# taz.de -- Leitfaden zum sicheren Demonstrieren: Überwacht die Überwacher | |
> Immer mehr technische Möglichkeiten gibt es für immer mehr Überwachung. | |
> Rettung naht: Die taz erklärt, wie man sich schützt und zurückschlägt. | |
Bild: Flugdrohnen lassen sich auch selber bauen, in diesem Fall ist die staatli… | |
Kameraüberwachung, Funkzellenauswertung, stille SMS: Die technischen | |
Mittel, mit denen die Polizei gegen Demonstrationen und Protestaktionen | |
vorgehen kann, differenzieren sich immer stärker aus. | |
Damit wollen sich Protestaktivisten und Bürgerrechtler auf einer Tagung | |
"Soziale Bewegungen im digitalen Tsunami" am Samstag in Berlin | |
auseinandersetzen. Einen Tag lang geht es um Überwachungstechniken der | |
Polizei und was man dagegen unternehmen kann. | |
Beteiligt an der Tagung sind Organisationen wie der Republikanische | |
Anwältinnen- und Anwälteverein, der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, | |
das Komitee für Grundrechte und Demokratie und das data:recollective, eine | |
Gruppe, die sich grenzübergreifend kritisch mit Entwicklungen innerer | |
Sicherheit in der Europäischen Union auseinandersetzt | |
--- | |
## Erkenne den Spitzel! | |
Was ist es? Eine mittelmäßig zuverlässige Gesichtserkennung, die auf Demos | |
böse Spitzel enttarnt und völlig umsonst ist. | |
Was kann es? Gesichter von verdeckten Ermittlern und Polizisten erkennen, | |
die in Zivil auf einer Demo rumschlendern und nicht gern als Polizisten | |
kenntlich gemacht sein wollen. Soziale Netzwerke bieten inzwischen | |
Werkzeuge, um Gesichter auf Fotos zu erkennen und bereits mit Namen | |
versehenen Alben zuzuordnen. Für den Demo-Anwender heißt das: Smartphone | |
bereithalten und alle verdächtigen Personen knipsen. Die Bilder dann durch | |
die automatische Gesichtserkennung von Google oder Facebook jagen - und | |
hoffen, die Person digital zu identifizieren. | |
Was hat man davon? Mit etwas Glück ist der verdeckte Ermittler blöd genug, | |
seinen Namen und sein Foto bei Facebook zu verlinken. So wird aus einem | |
anonymen Beamten schnell ein Mensch mit einem Namen. Der Nachteil: So blöd | |
sind die meist dann nicht. Nachteil Nummer zwei: Das Ganze hält vom | |
Demonstrieren ab. Nachteil Nummer drei: Ein klarer Fall von Paranoia. | |
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## Behalte den Überblick! | |
Was ist es? Eine Google-Map, also eine Straßenkarte im Internet. | |
Was kann es? Benutzer können eine persönliche Karte anlegen, auf der sie | |
individuelle Symbole und Informationen hinzufügen können. So warnt zum | |
Beispiel ein Lkw-Symbol für einen Polizeiwagen, Feuer für ein brennendes | |
Haus, eine Pfote für eine Hundestaffel, kleine schwarze Männchen für | |
Demonstrierende, ein Pferd für berittene Polizisten. | |
Was hat man davon? Ein eigenes Lagebild, für alle online abrufbar, also | |
auch von unterwegs mit einem Smartphone. Besonders geeignet für | |
unübersichtliche Demonstrationen - wie im Februar 2011 bei den dezentralen | |
Portesten gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden. Mit der Karte kann man | |
besser abschätzen, wo gerade wie viel Polizei unterwegs ist. In London | |
bereits mit Erfolg erprobt: [1][www.tinyurl.com/demokarte] | |
--- | |
## Check dein Handy! | |
Was ist es? Ein elektronisches Bauteil, ungefähr so groß wie ein Reisepass | |
und rund 100 Euro teuer. | |
Was kann es? Stille SMS bemerken. Solche Kurzmitteilungen schicken Behörden | |
an ein Handy, um seinen Standort herauszufinden. Die SMS werden nicht auf | |
dem Display angezeigt, bleiben also in der Regel unbemerkt. Doch das gilt | |
nicht länger, wenn man dieses Elektrobauteil an eine in einem Handy | |
befindliche SIM-Karte anschließt und per USB-Kabel mit einem Computer oder | |
Laptop verbindet. Man wird dann informiert, wenn eine stille SMS auf dem | |
Mobiltelefon eingeht - das gilt jedenfalls für die meisten Arten stiller | |
SMS. | |
Was hat man davon? Wenn das Gerät anschlägt, dann weiß man, dass man | |
überwacht wird. Mobiles Telefonieren wird allerdings wegen des Kabelsalats | |
und des mitzuführenden Laptops deutlich unpraktischer. Also ist dies nur | |
geeignet für Menschen, die wirklich paranoid sind. Aber nur, weil man | |
misstrauisch ist, heißt das ja noch lange nicht, dass man nicht verfolgt | |
wird. [2][http://tinyurl.com/simtrace] | |
--- | |
## Wisse, was sie wissen! | |
Was ist es? Ein Generator für Auskunftsersuchen im Internet. | |
Was kann es? Musterbriefe formulieren - an die Verfassungsschutzämter und | |
den Zoll, an Bundes- und Landeskriminalämter, an Interpol und das | |
Schengener Informationssystem. Die Behörden werden darin aufgefordert, die | |
Daten mitzuteilen, die sie über einen gespeichert haben. Dazu sind sie | |
nämlich - in unterschiedlichem Umfang - gesetzlich verpflichtet. | |
Ausdrucken, unterschreiben und zur Post bringen muss man die Briefe | |
allerdings noch selbst. | |
Was hat man davon? Schönste Juristenprosa, ohne sich selbst in irgendwelche | |
Gesetzestexte einlesen zu müssen. Zum Beispiel so etwas: "Bitte erteilen | |
Sie mir nach §249 StPO und §9 der Verordnung über den Betrieb des Zentralen | |
Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregisters, in Verbindung mit §19 BDSG, | |
Auskunft über die zu meiner Person gespeicherten Daten." Wer will so was | |
schon selbst schreiben? Nach ein paar Wochen hat man außerdem viele Briefe, | |
die auf jeden Fall ein beeindruckendes Wappen haben und zusätzlich entweder | |
die gespeicherten Daten oder eine kreative Begründung, warum diese Daten | |
geheim bleiben müssen. | |
[3][http://www.datenschmutz.de] | |
--- | |
## Bediene die Drohne! | |
Was ist es? Eine Flugdrohne, die billig zu haben und selbst zu steuern ist. | |
Was kann es? Übersichtsaufnahmen aus bis zu 30 Meter Höhe machen - und zwar | |
kinderleicht in der Bedienung. Denn die sogenannten "Quadrokopter", die von | |
der Polizei bereits bei Fußballspielen oder beim Castortransport zum | |
Einsatz kamen, sind inzwischen im freien Handel zu erstehen und durchaus | |
erschwinglich. Die Firma Parrot hat ein Modell auf den Markt gebracht, das | |
für rund 300 Euro zu haben ist - und mit einer App direkt übers iPad | |
gesteuert werden kann. Mit einer Kamera versehen können so Luftaufnahmen | |
von Demonstrationen und Polizeieinsätzen gemacht werden. Damit ist selbst | |
im Polizeikessel der Überblick gewährt. Einziger Nachteil: Nach zwölf | |
Minuten müssen die Batterien ausgewechselt werden. | |
Was hat man davon? Mit Sicherheit verunsicherte Polizeibeamte. Vermutlich | |
aber auch verunsicherte Mitdemonstranten. Im schwarzen Block sollte man die | |
Drohne besser nicht benutzen. Und wenn, dann das iPad gut verstecken. | |
Abgesehen davon eine durchaus effektive Gegenwehr. | |
3 Feb 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.tinyurl.com/demokarte | |
[2] http://tinyurl.com/simtrace | |
[3] http://www.datenschmutz.de/ | |
## AUTOREN | |
S. Heiser | |
M. Kaul | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Bewegungsprofile | |
Protest | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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