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# taz.de -- Linke über Funkzellenabfrage in Berlin: "Wir wussten von nichts"
> In Berlin wurde die Linkspartei von ihrem Koalitionspartner SPD nie über
> die massenhafte Abfrage von Handydaten informiert. Das sagt
> Linken-Fraktionschef Udo Wolf.
Bild: "Datenschutzrechtlich hoch problematisch", meint Udo Wolf.
taz: Herr Wolf, Sie gaben sich am Montag sehr überrascht, als die Polizei
bekannt gab, mehr als 4 Millionen Handydaten gesammelt zu haben, um
Autobrandstifter zu fassen. Hätten Sie sich vor einem Jahr auch so
aufgeregt, als Sie noch Teil der Regierung waren?
Udo Wolf: Selbstverständlich. Seien Sie sicher: Hätten wir davon gewusst,
wären wir auf die Barrikaden gegangen.
Sie haben nichts von den mehr als 400 Funkzellenabfragen seit 2008
mitbekommen?
Nein, haben wir nicht. Wir hatten auch keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil:
In beiden rot-roten Koalitionsverträgen war festgelegt, dass dem Bürger
nicht nur Schutz vor Straftaten, sondern auch vor dem Staat zusteht. Aus
diesem Grund haben wir auch mit den Sozialdemokraten die Rasterfahndung für
Berlin de facto abgeschafft. Es schien uns klar, dass Rot-Rot solche
datenschutzrechtlich hoch problematischen Ermittlungsmethoden wie die
Funkzellenabfragen politisch ablehnt.
Die Autobrände waren Dauerthema. Hätten Sie nicht kritischer nachfragen
müssen, als es um die Ermittlungen ging?
Aus heutiger Sicht kann man uns vorwerfen, wir hätten genauer hingucken
müssen. Andererseits haben wir immer, wenn wir problematische
Polizeimaßnahmen gesehen haben etwa auf Demonstrationen, in der Koalition
oder im Innenausschuss nachgehakt. Auch zu den Funkzellen hatten wir am 7.
November, aufgerüttelt durch die riesigen Abfragen in Dresden, eine Kleine
Anfrage an den Senat gestellt. Bis heute ohne Antwort.
Sie wurden nie von der Polizei informiert?
Nein.
Auch nicht vom Ex-Innensenator Ehrhart Körting (SPD)?
Nein. Ich weiß aber auch nicht, ob und wie die Polizei diese Maßnahme
überhaupt mit der politischen Führung besprochen hat.
Ist CDU-Innensenator Frank Henkel fein raus, weil er damals noch nicht im
Amt war?
Nein, warum? Henkel hat dieses Amt gern übernommen, jetzt muss er klären,
ob er die Funkzellenabfragen der ihm unterstellten Polizei politisch
richtig oder falsch findet. Unsere Position ist: Dieses Instrument ist ein
schwerer Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung eines Menschen.
Noch dazu wurde im Ergebnis kein einziger Verdächtiger ermittelt.
Was ist die Konsequenz?
Der Senat muss die Bundesratsinitiative Sachsens zur Eingrenzung der
Funkzellenabfragen unterstützen. Bisher ist es ja offensichtlich so, dass
die Ermittler in dieser Stadt zu jeder Tag- und Nachtzeit einen Richter
finden, der die Funkzellenabfragen ohne Umschweife unterschreibt. Das muss
auf Bundesebene gesetzlich strikter gehandhabt werden.
Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Rot-Schwarz da mitzieht?
Nun ja, eEs überrascht mich schon, wie gelassen gerade die SPD das Thema
nimmt. Klar ist: Der Senat sollte jetzt dafür sorgen, dass die Polizei die
ausufernden Funkzellenabfragen erstens nicht mehr anwendet und zweitens
diejenigen, über die Daten gesammelt wurden, benachrichtigt. Es muss mit
der Polizei und ihrer Präsidentin diskutiert werden, ob jedes Mittel, das
rechtlich möglich ist, auch zur Anwendung kommen muss. Ich sehe da eine
bedenkliche Entwicklung.
Und zwar?
Die Polizei betreibt relativ großen Aufwand, wenn es um Ermittlungen gegen
Linksextreme im weitesten Sinn geht. Dabei tut sich auf der rechtsextremen
Seite ein Skandal nach dem anderen auf, weil da nichts getan wird oder
Strukturen durch V-Leute noch gestützt werden. Die Polizei muss klären, wie
sie ihre Schwerpunkte setzt.
Braucht es nun einen Untersuchungsausschuss?
Wir haben ja gerade erst angefangen, darüber zu diskutieren. Aber wenn in
diesem Fall die weitere Aufklärung ausbleiben sollte, werden wir uns alle
parlamentarischen Wege offenhalten.
24 Jan 2012
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Überwachung
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