# taz.de -- Kein Ausweg aus der Euro-Krise: Leiden ohne Ende | |
> Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy schwören ihre Bürger | |
> auf harte Zeiten ein. Doch sie streiten darüber, wie die Schuldenpolitik | |
> zu stoppen ist. | |
Bild: Immer dieser Euro-Ärger! Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schä… | |
BRÜSSEL taz | Es klang nach Blut, Schweiß und Tränen, was Frankreichs | |
Staatschef Nicolas Sarkozy in einer Grundsatzrede zur Eurokrise in Toulon | |
sagte. "Viele Franzosen haben gelitten und werden weiter leiden." | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel schwor die Deutschen auf harte Zeiten ein. | |
Die Krise werde noch viele Jahre dauern, sagte sie bei ihrer | |
Regierungserklärung gestern im Bundestag. Einen Befreiungsschlag werde es | |
beim EU-Gipfel Ende nächster Woche nicht geben. | |
Damit enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen Merkel und | |
Sarkozy. Zwar bekannten sich beide dazu, die EU-Verträge ändern zu wollen, | |
um der Schuldenpolitik in Europa einen Riegel vorzuschieben. Doch über | |
Mittel und Wege liegen "Merkozy" weiter im Streit. | |
Die Unterschiede fangen schon bei der Analyse der Krisenursachen an. Für | |
Merkel sind die Politiker schuld, die den Staat exzessiv verschuldet hätten | |
und nun die Konstruktionsfehler der Währungsunion ausmerzen müssten. | |
Sarkozy sieht die Eurokrise hingegen als Folge einer fehlgeleiteten | |
Globalisierung. Die Staaten müssten sich aus dem Klammergriff der Märkte | |
befreien: "Indem wir unsere Schulden zahlen, werden wir wieder Herr über | |
unser Schicksal." | |
Weit auseinander liegen Merkel und Sarkozy auch bei der Strategie zur | |
Stabilisierung des Euro. Die Kanzlerin strebt eine "Fiskalunion" an, die | |
ohne stützende Eingriffe der Europäischen Zentralbank (EZB) und ohne | |
Gemeinschaftsanleihen (Eurobonds) auskommen soll. "Eine gemeinsame Haftung | |
für die Schulden anderer ist nicht denkbar", sagte sie. Das Grundgesetz | |
verbiete Eurobonds. | |
Sarkozy hingegen schließt Eurobonds ebenso wenig aus wie | |
EZB-Interventionen. Angesichts einer drohenden Deflation wisse die | |
Zentralbank sicher, was sie zu tun habe, sagte er. Zudem brachte der | |
französische Präsident die Gründung eines Europäischen Währungsfonds ins | |
Gespräch, der Krisenstaaten stützen soll. Seine Mittel soll sich dieser | |
Fonds direkt bei der EZB besorgen - ähnliche Vorschläge hatte Merkel | |
bereits beim letzten Euro-Krisengipfel zurückgewiesen. | |
Über Kreuz liegen "Merkozy" auch bei der Frage, wie die schärfere | |
Haushaltsdisziplin überwacht werden soll. Merkel plant offenbar, damit die | |
EU-Kommission zu beauftragen. Außerdem fordert die Kanzlerin ein Klagerecht | |
gegen Schuldensünder vor dem Europäischen Gerichtshof. Demgegenüber betonte | |
Sarkozy in seiner Rede in Toulon, die Staaten müssten das letzte Wort in | |
der Budgetpolitik behalten. Automatische Sanktionen, wie sie Merkel | |
fordert, lehnt er weiter ab. | |
## Ausgrenzungen vermeiden | |
Allerdings vermieden sowohl Merkel als auch Sarkozy konkrete Festlegungen. | |
Schließlich müssen sie ihren Kurs nicht nur miteinander, sondern auch noch | |
mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und den 15 übrigen Euroländern | |
absprechen. | |
Merkel hofft zudem, die Polen ins Boot zu holen, um den Eindruck zu | |
vermeiden, die Eurozone wolle Nichtmitglieder ausgrenzen. Zur Not werde man | |
aber auch allein vorangehen, sagte sie mit Blick auf Staaten wie | |
Großbritannien, die eine EU-Vertragsänderung ablehnen. | |
Offen blieb bei beiden Reden, wie Deutschland und Frankreich die akuten | |
Probleme der Eurozone lösen wollen. Griechenland hat den angekündigten | |
Schuldenschnitt immer noch nicht vollzogen, auch Italien steht auf der | |
Kippe. Wegen einer drohenden Kreditklemme in der Eurozone mussten die EZB | |
und andere Notenbanken am Mittwoch die Märkte mit Geld fluten; zudem droht | |
2012 eine Rezession in Europa. Sie könnte Steuereinnahmen drücken und damit | |
die Schuldenkrise verschärfen. | |
Merkel und Sarkozy sagten dazu kein Wort. Alle Hoffnungen richten sich | |
daher auf EZB-Chef Draghi. Der hatte am Donnerstag in Brüssel angedeutet, | |
seinen Teil zur Lösung der Krise zu tun, wenn die EU größere | |
Budgetdisziplin übt. Genau das haben "Merkozy" versprochen - nun müssen sie | |
nur noch liefern. | |
2 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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