# taz.de -- Besuch in Japans Atomaufsichtsbehörde: „Die neuen Kraftwerke sin… | |
> Während der Katastrophe von Fukushima fiel die japanische | |
> Atomaufsichtsbehörde durch ihre seltsamen Entwarnungen auf. Ein kurzer, | |
> absurder Besuch ein Jahr später. | |
Bild: Fukushima Daichi, April 2011: Der Handelsminister besucht die Atomkraftwe… | |
TOKIO taz | Am 23. März 2011 warnte die japanische Regierung die 35 | |
Millionen Einwohner Tokios vor radioaktiv belastetem Leitungswasser. Babys | |
sollten davon nicht mehr trinken. Es war Tag 12 nach der japanischen | |
Tragödie, dem verheerenden Tsunami und der anschließenden nuklearen | |
Katastrophe. | |
Aus den vier außer Kontrolle geratenen Reaktorblöcken im 230 Kilometer | |
nördlich von Tokio gelegenen Kraftwerk Fukushima Daiichi stieg weißer und | |
schwarzer Rauch auf – und niemand wusste, wie stark dieser Rauch die Umwelt | |
verstrahlen würde. Der Wind blies kurz Richtung Tokio und trieb die | |
radioaktiven Partikel dann wieder aufs Meer hinaus – Japans großes Glück. | |
Sonst hätten die Strahlenschäden viel verheerender werden können. | |
In dieser Situation sah sich Nisa, die Atomaufsichtsbehörde des Landes | |
genötigt, die Menschen zu beruhigen. Sie veröffentlichte 22 Antworten auf | |
dringende Fragen zur Strahlung. In jeder Antwort stand sinngemäß der Satz: | |
"Die radioaktive Belastung stellt keinerlei Gefahr für die Gesundheit dar." | |
Selbst schwangere Frauen müssten sich keine Sorgen machen. Sechs Seiten, | |
über die viele Japaner heute den Kopf schütteln. Die Behörde beschwichtigte | |
und verharmloste, statt aufzuklären. | |
Ein Jahr später im sechsten Stock der Aufsichtsbehörde. Was sagen die | |
Verantwortlichen der Nisa, wenn man sie heute nach der Sicherheit der | |
Atomkraft fragt? | |
Ein schlauchartiger, enger Raum, in dem der internationale Pressesprecher, | |
Osamu Takenouchi, die taz samt Übersetzer mit einer kurzen Verbeugung | |
empfängt. Man tauscht Visitenkarten und setzt sich gegenüber. Takenouchi | |
spricht kein Wort Englisch. Sein Blick fällt auf den Rucksack des | |
Übersetzers, an dem ein japanischer Anti-AKW-Button klebt. Takenouchi muss | |
während des Gesprächs ständig auf den Rucksack schielen. | |
Gibt es noch eine Gefahr durch die Strahlung? | |
"Es gibt keine Gefahr mehr." | |
Gibt es noch mehr Kraftwerke wie Fukushima Daiichi, die fast 40 Jahre alt | |
sind? | |
"Ja, wir wollen dort die Sicherheit erhöhen." | |
Heißt das logisch geschlussfolgert: Die alten Kraftwerke sind weniger | |
sicher als die neuen? | |
"Nein, das nicht. Die neuen Kraftwerke sind nur neuer als die alten." | |
Können sie sich Japan eigentlich ohne Atomkraft vorstellen, Herr | |
Takenouchi? | |
"Da müssen sie die Behörde für Energie und nationale Ressourcen fragen." | |
Vielleicht sollte man Takenouchi über die Herkunft des Buttons aufklären. | |
Er wirkt immer nervöser, als könnte jeden Moment eine Horde Atomkraftgegner | |
aus dem Rucksack springen und seine Behörde verwüsten. | |
Der Button ist ein Geschenk der Mütter von Fukushima - einer Gruppe von | |
Frauen, die seit Oktober ein Zelt mitten im Regierungsviertel von Tokio | |
besetzt hält. Sie sind wütend, auf diese Behörde, die Regierung, diesen | |
ganzen Filz zwischen Atomindustrie und den staatlichen Aufsichtsbehörden, | |
der Regierung. Sie vertrauen niemandem mehr. Eine ihrer Wortführerinnen ist | |
Chieko Shiina, eine ehemalige Biobäuerin. | |
Kennen sie die Leute in dem Zelt? | |
"Zelt?" Er bekommt große fragende Augen. | |
Das Protestzelt, bei Ihnen um die Ecke, das steht da seit einem halben | |
Jahr. | |
"Ach, das. Dort leben diese Leute aus der Bürgerbewegung." | |
Schon mal mit ihnen gesprochen? | |
"Nein." | |
Die sonntaz dagegen hat die „Mütter von Fukushima“ nicht nur getroffen, | |
sondern porträtiert die Biobäuerin Chieko Shiina. Wie sie die Gesellschaft | |
verändern will, warum sie die Evakuierung von Kindern fordert und was die | |
Verantwortlichen in der Präfektur von Fukushima City dazu sagen, lesen Sie | |
in der Ganzen Geschichte in der [1][sonntaz vom 10./11. März 2012]. Das | |
Fukushima-Spezial: am Kiosk, [2][eKiosk] oder gleich im [3][Wochenendabo]. | |
Und für Fans und Freunde: [4][facebook.com/sonntaz] | |
10 Mar 2012 | |
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## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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