# taz.de -- Schwarz-gelbe Steuerreform: Peanuts für Geringverdiener | |
> Die geplante Steuersenkung von 6 Milliarden Euro kommt vor allem den | |
> Beziehern hoher Einkommen zugute. Freibetrag und Eckwerte steigen. | |
Bild: nicht gerade magenfüllend, die Steuersenkung. | |
BERLIN taz | Um rund 6 Milliarden Euro will die Bundesregierung die | |
Steuerzahler in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt entlasten: Das teilten | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler | |
(FDP) nach Abschluss des über siebenstündigen Koalitionsgipfels am | |
Sonntagabend mit. "Wir haben uns vorgenommen, kleine und mittlere Einkommen | |
zu entlasten", sagte Merkel. "Das werden wir tun." Rösler erklärte, die | |
Pläne seien "ein wesentlicher Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit". | |
Berechnungen des Bundes der Steuerzahler für die taz zeigen jedoch, dass | |
Spitzenverdiener am stärksten von der Reform profitieren. | |
Grundlage der Koalitionseinigung sind die Vorschläge, die Rösler und | |
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor zwei Wochen präsentiert hatten. | |
Demnach soll der Freibetrag (also der Anteil des Einkommens, auf den keine | |
Steuern gezahlt werden müssen) von heute 8004 Euro (für einen kinderlosen | |
Single) ab 2013 um 110 Euro und ab 2014 um weitere 240 erhöht werden. Damit | |
setzt die Regierung die Vorgabe um, dass das steuerfreie Existenzminium | |
regelmäßig an die Inflation angepasst werden muss. | |
Zudem wird die Steuerkurve parallel verschoben, so dass ein bestimmter | |
Steuersatz erst ab einem höheren Einkommen greift; 2013 beträgt diese | |
Verschiebung 1,4 Prozent, 2014 weitere 3 Prozent. Damit soll die Inflation | |
von drei Jahren in etwa ausgeglichen werden, um zu verhindern, dass | |
Arbeitnehmer nach Lohnerhöhungen höhere Steuern zahlen, obwohl ihre | |
Kaufkraft durch die Inflation real nicht steigt (was oft als "kalte | |
Progression" bezeichnet wird). | |
## 1,60 Euro pro Monat | |
Wenn dieses Modell so umgesetzt wird, spart ein Niedriglohnbezieher mit | |
einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 10.000 Euro 2013 im Monat knapp | |
1,60 Euro Steuern, so die Berechnung des Bundes der Steuerzahler. Bei einem | |
mittleren Jahreseinkommen von 30.000 Euro liegt die Ersparnis bei 4,50 Euro | |
im Monat, Spitzenverdiener ab 54.000 Euro sparen knapp 10 Euro im Monat. | |
2014 steigen die Werte an. | |
Um den Ländern die Zustimmung zur Reform schmackhafter zu machen, bietet | |
der Bund zudem an, zwei Drittel der Steuerausfälle selbst zu tragen; | |
normalerweise bekommen Bund und Länder von der Einkommensteuer jeweils 42,5 | |
Prozent, 15 Prozent gehen an die Kommunen. | |
Die Überlegung, die Zustimmungspflicht des Bundesrats zu umgehen, indem | |
nicht die Einkommensteuer reduziert wird, sondern der Solidaritätszuschlag, | |
ist vom Tisch. Eine Zustimmung des Bundesrats ist angesichts der Ablehnung | |
aus der SPD derzeit mehr als fraglich. Zudem greift der größere Teil der | |
Entlastung erst 2014 - und damit nach der nächsten Bundestagswahl. | |
Die Deutsche Steuergewerkschaft kritisierte, dass die Steuersenkung dem | |
Einzelnen wenig bringe und zudem auf Pump erfolge. Der Deutsche Industrie- | |
und Handelskammertag hingegen begrüßte die Einigung als "richtigen | |
Schritt". | |
7 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Hannes Koch | |
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