# taz.de -- Kommentar Koalitionsgipfel: Danke, Schwarz-Gelb! | |
> Die Koalition hat sich mühsam auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner | |
> verständigt – und überlässt Wesentliches der nächsten Regierung. | |
Verglichen mit dem Wind, den CDU, CSU und FDP vor dem Treffen ihrer | |
Parteichefs gemacht haben, ist das Ergebnis allenfalls ein laues Lüftchen. | |
Schwarz-Gelb legt für die zweite Regierungshalbzeit kein ambitioniertes | |
Paket vor, wie es die Beteiligten der Öffentlichkeit glauben machen wollen. | |
Stattdessen haben sie sich auf einen sorgsam austarierten Minimalkompromiss | |
geeinigt, dessen eigentliches Ziel offensichtlich ist: Alle Beteiligten | |
können nach dem peinlichen Hickhack der vergangenen Wochen ihr Gesicht | |
wahren. | |
Die FDP bekommt ihre Steuersenkung, die CSU ihre Betreuungsprämie, und bei | |
der Pflege verständigen sich die drei Parteien auf eine kleine | |
Beitragserhöhung, die alle Experten für längst überfällig halten. | |
Die Koalition hat sich mühsam auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner | |
verständigt, und für ihre Anhänger muss erschreckend sein, wie niedrig der | |
inzwischen liegt. Was hatte die FDP ihrer Wählerklientel bei der Pflege | |
nicht alles versprochen. Nicht weniger als den Ausstieg aus dem | |
solidarischen Prinzip in einer weiteren Säule der Sozialversicherung. | |
Kapitalgedeckte Zusatzversicherung hieß das Zauberwort, mit dem die | |
Freidemokraten die Republik beglücken wollten. | |
Eine solche hätte der Versicherungswirtschaft neue Geldquellen eröffnet, | |
Niedrigverdiener eine vernünftige Vorsorge unmöglich gemacht, und das | |
riesige Finanzproblem in der Pflege nicht mal ansatzweise gelöst. | |
Entsprechend muss man den neuen Gesundheitsminister Bahr zu seiner | |
erschreckenden Ideenlosigkeit beglückwünschen. Seine Konzeptlosigkeit hat | |
Schlimmeres verhindert. | |
Die Steuereinigung beendet einen Streit, der die Koalition seit ihrem Start | |
begleitet. Am Ende kann die schwächelnde FDP, die sich verzweifelt daran | |
geklammert hat, doch noch einen Erfolg verbuchen. Aber wird ihr diese | |
Lieferung bei ihrem Herzensthema 2013 wirklich noch einmal über die | |
5-Prozent-Hürde helfen? Das ist offen. Denn selbst klassischen FDP-Wählern | |
dämmert es, dass gerade nicht die Zeit ist für Milliardengeschenke. | |
Den Staat einer Einnahmequelle zu berauben, während er gleichzeitig | |
Milliardenschulden zur Krisenbewältigung aufhäuft, hat nichts mit seriöser | |
Politik zu tun. Und es sendet in der Eurokrise ein fatales außenpolitisches | |
Signal. Während die Kanzlerin Deutschland europaweit als Ausbund der | |
Haushaltsdisziplin darstellt, dass anderen Ländern vorexerziert, wie Sparen | |
geht, winkt sie eine FDP-Rettungsmaßnahme durch, von der vor allem | |
Gutverdiener profitieren werden. | |
Manches in dem Paket macht zudem den Eindruck, als traue die Regierung den | |
eigenen Ideen nicht. Die zweite Stufe der Steuersenkung soll erst ab 2014 | |
greifen, ebenso die des Betreuungsgeldes. Die Koalition überlässt | |
Wesentliches also der Folgeregierung. Und auch dafür muss man Schwarz-Gelb | |
danken. Denn wenn diese Regierung abgewählt wird, hat die nächste die | |
Möglichkeit, den größten Murks wieder zu kassieren. | |
7 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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