# taz.de -- Geschichte eines Flüchtlingskindes: Warum Mariam im Lager lebt | |
> Sie ist acht Jahre alt. Und seit ihrer Geburt hat sie mit ihrer Mutter | |
> nie woanders gelebt als in Flüchtlingsheimen. Warum darf Mariam Blal | |
> nicht in eine Wohnung ziehen? | |
Bild: Mariam in ihrem Wohnzimmer, das auch ihr Esszimmer und ihr Schlafzimmer i… | |
Wenn Mariam Blal morgens aufsteht und aufs Klo will, muss sie dafür ihr | |
Zuhause verlassen. Sie zieht dann rosa Gummischlappen an und schlurft den | |
Hausflur runter. An manchen Stellen liegt kein PVC mehr auf dem Boden, an | |
manchen Stellen läuft sie einfach über Beton. Die Klobrille im | |
Gemeinschaftsbad wischt sie mit feuchten Tüchern ab. | |
Mariams Zuhause liegt in einem Flüchtlingslager in Parchim, | |
Mecklenburg-Vorpommern. 18 Quadratmeter ist das Zimmer groß, das sie sich | |
mit ihrer Mutter teilt. Wie es ist, ein eigenes Kinderzimmer zu haben, ein | |
eigenes Klo und eine eigene Küche, weiß Mariam nicht. Vor acht Jahren wurde | |
sie in Deutschland geboren. Seit acht Jahren wohnt sie im Lager. Seit acht | |
Jahren besitzen sie und ihre Mutter Sara einen Duldungsstatus. | |
Ist es normal, dass ein Mädchen in Deutschland in einem Flüchtlingsheim | |
aufwächst? | |
Ob Flüchtlinge eher im Lager oder in einer Wohnung untergebracht werden, | |
ist bundesweit sehr verschieden: Während in Bayern fast ausschließlich | |
Gemeinschaftsunterkünfte betrieben werden, lässt Rheinland-Pfalz seine | |
Flüchtlinge meist in Sozialwohnungen wohnen. Vorbildlich, sagt Pro Asyl. | |
Mecklenburg-Vorpommern liege eher im Mittelfeld. Grundsätzlich Lager, aber | |
manchmal auch Wohnung. | |
Der Mann, der in Mecklenburg-Vorpommern für die gesetzliche Grundlage für | |
Mariams Zuhause verantwortlich heißt, heißt Dieter Markhoff. Es war 1994, | |
als er für die CDU im Innenausschuss saß und der Schweriner Landtag das so | |
genannte Flüchtlingsaufnahmegesetz beschloss. Es kamen viele in diesen | |
Jahren, allein 1992 beantragten 440.000 Menschen in Deutschland Asyl. Die | |
Politik stand unter Druck. Oder wie es Markhoff formuliert: "Es ist ja, ich | |
sachs mal so, alles gekommen hier und hat Asyl geschrien." Union, SPD und | |
FDP schränkten das Grundrecht auf Asyl ein, die Länder sollten die Details | |
regeln. | |
Heute ist Markhoff aus der Politik raus und sitzt zurückgelehnt im Büro der | |
Anklamer CDU. Aus Kostengründen hätten sie damals die Unterbringung in | |
Heimen beschlossen, sagt er. Und wegen der besseren Kontrolle. | |
Flüchtlingslager findet er nicht schlimm, Hauptsache, die sanitären Anlagen | |
seien in Ordnung. "Die wussten damals ja noch nicht mal, wie eine Spülung | |
funktioniert." | |
Jeden Morgen um exakt 7.30 Uhr nimmt Mariam eine weiße Tablette, die heißt | |
Ospolot, abends nimmt sie wieder eine. Wenn sie sie vergisst, kann es | |
passieren, dass ihr Körper plötzlich verkrampft. Dann regt sie sich nicht | |
mehr. Mariam hat Epilepsie. | |
"Wenn medizinische Gründe eine Unterbringung außerhalb von | |
Gemeinschaftsunterkünften erfordern." So steht es in einem Erlass von 1997, | |
der die Ausnahmen vom Grundsatz der zentralen Unterbringung festhält. Im | |
Fall Mariam Blal liegen schon zwei ärztliche Gutachten im Ordner der | |
Ausländerbehörde. | |
Warum sie bisher trotzdem nicht aus dem Lager ausziehen durfte, wie sie | |
sich als Flüchtlingskind in der Schule schlägt und was der Leiter der | |
Ausländerbehörde, der über ihre Unterkunft entscheidet, zu ihrem Fall sagt, | |
lesen Sie in der Ganzen Geschichte "Das Wartezimmer" in der [1][aktuellen | |
sonntaz]. | |
11 Feb 2012 | |
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## AUTOREN | |
Emilia Smechowski | |
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