# taz.de -- Merkel und Sarkozy im TV-Duett: Deutsch-französisches Geturtel | |
> Präsident Sarkozy und Kanzlerin Merkel versichern sich im Interview ihre | |
> gegenseitige Bewunderung. Nebenbei hilft die eine dem anderen im | |
> Wahlkampf. | |
Bild: Es ist Liebe: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy vor dem Elysee-Palast. | |
BERLIN taz | Nicolas Sarkozy neigt zu emotionalen Ausbrüchen, das ist | |
bekannt. Doch eine solche Liebeserklärung hat man auch von ihm selten | |
gehört. Das Interview dauert gerade mal ein paar Minuten, da hofiert | |
Frankreichs Staatspräsident die neben ihm sitzende Bundeskanzlerin ganz | |
unverhohlen. | |
"Wenn Sie fragen, ob ich Merkel bewundere", sagt er zu den beiden | |
Journalisten, "dann sage ich: Ja, ich bewundere sie dafür, wie sie 80 | |
Millionen Deutsche durch die Krise führt." Gefragt hatte zwar keiner, aber | |
das ist eigentlich unwichtig für Sarkozy. Wichtig ist die Botschaft. | |
Zwischen ihn und Angela Merkel (CDU) passt in der Krise kein noch so dünnes | |
Blatt eines EU-Vertrags. | |
Das gemeinsame Interview des Präsidenten mit der Kanzlerin war die Krönung | |
des deutsch-französischen Ministerrats in Paris, zu dem Merkel samt | |
Ministertross angereist war. Das am Montagmittag aufgezeichnete Geplauder | |
wurde am Abend von ZDF und France 2 übertragen. | |
Wie ein eingespieltes Ehepaar sitzen Merkel und Sarkozy vor drei Fahnen, | |
der Deutschen, der Europäischen und der Trikolore. Redet die eine, legt der | |
andere die gespreizten Finger aneinander, manchmal gar zum berühmten | |
Merkel-Dreieck. Redet der andere, nickt die eine verständnisinnig. Es sieht | |
aus, als hätten Merkel und Sarkozy nicht nur ihre Textbausteine aufeinander | |
abgestimmt, sondern auch ihre Körpersprache. Merkozy – viva la fraternité! | |
Höflich gibt Merkel gleich in ihrer nächsten Antwort das Kompliment des | |
Charmeurs zurück. Wobei, das dann doch, das Lob bei der Kanzlerin deutlich | |
spröder klingt. "Es war uns nicht in die Wiege gelegt, dass wir uns gut | |
verstehen", sagt Merkel. Eine ganz spezielle Situation habe sie beide | |
nebeneinander gestellt. Sie handelten aus historischer Verantwortung heraus | |
– und, ja, das auch, aus persönlicher Zuneigung. Das Süßholz raspeln | |
beherrscht Sarkozy besser als die nüchterne Deutsche. | |
## In der Tradition von Adenauer und de Gaulle | |
Inhaltlich sagen beide das, was sie seit Längerem sagen. Europa werde es | |
nur gut gehen, "wenn wir voneinander lernen", betont Merkel. Sie sagt, dass | |
Griechenland selbst handeln müsse, wenn es mehr Mittel im zweiten | |
Hilfspaket wolle – getreu des von ihr gebetsmühlenartig vorgetragenen | |
Mottos: Eigenverantwortung und Solidarität. Und sie erklärt den | |
Mechanismus, mit dem Schuldensünder vom Europäischen Gerichtshof zur | |
Ordnung gerufen werden sollen. | |
Sarkozy hingegen lobt Haushaltsdisziplin und den Stabilitätspakt, der | |
Schuldenbremsen für alle Staaten beinhaltet, als habe er ihn persönlich | |
durchgedrückt. Und nicht die Frau, die neben ihm sitzt. Auffällig ist, dass | |
beide ihre Partnerschaft in den großen geschichtlichen Kontext der | |
deutsch-französischen Freundschaft einordnen. Sarkozy sieht sie in der | |
Tradition von Adenauer und de Gaulle. Merkel spricht von dem Wunder, das | |
beide Staaten miteinander seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt | |
hätten. | |
Das bedeutet, die beiden wichtigsten EU-Staaten sind in der Krise nicht | |
auseinander zu dividieren. Bis zu dieser Einigkeit war es ein langer Weg – | |
und sie hat Risse. Denn der sprunghafte Sarkozy und die pragmatische Merkel | |
besitzen nicht nur sehr unterschiedliche Naturelle. Sie hatten auch | |
mindestens ebenso unterschiedliche Vorstellungen von der Rettungspolitik. | |
Als Nebensache versuchte Merkel einen nicht unwichtigen Punkt | |
herunterzuspielen. Sie säßen ja in ihren staatspolitischen Funktionen hier, | |
betonte sie ganz zu Beginn des Gesprächs. Das zielt auf einen Vorwurf, der | |
im Vorfeld des Interviews heftig diskutiert wurde. Staatspolitiker unter | |
sich, nicht Parteipolitiker. | |
Denn Merkel hat noch ein anderes Ziel. Sie will ihrem konservativen | |
Kollegen im Wahlkampf helfen. Sarkozys Aktien sinken derzeit im | |
innenpolitischen Kampf vor der Präsidentschaftswahl im April, sein | |
sozialistischer Herausforderer François Hollande liegt in den Umfragen | |
vorn. | |
## Eine Hand wäscht die andere | |
Ein bisschen Schützenhilfe aus Deutschland ist da hilfreich. Und für beide | |
eine Win-Win-Situation. Sarkozy hofft mit dem Versprechen, sich am | |
deutschen Erfolgsmodell zu orientieren, frustrierte Wähler | |
zurückzugewinnen. Und kann sich als erfolgreicher Euro-Retter gerieren. | |
Merkel wiederum sind die Ideen des Sozialisten – Hollande will | |
beispielsweise Euro-Bonds – ein Graus. Sie hat ein Interesse daran, weiter | |
mit Sarkozy durch die Krise zu steuern, dem sie in den vergangenen Monaten | |
große Zugeständnisse abringen konnte. | |
Für die Kanzlerin ist die Kooperation zum Zwecke des Machterhalts nicht | |
weiter problematisch. "Wir gehören zu einer Parteienfamilie", sagt sie. | |
Sarkozy habe sie unterstützt, "und da ist es ganz natürlich, dass ich ihn | |
auch unterstützen würde". Eins ist sicher: Das gemeinsame Interview war | |
jedenfalls ein guter Anfang. | |
7 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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