# taz.de -- Politiker aller Länder, vereinigt euch!: Vive la collaboration! | |
> Angela Merkel will ihren Freund Sarkozy im Wahlkampf unterstützen. Ein | |
> Skandal? Ach was. Im neuen Europa sind solche Kooperationen nur | |
> hilfreich. | |
Bild: Guten Freunden gibt man doch gerne mal ein Küsschen: Sarkozy und Merkel,… | |
Quelle catastrophe! Angela Merkel will für Frankreichs Konservative werben, | |
ja, sie findet ein bisschen Wahlkampfhilfe unter Freunden ganz natürlich. | |
Schließlich, begründet sie, gehörten die CDU und Nicolas Sarkozys UMP zur | |
gleichen Parteienfamilie. | |
Prompt wabert Empörung durch die Republik: Die Kanzlerin breche ein Tabu, | |
empört sich die Opposition, eine Regierungschefin habe im Ausland für | |
Deutschlands Interessen einzutreten, und für nichts anderes. Selbst | |
Außenminister Guido Westerwelle, von dem man sonst überhaupt nichts mehr | |
hört, reagiert verschnupft. | |
Dazu ist zunächst einmal zu sagen, dass parteipolitische Zusammenarbeit | |
zwischen Regierungschefs nicht so neu ist, wie es die Aufregung suggeriert. | |
Gerhard Schröder und Tony Blair legten ihr berühmtes Papier 1999 kurz vor | |
der Europawahl vor. Die Segnungen der von ihnen propagierten "modernen | |
Sozialdemokratie" mündeten hierzulande etwa in den Hartz-Gesetzen. Ob die | |
Teamarbeit nun ein Erfolg war, sei dahingestellt - effektiv war sie in | |
jedem Fall. | |
Noch ein Beispiel: Als sich Österreichs Exkanzler Wolfgang Schüssel für | |
eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ unter Jörg Haider | |
entschied, konnte er sich auf seine CSU-Freunde verlassen. Edmund Stoiber | |
fands klasse - und sagte das öffentlich. Schüssel revanchierte sich, indem | |
er dem damaligen Kanzlerkandidaten Stoiber 2002 im Wahlkampf half. Es gab | |
also viel unappetitlichere Konstellationen als das Merkozy-Team. | |
## Parteiarbeit muss den Wandel Europas anerkennen | |
Außerdem, mal umgekehrt gefragt, was ist so skandalös an Merkels | |
Ankündigung? Die Kanzlerin ist auch Parteivorsitzende, sie hat also eine | |
doppelte Funktion. Und als CDU-Chefin hat sie einfach nur verstanden, dass | |
Parteiarbeit den Wandel Europas anerkennen muss. Entsprechend handelt sie. | |
Regierungen jedweder Couleur sprechen sich für mehr Integration aus, beim | |
Handel oder der Agrarpolitik dominiert Europa längst nationalstaatliche | |
Politik. Diese Integration geht weiter, die Krise wirkt wie ein | |
Beschleuniger. Eine Wirtschaftsregierung wird diskutiert, die | |
Schuldenbremse für alle ist beschlossen. | |
Die Parteien sind aber in allen Demokratien die maßgeblichen Kräfte, die | |
diesen Prozess managen. Sie gewährleisten - bei aller Kritik an taktischem | |
Geklüngel - die demokratische Teilhabe der BürgerInnen. Deshalb ist es | |
legitim, dass sich Parteien in Europa unterstützen, die sich nahestehen . | |
Schließlich werben sie für ähnliche Ideen - und die WählerInnen sind frei | |
in ihrer Entscheidung. Oder glaubt jemand ernsthaft, ein von Sarkozy | |
enttäuschter Franzose lasse sich von einem Auftritt Merkels blenden? | |
## Wahlkampf als Abstimmung über die Europa-Linie | |
Ein Wahlkampf ist heutzutage nicht mehr nur ein Wettstreit der Ideen, wie | |
es im eigenen Land weitergehen soll – sondern eben auch eine Abstimmung | |
über die jeweilige Europa-Linie. Schließlich wird der öffentliche Diskurs | |
zunehmend von europäischen Themen bestimmt. | |
BürgerInnen in Düsseldorf, Dresden oder München diskutieren nicht mehr nur | |
über klassische Innenpolitik, sondern über Rettungsschirme, den Euro und | |
die Zukunft des Staatenbundes. Sie schicken ihre Kinder zum Studieren nach | |
Barcelona oder Warschau, nicht mehr in die Nachbarstadt. Sie fahren zum | |
Shoppen mal kurz über die Grenze. | |
Die einzig richtige Entgegnung auf Merkels Pläne kommt daher von der | |
Sozialdemokratin Hannelore Kraft. Die SPD werde natürlich auch die | |
französischen Sozialisten vor Ort unterstützen, kündigt | |
Nordrhein-Westfalens Regierungschefin an. Kraft hat verstanden. Auf nach | |
Paris, Parteistrategen – vive la collaboration! | |
7 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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