# taz.de -- Flüchtlingskind in Mecklenburg-Vorpommern: Mariam kann auf eine Wo… | |
> Die achtjährige Mariam muss in einem Flüchtlingsheim leben, obwohl sie | |
> krank ist. Die Regierung in Mecklenburg-Vorpommern will ihr nun eine | |
> Wohnung organisieren. | |
Bild: Mutter und Tochter hätten längst außerhalb des Heims untergebracht wer… | |
HAMBURG taz | Das CDU-regierte Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns | |
will doch im Fall Mariam Blal tätig werden. Die taz hatte [1][am 11. | |
Februar berichtet], dass das kranke achtjährige Mädchen seit der Geburt im | |
Flüchtlingsheim lebt – obwohl nach Gesetzeslage auch eine Unterbringung in | |
einer Wohnung möglich wäre. | |
Man sei dabei, den Fall eingehend zu prüfen. "Da muss was passieren, aber | |
schnellstens", sagte Roland Vogler-Wander, stellvertretender | |
Ministeriumssprecher, nach mehrfacher Nachfrage schließlich der taz. "Wir | |
werden für sie eine Wohnung suchen, ganz einfach." | |
Mariam lebt mit ihrer algerischen Mutter Sara in einem 18 Quadratmeter | |
großen Zimmer im Flüchtlingslager in Parchim, Küche und Bad teilen sie sich | |
mit anderen Bewohnern. Vor zwei Jahren wurde dem Mädchen eine Epilepsie | |
diagnostiziert. Der zuständigen Parchimer Ausländerbehörde liegen zwei | |
ärztliche Gutachten mit der Bitte um eine dezentrale Unterbringung vor. | |
Die Behörde weigerte sich bisher, Mutter und Tochter in einer Wohnung | |
unterzubringen. Denn die Mutter sei 2002 straffällig geworden, als sie sich | |
falsche Ausweispapiere besorgt habe. 2001 wurde der Asylantrag der Mutter | |
abgelehnt, seitdem werden sie und ihre Tochter geduldet. | |
"Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes | |
vorrangig zu berücksichtigen" steht in der UN-Kinderrechtskonvention. Die | |
schwarz-gelbe Bundesregierung hatte 2010 die Konvention auch beim | |
Ausländerrecht akzeptiert. Seither muss auch das Wohl von | |
Flüchtlingskindern eigentlich vor allem anderen berücksichtigt werden. | |
"Mariam kann nichts für die Fehler ihrer Mutter", sagte Ulrike Seemann-Katz | |
vom mecklenburgischen Flüchtlingsrat. "Straftaten sind von Belang. Aber das | |
Wohl des Kindes ist vorrangig." Mutter und Tochter hätten längst dezentral | |
untergebracht werden müssen. "Das fordern wir weiterhin." Im Bundesland | |
gebe es viele leere Wohnungen, so Seemann-Katz. | |
## "Dutzendfacher Verstoß" | |
Die rechtliche Grundlage für den Umgang mit Asylbewerbern und Geduldeten | |
bildet in Mecklenburg-Vorpommern das Flüchtlingsaufnahmegesetz von 1994. Es | |
schreibt grundsätzlich die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor. | |
Ausnahmen kann es aus "medizinischen Gründen" geben, besagt ein Erlass von | |
1997. | |
In ihrem letzten Gutachten vom Dezember 2010 hatte Mariams Ärztin gebeten, | |
"die Wohnsituation der Patientin kritisch zu überdenken und sie dauerhaft | |
in einer passenderen Wohnung unterzubringen". Denn im Heim sei es bis weit | |
in die Nacht hinein laut, ein Schlafdefizit aber erhöhe das Risiko | |
epileptischer Anfälle. Mariam Blal wirke chronisch übermüdet und erschöpft. | |
Heiko Kauffmann von Pro Asyl spricht sogar von einem "dutzendfachen | |
Verstoß" gegen die Kinderrechtskonvention. Das Recht auf Gleichbehandlung | |
sowie auf Gesundheit und Privatsphäre seien bei Mariam nicht eingehalten | |
worden. "Wenn die Bundesregierung es ernst meint mit der Konvention, muss | |
sie sie im Grundgesetz verankern", sagte Kauffmann. Nur so gebe es eine | |
Chance, die zuständigen Ämter zum Umdenken zu bewegen. | |
"Ja, vielleicht hat in diesem Fall die Ausländerbehörde ihren | |
Ermessensspielraum falsch ausgelegt", sagt jetzt auch Vogler-Wander. Der | |
zuständige Landkreis sei jetzt zu einer unverzüglichen Stellungnahme | |
aufgefordert worden. "Konsequenzen muss der Leiter der Ausländerbehörde | |
aber nicht befürchten", sagte Vogler-Wander. | |
Grüne und Linkspartei haben nun die schwarz-rote Landesregierung erneut | |
aufgefordert, das Flüchtlingsaufnahmegesetz zu ändern. Aus dem | |
Innenministerium heißt es jedoch, das Gesetz sei in Ordnung. Es müssten nur | |
alle Ausnahmefälle richtig berücksichtigt werden. "Mariam Blal ist ein | |
trauriger Einzelfall", sagte Vogler-Wander. Die Linksfraktion will das nun | |
genau wissen. Sie hat angekündigt, die Landesregierung zu fragen, wie viele | |
Kinder in Flüchtlingsheimen leben, aber krank sind. | |
15 Feb 2012 | |
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[1] /1/archiv/digitaz/artikel/ | |
## AUTOREN | |
Emilia Smechowski | |
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