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# taz.de -- Minderjährige Flüchtlinge im Hungerstreik: "Niemand ist für uns …
> In einem Münchner Asylbewerberheim sind minderjährige afghanische
> Flüchtlinge in Hungerstreik getreten. Sie fordern Deutschkurse und
> Ausbildungsplätze.
Bild: Die jungen Asysuchenden sind im Heim von der Gesellschaft abgeschnitten.
MÜNCHEN taz | Nabi ist im Hungerstreik. Seit mittlerweile zehn Tagen hat
der 16-jährige Afghane keine Nahrung mehr zu sich genommen. "Ich bin sehr
schwach, aber ich trinke viel Wasser", sagt er mit brüchiger Stimme. "Ich
bin okay."
Der junge Flüchtling gehört zum Volksstamm der Hazara, einer afghanischen
Minderheit, deren Angehörige in ihrem Heimatland besonders unter Verfolgung
und Unterdrückung zu leiden haben. Obwohl noch minderjährig, hat sich Nabi
vor anderthalb Jahren allein auf den Weg nach Europa gemacht. Knapp neun
Monate dauerte die von Schlepperbanden organisierte Odyssee.
Seit er Deutschland erreicht hat, lebt Nabi - zusammen mit rund 130
weiteren minderjährigen Flüchtlingen, die zum Großteil aus Afghanistan
stammen - in einer Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände der
stillgelegten Bayernkaserne im Münchner Norden. Doch das Leben, das er dort
führt, sei kein normales, sagt Nabi.
## In einer Kaserne isoliert
Etwa sechzig afghanische Jungen haben sich in der vergangenen Woche seinem
Protest angeschlossen. Einige von ihnen traten sogar in einen Durststreik,
sie wurden am Mittwoch vorsorglich ins Krankenhaus eingewiesen. Ein Teil
konnte am Donnerstagabend wieder entlassen werden. Sie fordern, dass jeder
von ihnen einen Deutschkurs besuchen und anschließend auf die Berufsschule
gehen darf. Doch die Plätze sind begrenzt.
"Die Jugendlichen leben in der Kaserne völlig isoliert", kritisiert Monika
Steinhauser vom Münchner Flüchtlingsrat. "Sie haben kaum Kontakt zur
Gesellschaft und können ihr Deutsch so nur schwer verbessern." Ruhe zum
Lernen gäbe es in der beengten Kaserne ebenfalls kaum. Eine kindgerechte
Betreuung sei nicht gewährleistet.
"Niemand ist für uns verantwortlich, niemand hört uns", klagt Nabi. Derzeit
kümmern sich dreizehn Sozialpädagogen der Inneren Mission, zum Teil auf
Halbtagsstellen, um die Jugendlichen. "Das reicht hinten und vorne nicht",
so die Sprecherin des Flüchtlingsrats. "Die wenigen Mitarbeiter haben nicht
einmal Zeit, Hilfsangebote, die von außen an die Einrichtung herangetragen
werden, zu organisieren." Zudem seien viele der Jugendlichen traumatisiert.
"Die Unterbringung in der ehemaligen Kaserne verstärkt die Lage noch", so
Steinhauser.
## Gespräch mit Verantwortlichen anberaumt
Der Flüchtlingsrat fordert deshalb, dass alle minderjährigen Flüchtlinge
sofort in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden, statt wie
bisher in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu landen. Derzeit geschieht das
nur bei den unter 16-Jährigen. Doch obwohl die Stadt München erst kürzlich
neue Plätze bewilligt hat, kann der Bedarf nicht gedeckt werden.
Die Regierung von Oberbayern, der die Bayernkaserne untersteht und die der
Stadt die Kosten für die Jugendhilfeplätze erstatten muss, räumt
Handlungsbedarf ein. "Wir sind kontinuierlich dabei, die Lage in der
Bayernkaserne zu verbessern", sagt Sprecher Heinrich Schuster. Für Montag
sei ein Gespräch zwischen den hungerstreikenden Jugendlichen und den
verantwortlichen Stellen anberaumt. Doch das Problem ist seit Langem
bekannt.
13 Jan 2012
## AUTOREN
Marlene Halser
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