Drehbuch, Kamera oder
Musik, die es zwar zumeist nie in die im Fernsehen ausgestrahlte TV-Gala
schafften, aber doch immer dazu gehörten, sind damit abgeschafft. Lediglich
für die Schauspielerei gibt es noch Einzelpreise.
Kreative wie der Filmmusikkomponist Hans Hafner [1][wollen deshalb bei
Preisverleihung gegen ihre „Anonymisierung“ demonstrieren]. Und bei den
Sendern macht sich die Ahnung breit, dass es bei der heutigen
"Smiling-happy-people"-Veranstaltung in einer Weise ungemütlich werden
könnte, gegen die [2][der Auftritt von Marcel Reich-Ranicki vor zwei
Jahren] kalter Kaffee war. Zu Erinnerung: Der Großkritiker hatte seinen
„Ehrenpreis“ nicht angenommen und der TV-Branche die Leviten gelesen.
Denn jetzt geht es nicht um einen vom heutigen Fernsehen überforderten
Senior, sondern ums Eingemachte: „Deutscher Fernsehpreis 2010 sagt: Fickt
Euch, Kreative! Aber so richtig!“, [3][schreibt das Blog "Fünf
Filmfreunde"]. Und die Senderchefs mahnen die Verbände, man möge doch bitte
„mit uns dafür Sorge tragen, dass nicht bei und anlässlich der
Preisverleihung Dinge ausgetragen werden, die dort nicht hingehören".
Dabei haben die Sender als Träger des Preises selbst für die aufgeheizte
Stimmung gesorgt: Sie argumentieren, alle Kreativen würden als Team hinter
einer Sendung ja durchaus noch mit ausgezeichnet. Für den Bundesverband
Regie bleibt das ein „Versuch, zentrale Urheberleistung marginalisieren zu
wollen“. Anstatt offener Diskussion spielen nun beide Seiten ein bisschen
"Stuttgart 21": Nach einigem Hin- und Her regen die Kreativen einen runden
Tisch an – auf den die Preisveranstalter auch eingehen wollen. Allerdings
erst im November, nach der Preisverleihung.
Noch mehr Öl gossen die Sender am Donnerstag ins Feuer: Der alljährliche
Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreises geht 2010 an – die deutsche
Fußballnationalelf. „Spannung, Gefühle, Bilder voller Dramatik und Dynamik,
Protagonisten von höchster Professionalität und Leidenschaft. Dafür danken
die großen Sender Deutschlands“, begründete WDR-Intendantin Monika Piel,
die diesjährige Vorsitzende der Stifter, die Entscheidung. „Blanker Hohn
für die Kreativen der deutschen Fernsehlandschaft“, kommentierte der
Fachdienst dwdl. Denn diese Auszeichnung steht für nichts – und wirkt in
der aktuellen Situation wie die Augen-zu-und-durch-Strategie der
baden-württembergischen Landesregierung.
Am Freitag immerhin verkündeten die Preis-Stifter vorab auch die Gewinner
in den neuen „Besondere Leistung“-Kategorien in den Bereichen Fiktion,
Information und Unterhaltung: Ausgezeichnet werden das Schauspielerensemble
der neuen Dominik-Graf-Reihe „Im Angesicht des Verbrechens“ (läuft nach der
Arte-Erstausstrahlung ab 22.10. in der ARD), die Regisseure Volker Heise
und Thomas Kufus für ihr Mammut-Projekt „24h Berlin“ und ein gewisser
Stefan Raab als Entertainer des Jahres. Dies sei aber keinesfalls als
Versuch zu verstehen, angesichts der erregten Debatte gut Wetter zu machen.
Vielmehr stünden diese Entscheidungen schon seit langem fest, auch die
Preisträger wüssten „seit Wochen“ davon, sagt Maren Mossig vom „Ständi…
Sekretariat des deutschen Fernsehpreises in Köln“.
Ob diese durchaus honorigen Entscheidungen zur Befriedung reichen, darf
genau so bezweifelt werden die Wirkung des Hinweises, auch beim allerersten
Deutschen Fernsehpreis anno 2000 hätten mit Boris Becker und Steffi Graf
zwei SportlerInnen den Ehrenpreis vor allem fürs Promi-sein bekommen. Die
TV-Branche jedenfalls könnte auch einen Vermittler gebrauchen. Vielleicht
hat Heiner Geißler gleich den nächsten Job – und bekommt dann den
Ehrenpreis beim Deutschen Fernsehpreis 2011.
8 Oct 2010
## LINKS
[1] /1/leben/medien/artikel/1/ein-besserer-selbstbedienungsladen/
[2] /1/leben/medien/artikel/1/keine-gute-miene-zur-bloeden-gala/
[3] http://www.fuenf-filmfreunde.de/2010/08/18/deutscher-fernsehpreis-2010-sagt…
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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