# taz.de -- Verbände fordern mehr Recht für Flüchtlinge: Unwürdiger Asyl-To… | |
> Wer innerhalb Europas abgeschoben wird, konnte sich bislang kaum vor | |
> Gericht wehren. Verbände fordern, dies zu ändern und machen konkrete | |
> Vorschläge. | |
Bild: Das Asylrecht hat Grenzen. Es muss dringend reformiert werden. | |
BERLIN taz | Es betrifft jedes Jahr Tausende Flüchtlinge in Europa: Sie | |
werden innerhalb der EU abgeschoben in das Schengen-Land, dass sie zuerst | |
betreten haben. Dagegen wehren können sie sich meist nicht: Eine | |
"Eilrechtsausschluss" genannte Sonderklausel macht es fast unmöglich, diese | |
Rückschiebungen vorher gerichtlich prüfen zu lassen. Dieser staatlich | |
erzwungene Asyl-Tourismus ist die Folge der sogenannten | |
Dublin-II-Verordnung. | |
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bringt die umstrittene | |
Regelung, die die Länder an den EU-Außengrenzen stark belastet, unter | |
Druck. Zum wiederholten Mal hatte der EuGH im Dezember eine Abschiebung | |
nach Griechenland gestoppt, wo das Asylsystem vollkommen kollabiert ist. | |
Die Richter erklärten dabei die bisherige Praxis der Dublin-Abschiebungen | |
in Teilen für grundrechtswidrig. Vor allem monierten sie, dass es bisher | |
nur sehr schwer möglich war, per Eilantrag überprüfen zu lassen, ob das | |
neue Aufnahmeland sicher ist. | |
Dies ist keine juristische Spitzfindigkeit: Für die meisten Flüchtlinge ist | |
es faktisch ausgeschlossen, nach einer Abschiebung ein Rückkehrrecht | |
einzuklagen. Dies glückt nur in seltenen Fällen mit Unterstützung großer | |
NGOs. | |
## Grundrechtskonformes EU-Asylrecht | |
Erst vor wenigen Tagen ist eine Gruppe syrischer Deserteure aus München | |
nach Ungarn abgeschoben worden. Das Land hat eine unklare Haltung in Bezug | |
auf Abschiebungen nach Syrien - es gilt als fraglich, ob die Deserteure | |
dort sicher sind. Anfang März tritt nun der Rat für Justiz und Inneres der | |
EU das nächste Mal zusammen. | |
Dabei wird auch über die Dublin-II-Verordnung verhandelt. Eine Reihe von | |
Verbänden hat sich per Brief an Bundesjustizministerin Sabine | |
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gewandt: Sie soll dafür sorgen, dass das | |
EU-Asylrecht künftig grundrechtskonform ausfällt. | |
"Es muss sichergestellt werden, dass Asylsuchende Gründe, die gegen eine | |
Abschiebung sprechen, effektiv geltend machen können", heißt es in dem | |
Brief, den etwa der Vorstand der Neuen Richtervereinigung, der | |
Arbeiterwohlfahrt, des Deutschen Roten Kreuzes und des Deutschen | |
Anwaltsvereins unterschrieben haben. | |
## Reform der Dublin-Verordnung | |
Sie fordern, das EuGH-Urteil zum Anlass für eine Reform der | |
Dublin-Verordnung, weiterer EU-Richtlinien und des nationalen Asylrechts zu | |
nehmen. Der Frankfurter Jurist Reinhard Marx hat für die Verbände ein | |
Rechtsgutachten verfasst - und fordert unter anderem eine Streichung des | |
"Eilrechtsausschlusses". | |
"Die gegenwärtige Praxis bei Dublin-Überstellungen ist eine Verhöhnung | |
rechtsstaatlicher Prinzipien und eine Missachtung des Europäischen | |
Gerichtshofs", sagt die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. Die | |
Justizministerin müsse zeigen, dass die EU-Grundrechtecharta auch im Umgang | |
mit Flüchtlingen ernst genommen wird. | |
Allein 2011 hat die Bundesrepublik über 9.000 Übernahmeersuche an andere | |
EU-Staaten gestellt. 1.000 davon betrafen Afghanen, 700 Somalis, 540 Iraker | |
und 411 Syrer. Die Asylbewerber werden dabei in das Land zurückgeschickt, | |
über das sie gekommen sind. So versuchte Deutschland rund jeden vierten neu | |
angekommenen Flüchtling loszuwerden, ohne vorher seine Lage zu prüfen. | |
19 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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