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# taz.de -- Minderjährige Asylbewerber in der EU: Deutschland blockiert besser…
> Die Bundesregierung verweigert minderjährigen Asylbewerbern grundlegende
> Schutzrechte. So sollen Jugendliche über 16 Jahre keinen Rechtsbeistand
> bekommen.
Bild: Allein in Deutschland beantragten 2010 rund 1.300 minderjährige Flüchtl…
BRÜSSEL taz | Die deutsche Bundesregierung blockiert gemeinsam mit einigen
anderen EU-Mitgliedstaaten Regeln für einen besseren Schutz von
minderjährigen Flüchtlingen in der Europäischen Union. Das geht aus der
Antwort auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke
hervor, die der taz vorliegt.
In der Anfrage geht es um die Verhandlungsposition Deutschlands zu den
neuen EU-Asylrechtsregeln, die zurzeit in Brüssel verhandelt werden. Die
EU-Kommission hat unter anderem vorgeschlagen, jedem unbegleiteten
minderjährigen Flüchtling einen Rechtsbeistand zuzuteilen, der einzig das
Wohl des Kindes zu berücksichtigen hat.
In der Antwort an die Abgeordnete Jelpke heißt es dazu: "Ferner tritt die
Bundesregierung dafür ein (…), es den Mitgliedsstaaten weiterhin zu
ermöglichen, von der Bestellung eines Vertreters abzusehen, wenn der
unbegleitete Minderjährige 16 Jahre alt oder älter und in der Lage ist,
sein Asylverfahren ohne einen Vertreter weiter zu betreiben."
Menschenrechtsorganisationen und EU-Abgeordnete halten diese Ablehnung für
unverantwortlich: "Solch ein Vormund wäre sehr vernünftig. Ein 16-Jähriger,
der noch nicht einmal Deutsch spricht, kann seine Interessen kaum
überzeugend verteidigen", sagt Torsten Moritz von der Kommission der
Kirchen für Migranten in Europa.
## Allzu oft wie Erwachsene behandelt
Die Bundesregierung fürchte, so die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel,
den höheren Aufwand, längere Verfahren und höhere Kosten: "Es ist peinlich,
dass Deutschland jede Maßnahme zum besseren Schutz von Flüchtlingskindern
ablehnt", sagt Sippel.
Auch Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte übte kürzlich
im Familienausschuss des Bundestages scharfe Kritik an Deutschland und
forderte Nachbesserungen im Asylsystem. Nach der UN-Konvention für
Kinderrechte seien alle Menschen bis zum Erreichen der Volljährigkeit als
Kinder anzusehen, auch 16- bis 17-jährige Jugendliche. Doch gerade diese
würden von deutschen Behörden allzu oft wie Erwachsene behandelt.
Cremer hält es außerdem für unverantwortlich, die Kinder in
Sammelunterkünften unterzubringen. Gemäß der UN-Konvention müssten sie
prinzipiell in einer Pflegefamilie oder einer anderen kindgemäßen
Unterkunft einen Platz bekommen.
Aber davon will die deutsche Bundesregierung offenbar nichts wissen. Im
Gegenteil: In Brüssel hält Deutschland – auch das geht aus der Antwort an
Ulla Jelpke hervor – außerdem daran fest, dass Minderjährige ebenso wie
Erwachsene in beschleunigten Asylverfahren etwa direkt am Flughafen in ihr
Land abgeschoben werden dürfen. Genauso will Berlin die Regel beibehalten,
dass auch Minderjährige in Haft genommen werden können. 2010 haben in
Deutschland rund 1.300 minderjährige Flüchtlinge Asyl beantragt.
## Schwierige Verhandlungen
Die Diskussionen zum EU-einheitlichen Asylsystem laufen in Brüssel schon
seit Mai 2010. Eigentlich hatten sich die Mitgliedsstaaten dazu
verpflichtet, sich bis spätestens Ende 2012 auf gemeinsame Regeln zu
einigen.
Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström ist zwar noch optimistisch,
dass eine Einigung erzielt werden kann. Allerdings räumt auch sie ein, dass
es "sehr schwierig" werden wird. Deutschland stehe - nach Angaben der
EU-Kommission - mit seiner ablehnenden Haltung nicht alleine da. Auch
andere Länder wie zum Beispiel Frankreich sind skeptisch.
Nach Aussagen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für
Flüchtlingsfragen (UNHCR) waren innerhalb der EU, Norwegen und der Schweiz
im Jahre 2009 rund 15.000 unbegleitete minderjährige Asylbewerber gelandet.
Die meisten von ihnen waren Jungen im Alter von 14 Jahren oder darüber und
kamen aus Afghanistan, Somalia, Angola, der Demokratischen Republik Kongo,
Eritrea und Irak.
14 Feb 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
## TAGS
Asylverfahren
Minderjährige Geflüchtete
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