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# taz.de -- Japan ein Jahr nach Fukushima: Atomkraft, so sicher wie nie
> Verabschiedet sich Japan von der Atomenergie? Ein Jahr nach der großen
> Reaktorkatastrophe gibt es viele, die das fordern. Bis zum Ausstieg ist
> es ein weiter Weg.
Bild: Atommülllager in der Anlage Rokkasho Town.
TOKIO taz | Das Institut für Nachhaltige Energiewirtschaft (Isep) besitzt
nicht einmal ein Klingelschild. Und das sagt einiges über alternative
Energiekonzepte in Japan aus. Eine solche versuchen die gerade mal acht
Mitarbeiter in dem unscheinbaren vierstöckigen Gebäude in einer
Seitenstraße des Tokioter Stadteils Nakano zu formulieren.
Es wäre möglich, sofort aus der Atomkraft auszusteigen, sagen die
Wissenschaftler. Das traut sich sonst kaum eine wissenschaftliche
Institution in dem Land. Das im Jahr 2000 gegründete Isep kann es sich
erlauben. Es wird über Spenden finanziert, ist also komplett unabhängig von
Japans mächtiger Atomindustrie. „Seit Fukushima bekommen wir häufiger
Anfragen nach Alternativen zur Atompolitik“, erzählt Doktorand Shota
Furuya. Sogar einzelne Parlamentarier der regierenden Demokratischen Partei
seien darunter.
Trotzdem, sagt er, ist es ein langer Weg zu einem Atomausstieg. Das Isep
projektiert Wind- oder Solarparks in ländlichen Regionen, sie wollen eine
allmähliche Veränderung von unten. „Ich hoffe, die Menschen werden die
Erfolgsgeschichten sehen“, sagt Furuya. Und ergänzt: Im April werden es
alle Japaner sehen, dass es ohne Atomkraft geht.
Dann nämlich werden die 54 Atomreaktoren des Landes komplett vom Netz sein,
weil sie einem Stresstest unterzogen werden. Es handelt sich um eine
Computersimulation. Die Betreiber führen sie selbst durch und übermitteln
die Ergebnisse an die Atomenergiebehörde und die
Nuklearsicherheitskommission. Ein zweiter Test sollte auch Inspektionen vor
Ort ermöglichen – doch die Atomenergiebehörde, traditonell eng verbandelt
mit der Atomindustrie, will bereits vorher erste AKWs wieder ans Netz gehen
lassen.
## Vorbild Deutschland
Jahrelang warnten japanische Energieversorger: Ohne Atomkraft geht es
nicht. Offenbar geht es aber doch. Es gibt Gründe dafür. Zum einen haben
die Energieversorger fossile Kraftwerke erweitert, zum anderen hat Japan
wesentlich mehr Kraftwerke, als es braucht. Das liegt daran, dass es in
Japan de facto keine Konkurrenz im Energiesektor gibt – ähnlich wie in
Deutschland bis Ende der 90er Jahre beliefern verschiedene Unternehmen
jeweils einen Landesteil mit Strom.
Investitionskosten dürfen sie nach eigenen Kalkulationen an die Stromkunden
weitergeben – die Folge ist eine Überkapazität an Kraftwerken. Wie viel es
wirklich gibt – das wissen nur die Konzerne selbst: Sie rücken die genauen
Verbrauchs- und Lastkurven nicht an unabhängige Institutionen wie das Isep
heraus.
Über den genauen künftigen Energiemix in Japan berät derzeit eine
Regierungskommission. Fest steht: Erneuerbare Energien sollen mit einem
Einspeisetarif nach deutschem Vorbild gefördert werden. Zudem soll Energie
effizienter genutzt werden – das war allerdings auch vor Fukushima so. Auch
wird die Regierung kaum an ihrem alten Plan festhalten, bis 2030 14 neue
AKWs zu errichten.
Zudem gibt es mittlerweile Bewegung im Privatsektor. Japan war vor wenigen
Jahren noch Vorreiter in der Solarindustrie, hat allerdings den Anschluss
an China verloren. Unternehmen wie Mitsubishi Electric oder Toshiba
unterhalten aber weiterhin eigene Solarsparten. Und mit Masayoshi Son
drängt Japans reichster Mann ins Geschäft. Der Milliardär ist mit seiner
Firma Softbank im Mobilfunkgeschäft reich geworden.
Die Regierung aber setzt weiter auf Atomkraft, vor allem im Export:
Premierminister Yoshihiko Noda setzte sich für den Export von Reaktoren
nach Jordanien, Vietnam, Südkorea und Russland ein. Begründung: Man habe
aus Fukushima gelernt – jetzt sei japanische Atomkraft noch sicherer.
9 Mar 2012
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Südkorea
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