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# taz.de -- Bildung nicht für alle: Kein Platz für Flüchtlingskinder
> Kinder von Flüchtlingen gehen in mehreren Bezirken nicht zur Schule, weil
> Schulärzte, Räume und Lehrer fehlen. Bezirke und Land streiten um
> Zuständigkeit.
Bild: Flüchtlingskinder bekommen in vielen Kitas keinen Platz
Die Eröffnung der neuen Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in der
Lichtenberger Rhinstraße im Februar droht zu einem Fehlstart zu werden. "In
den Schulen unseres Bezirkes stehen derzeit keine freien Plätze für
schulpflichtige Kinder bereit, die dort einziehen werden", sagt
Bezirksamtssprecher Gerrit Deutschmann der taz. Da Lichtenberg erst im
Dezember durch taz-Recherchen vom Umzug der Erstaufnahmestelle erfuhr, habe
sich der Bezirk auch nicht auf die Situation vorbereiten können, so
Deutschmann weiter.
Bereits jetzt gehen nach Bezirksamtsangaben rund 30 Asylbewerberkinder in
Lichtenberg nicht zur Schule, weil Räume oder Lehrer fehlen. Weitere 52
Kinder stehen noch nicht einmal auf einer Warteliste, Sie müssen zuerst vom
Schularzt untersucht wurden. Das ist gerade bei Kindern, die aus
Krisengebieten kommen, vor einer Einschulung unentbehrlich. Lichtenbergs
Gesundheitsstadträtin Christina Emmrich (Linke) weist auf eine "sehr
angespannte Personalsituation" beim Gesundheitsdienst hin.
Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD) erklärt die Beschulung von
Asylbewerberkindern zu einem "Gesamtberliner Problem, bei dem wir Hilfe vom
Land brauchen". Seine Forderung: Entweder müssten die Kinder mit Bussen in
andere Bezirke gefahren werden, in denen es freie Räume gäbe oder aber sie
müssten in Asylheimen separat unterrichtet werden.
Doch auf diese Hilfe kann Geisel kaum hoffen. Laut Beate Stoffers,
Sprecherin von Schulsenatorin Sandra Scheres (SPD), sind die Bezirke für
die Bereitstellung von Räumen zuständig. Ob Lichtenberg in Zukunft
zusätzliche Lehrerstellen brauche, "das warten wir doch erst einmal ab", so
Stoffers. Ihren Angaben zufolge ist die Zahl der Schüler ohne
Deutschkenntnisse am höchsten in Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Mitte.
Es beträfe neben Flüchtlingen vor allem Roma aus Osteuropa. "Hingegen ist
die Zahl der zusätzlichen Schüler, die Spandau durch die Zentrale
Erstaufnahmestelle für Asylbewerber hatte, relativ klein."
Probleme gibt es allerdings auch in Neukölln: Laut Bezirksstadträtin
Franziska Giffey (SPD) gibt es dort momentan vier Kleinklassen, die voll
besetzt sind. "Wir haben die akute Problematik, dass Kinder in Regelklassen
müssen, obwohl sie kein Deutsch können", sagt sie. Das Personal sei zwar
aufgestockt worden, reiche aber bei weitem nicht aus.
Das Thema fehlende Schulplätze für Asylbewerberkinder steht nun im Januar
auf der Tagesordnung des Rates der Bürgermeister, weil mehrere Bezirke
Hilfe brauchen. Laut Chahrour vom Flüchtlingsrat ist das auch in
Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau, Reinickendorf und
Mitte der Fall. Das liege in einigen Fällen an fehlenden Kapazitäten der
Schulärzte, in anderen an fehlenden Schulplätzen. Die Bezirke würden so
tun, als sei die Aufnahme von Asylbewerberkindern in Schulen eine
zusätzliche Aufgabe, der sie sich annehmen könnten oder auch nicht. "Es ist
aber ihre Pflichtaufgabe."
So weiß der Flüchtlingsratssprecher etwa von Mädchen aus Afghanistan, die
mit ihren Eltern geflohen seien, weil sie dort nicht zur Schule gehen
dürften. "Jetzt dürfen sie in Berlin auch nicht die Schule besuchen mit der
absurden Begründung, es fehlen Räume und Lehrer. Das ist eine Schande für
die Stadt." Die Unterrichtung von Asylbewerberkindern in den Heimen lehnt
der Flüchtlingsrat vehement ab. "Abgesehen davon, dass auch dort die Räume
knapp sind, dient das nicht der sozialen und sprachlichen Integration, es
zementiert vielmehr die Abschottung und vermittelt diesen Kindern, sie
würden nicht in unsere Gesellschaft gehören."
Der grüne Bildungspolitiker Özcan Mutlu fordert Land und Bezirke auf, "das
Gerangel um angeblich ungeklärte Zuständigkeiten sofort zu beenden und
stattdessen ihrer gesetzlichen Pflicht nachzukommen, jedem Kind einen
Schulplatz anzubieten." Dazu müsse das Land Lehrer einstellen und die
Bezirke wohnortnah Räume bereitstellen. "Wer Schülerinnen und Schüler im
Grundschulalter mit Bussen in einen anderen Bezirk zur Schule karren will,
holt sich viele neue Probleme an den Hals."
28 Dec 2011
## AUTOREN
Marina Mai
Julia Kohl
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