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# taz.de -- Streit um Steuersenkungen: SPD bereit zur Klage
> Die Koalition hat sich am Sonntagabend auf steuerliche Entlastungen
> geeignet. Mit der Schuldenbremse im Grundgesetz ist das nicht vereinbar,
> meint SPD-Chef Gabriel.
Bild: Pocht auf die Schuldenbremse im Grundgesetz: SPD-Chef Sigmar Gabriel.
BREMEN/BERLIN taz/dpa | Nach zähem Ringen hat sich die schwarz-gelbe
Koalition am auf ein Gesamtpaket zu Steuerentlastung und wichtigen Reformen
geeinigt. Es gebe eine "umfassende Lösung" in den Bereichen Steuern,
Pflege, Zuwanderung, Verkehr sowie Betreuungsgeld, meldete die
Nachrichtenagentur dpa am Sonntagabend. Demnach soll Bundesverkehrsminister
Peter Ramsauer (CSU) mehr Geld für Investitionen in Straße und Schiene
erhalten, bei der Zuwanderung sollen Regeln gelockert werden.
Auch Steuersenkungen sind in dem Paket enthalten. Sigmar Gabriel will diese
verhindern. Pünktlich zum schwarz-gelben Koalitionsgipfel drohte der
SPD-Parteichef via Bild am Sonntag mit einer Klage der
SPD-Bundestagsfraktion beim Bundesverfassungsgericht. Diese hätte
allerdings wenig Aussicht auf Erfolg.
"Die Schuldenbremse in unserer Verfassung sieht vor, dass alle
konjunkturell bedingten Steuermehreinnahmen zur Reduzierung des
Staatsdefizits verwendet werden müssen", erläuterte Gabriel. Er nahm damit
Bezug auf den seit 2009 geltenden Grundgesetzartikel 115. Dort heißt es:
"Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten
auszugleichen." Ab 2016 ist die Grenze des Zulässigen konkret benannt, dann
darf das Haushaltsdefizit maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung
betragen.
Schon ab 2011 gilt eine andere Regel: Wenn der Bundestag im Abschwung mehr
Kredite aufnimmt als eigentlich zulässig, muss er dies im nächsten
Aufschwung entsprechend ausgleichen. Die Regel macht aber keine
Vorschriften, wie das Ziel zu erreichen ist. Wenn der Bundestag also
glaubt, dass er mit Steuersenkungen die Wirtschaft anheizt und so mehr
Steuereinnahmen erzeugt, hat Karlsruhe keinen Anlass zu intervenieren.
Aussichtsreich klagen kann die Opposition im Bundestag erst, wenn es am
Ende des Jahres nicht gelingt, einen der guten Konjunktur angemessenen
ausgeglichenen Haushaltsabschluss zu realisieren. Und auch dann wird
Karlsruhe nur feststellen, dass der Bundestag seine Pflicht verletzt hat
und offenlassen, wer oder was schuld war. Klagen kann die
SPD-Bundestagsfraktion im Übrigen nur, wenn sie gemeinsam mit Grünen
und/oder Linken auf die erforderlichen 25 Prozent der
Bundestagsabgeordneten kommt.
## Kritik an jeglichen Steuersenkungen
Welcher Art eine seit Monaten auch in der Koalition umstrittene
Steuersenkung sein würde, war bis taz-Redaktionsschluss am Sonntag offen.
Im Gespräch waren bis zum Beginn des Spitzentreffens im Kanzleramt die drei
Varianten, den Einkommensteuersatz zu verschieben, den Solidaritätszuschlag
oder die Stromsteuer zu senken.
Die CDU-Landesfürsten nutzten den Sonntag noch einmal zur Kritik an
jeglichen Steuersenkungen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter
Harry Carstensen (CDU) erklärte in der Welt rundheraus: "Dafür haben wir
keinen Spielraum." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte im
Spiegel: Wenn es für Änderungen des Einkommensteuertarifs "im Bundesrat
keine Mehrheit gibt und eine Senkung des Solidaritätszuschlages
möglicherweise kaum Entlastung bringt, dann müssen wir das Projekt
Steuersenkung erst einmal auf Eis legen". Sachsen-Anhalts Ministerpräsident
Rainer Haseloff (CDU) sagte im NDR, ein ausgeglichener Bundeshaushalt gehe
vor. Sollte dies 2016 geschafft sein, dann "kann man über Steuersenkungen
reden".
6 Nov 2011
## AUTOREN
C. Rath
U. Winkelmann
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