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# taz.de -- Die "Merkozy"-Linie: Verdauliche Krisensuppe
> Im Vorfeld des EU-Gipfels waren Angela Merkel und Nicolas Sarkozy
> gemeinsam Mittagessen. Immerhin einigten sie sich darauf, auf die
> Schuldenbremse zu treten.
Bild: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy: Abschied vor dem Elysée-Palast.
PARIS taz | Am Mittwoch wollen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy dem
EU-Vorsitzenden Herman Van Rompuy eine Brief mit gemeinsamen Vorschlägen
schicken. Dies kündigten die beiden gestern im Anschluss an ein
Arbeitsessen im Pariser Élysée-Palast bei einer Pressekonferenz an. Das
Menü bei diesem Lunch bestand aus dem erneuten Versuch, eine Krisensuppe zu
kochen, die für beide Seiten genieß- und verdaubar wäre.
Die Medienauftritte dieses ungleichen Duos, das man in französischen Medien
nur mit dem spöttischen Sammelnamen "Merkozy" benennt, funktionieren
inzwischen schon mit eingespielten Rollen. Bei einem Dreiergipfel mit Mario
Monti in Straßburg vor zwölf Tagen hatten freilich die Divergenzen noch
sichtlich über den Willen der Annäherung triumphiert.
Seither haben Sarkozy und Merkel viel telefoniert, Kompromisse gesucht und
über den Preis der "Konvergenz" verhandelt, wie Sarkozy die Anpassung an
eine verschärfte Haushaltsdisziplin gern nennt. Jetzt scheint der Weg
zumindest so weit geebnet, dass in Hinblick auf den am Donnerstag
beginnenden EU-Gipfel ein gemeinsamer Nenner als Ausgangspunkt gefunden
wurde. Einig ist sich man sich, dass es nie wieder in der Eurozone zu einer
solchen Deregulierung kommen dürfe.
Als Ziel ihrer Bemühungen bezeichnen es Merkel und Sarkozy, dass sich die
EU auf einen neuen Vertrag einigen kann. Das Instrument der Integration
soll ein monatliches Treffen der Staats- und Regierungschefs sein.
Wie schon in Straßburg wollte Sarkozy vor den Medien nicht in die Details
gehen. Die gemeinsame Haushaltsdisziplin, die Frankreich nun akzeptiert,
soll "automatische Sanktionen" beinhalten für Mitgliedstaaten, die sich
nicht an das Maastricht-Kriterium eines Defizits von drei Prozent halten.
Bei Abstimmungen soll eine qualifizierte Mehrheit genügen. Alle Eurostaaten
sollen die "goldene Regel" einer Schuldenbremse in ihrer Verfassung
verankern.
Sarkozy präzisierte, dass es nicht die Rolle des Europäischen Gerichtshofs
sein werde, darüber zu entscheiden, ob ein nationales Budget akzeptabel
sei. Hingegen könnten laut Merkel die europäischen Richter darüber
befinden, ob eine nationale Schuldenbremse den neuen
Vertragsverpflichtungen entspreche. Die nationalen Verfassungsrichter
sollten prüfen, ob die im Grundgesetz verankerte Regel verletzt wurde.
## EZB bleibt unabhängig
Wie dies Merkel von Beginn an gewünscht hat, wird das Tabu der
Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nicht angetastet. Wie sie
verwarf auch Sarkozy entschieden die Idee von "Eurobonds" oder
Stabilitätsobligationen: "Diese stellen keinesfalls eine Lösung der Krise
dar. Das ist zudem eine komische Idee, Schulden nachträglich zu
vergemeinschaften, die man vorher nicht kontrollieren oder verhindern
konnte." Im Weiteren soll der Mechanismus des Europäischen Stabilitätsfonds
bereits ab 2012 in Kraft treten.
Einmal mehr feierte Sarkozy die deutsch-französische Freundschaft als
wichtigstes Vermächtnis der Vorgänger. Er hat in Frankreich mit zunehmenden
antideutschen Ressentiments zu kämpfen. Die Opposition wirft ihm vor, er
habe vor Merkel kapituliert. Die konservative Politikerin Christine Boutin
erklärte gestern, die Franzosen würde eine Unterordnung unter Deutschland
akzeptieren.
Die Polemik hatte einen Höhepunkt erreicht, als der sozialistische
Abgeordnete Arnaud Montebourg Merkels Krisenpolitik mit Bismarcks
Nationalismus verglich. Sein Parteikollege Le Guen bemühte gar eine
historische Analogie mit den Münchner Verträgen von 1938. Premierminister
François Fillon warnte die Linke vor einem solchen verantwortungslosen
Spiel mit Ressentiments, das alte Dämone wecken könnten.
5 Dec 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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