# taz.de -- Pirat zur Funkzellen-Affäre: "Das Problem wird bagatellisiert" | |
> Abgeordnete wissen nicht, wie gefährlich Datensammeln ist, sagt Pirat | |
> Christopher Lauer. Dabei müssten sie nur auf die Vorschläge seiner Partei | |
> hören. | |
Bild: "Anscheinend muss die Hütte erst richtig brennen", sagt MdA Christopher … | |
taz: Herr Lauer, allein der Staatsschutz hat 4,2 Millionen | |
Handyverbindungsdaten gesammelt. Wie lautet Ihr Fazit nach einer Woche | |
parlamentarischer Diskussion? | |
Christopher Lauer: Mein Eindruck ist: Man hört uns einfach nicht richtig | |
zu. Die Piratenfraktion hat relativ leicht umsetzbare Vorschläge gemacht, | |
wie man das Problem lösen kann. Die nichtindividualisierte | |
Funkzellenabfrage wird ja auch von Datenschützern massiv kritisiert. | |
Wie lauten die Vorschläge? | |
Justizsenator Heilmann könnte mittels einer Direktive an den | |
Generalstaatsanwalt so auf die Ermittlungsbehörden einwirken, dass die | |
nichtindividualisierte Funkzellenabfrage nicht mehr im Verbindung mit | |
Autobrandstiftungen angewendet wird. Das Zweite wäre, die Betroffenen | |
dieser Maßnahme zu benachrichtigten, so wie es die Strafprozessordnung | |
vorschreibt. Wir haben vorgeschlagen, dass die Polizei den Betroffenen eine | |
SMS schickt. Das wäre auch kein weiterer Eingriff in die Grundrechte, da | |
die Telefonnummern der Betroffenen von der Polizei ohnehin abgespeichert | |
worden sind. Nichts von alledem ist geschehen. | |
Wie erklären Sie sich diese Ignoranz? | |
Das Problem wird bagatellisiert, dazu kommt eine gewisse | |
Verantwortungsdiffusion. Die Polizei sagt: Wir haben das doch bei der | |
Staatsanwaltschaft beantragt. Die Staatsanwaltschaft sagt: Der | |
Ermittlungsrichter hat es abgesegnet. Innensenator Henkel sagt: Ist doch | |
alles durch die STPO geregelt. | |
Was halten Sie solchen Argumenten entgegen? | |
Wir sagen: Das ist einfach nicht verhältnismäßig. In dem Moment, wo ich | |
diese nichtindividualisierten Funkzellenabfragen mache, sammele ich Daten | |
von naturgemäß unschuldigen Menschen. Das hatten wir zuletzt bei der | |
Rasterfahndung. Hier ist es genauso. Man legt ein Raster - also diese | |
Funkzellen -, und dann guckt man, wer war wie oft in diesen Funkzellen. Und | |
dann hat man da eine Metrik. Das Absurde ist: In den vier Jahren, in denen | |
der Staatsschutz die 4,2 Millionen Verbindungsdaten gesammelt hat, gab es | |
keinen einzigen Ermittlungserfolg. Aber SPD und CDU halten weiter daran | |
fest. Das ist grotesk. | |
Hat die Bevölkerung eigentlich kapiert, um was es geht? | |
Ich bin gerade in der U-Bahn darauf angesprochen worden. Stichwort: | |
Überwachungsstaat. Das Problembewusstsein ist schon da. Aber vielleicht | |
braucht es noch einen größeren Skandal. Anscheinend muss die Hütte erst | |
richtig brennen, bevor die politisch Verantwortlichen was tun. | |
1,7 Millionen Datensätze wurden bisher nicht gelöscht. Die amtierende | |
Polizeipräsidentin konnte Ihnen im Innenausschuss keine Auskunft über den | |
Löschvorgang geben. Was wäre der worst case? | |
Ein denkbarer Daten-GAU wäre, dass die Polizei die Daten auf ihren | |
Desktop-PCs - irgendwelchen Windows-Rechnern - gespeichert hat. Diese | |
Rechner sind nicht besonders gesichert. Vorstellbar wäre, dass die Dateien, | |
wenn man sie nicht mehr braucht, einfach in den Papierkorb geschoben | |
werden. Das wiederum würde bedeuten, dass sie auf der Festplatte relativ | |
einfach wiederherstellbar wären. Wenn diese Computer der Polizei nicht mehr | |
gebraucht werden und auf dem Sperrmüll landen, könnten die Festplatten ganz | |
einfach ausgelesen werden. | |
Wie reagieren die Abgeordneten der großen Koalition auf solche Bedenken? | |
SPD und CDU werfen uns durch die Bank Arroganz vor. Uns könne man gar nicht | |
zuhören, heißt es. Auch bei der Diskussion um den Staatstrojaner, den | |
Henkel einsetzen möchte, war das am Donnerstag so. Das Problem ist, diese | |
Abgeordneten haben gar keine Ahnung vom Missbrauchspotenzial einmal | |
gesammelter Daten. | |
Haben Sie sich den Politikbetrieb so vorgestellt? | |
Ich habe es befürchtet. Mit guten Argumenten gewinnt man als Opposition in | |
diesem Haus leider tatsächlich keinen Blumentopf. Das geht wirklich nur | |
über Öffentlichkeit. Wir müssen schauen, dass die Berlinerinnen und | |
Berliner sich weiterhin dafür interessieren, was mit ihren Daten passiert. | |
30 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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