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# taz.de -- Radioaktivität in Fukushima: Ums 600fache überschritten
> In der Stadt Fukushima hat Greenpeace eine Strahlendosis von bis zu 70
> Mikrosievert pro Stunde gemessen. Die offiziellen Messungen vor Ort
> scheinen unvollständig zu sein.
Bild: Greenpeace berichtet von riskanten „radioaktiven Hot Spots“ in der St…
BERLIN taz | Aktuelle Messungen von Greenpeace aus Fukushima City zeigen
eine an einzelnen Stellen extrem erhöhte Radioaktivität. Die Stadt liegt
rund 60 Kilometer entfernt von dem gleichnamigen Atomkraftwerk Fukushima
Daiichi und damit weit außerhalb der Gebiete, die wegen der Katastrophe
evakuiert wurden.
Bis zu 70 Mikrosievert pro Stunde habe man beispielsweise in einem Parkhaus
der Stadt gemessen, in einem Abwasserkanal nahe einer Wohnsiedlung bis zu
40 Mikrosievert. Aufs Jahr hochgerechnet entspricht das der über 600-fachen
in Deutschland erlaubten Strahlendosis und dem 30-fachen dessen, was ein
Angestellter in einem Kernkraftwerk maximal aushalten muss.
Die Werte weichen stark von dem ab, was die Präfekturverwaltung
veröffentlicht. Sie unterhält mittlerweile mehr als 2700 Messstationen
sowie mobile Teams, die versuchen, sogenannte Hotspots ausfindig zu machen.
Solche Punkte mit zu hoher Strahlung werden dann dekontaminiert. "Würden
man diese Stellen absperren und markieren, die Stadt wäre zugepflastert mit
Warnschildern", sagte Heinz Smital der taz. Der Greenpeace-Experte hält
sich zurzeit in Fukushima City auf.
Die Stellen erhöhter Strahlung bedeuten jedoch nicht, dass die Bevölkerung
diesen Werten ausgesetzt ist. Denn tatsächlich unterscheidet sich die
Strahlendosis innerhalb weniger Meter in der Stadt erheblich. Besonders an
Orten wie Straßengräben, in denen sich stehendes Wasser befindet, lagern
sich im laufe der Zeit radioaktiven Isotope ab, die an anderer Stelle
ausgewaschen und dort hingeschwemmt werden.
## Den Behörden entgehen die kritischen Stellen
Das erklärt auch, warum die Behörden in Japan niedrigere Werte haben.
"Diese Angaben sind nicht grundsätzlich falsch", sagt Smital. Eher
unvollständig: Teilweise stehen die Messstationen in Stadtparks, die zuvor
gereinigt wurden. Dass dort die Belastung niedrig ist, verwundere nicht,
sagt Smital.
Messe man wenige Meter außerhalb dieser Bereiche, steige sie jedoch wieder
an. Wenn die mobilen Teams der Behörden wiederum mitten auf einer Straße
Messungen vornehmen, entgehen ihnen die Hotspots am Rand, vermutet Smital.
Zudem steigen die Werte in Bodennähe an.
Anders ausgedrückt: Wer wenig Strahlungen messen will, der kann auch wenig
Strahlung messen. Genau deshalb hegen viele Japaner grundsätzliches
Misstrauen gegen die offiziellen Zahlen: So ist es erklärtes Ziel der
Präfektur Fukushima, gerade junge Menschen und Familien mit Kindern in der
Region zu halten.
Also diejenigen, für die eine dauerhaft erhöhte Strahlenbelastung am
ehesten schädlich ist. Wer außerhalb der evakuierten Gebiete wohnt und
aufgrund der Strahlenbelastung wegziehen will, bekommt weder staatliche
Hilfe noch Entschädigung von Tepco, dem Betreiber des zerstörten
Atomkraftwerkes.
## „Aus ärztlicher Sicht unverantwortlich“
Doch wie schädlich ist die Strahlung nun wirklich? Während die
Internationale Strahlenschutzkommission einen Grenzwert von 100
Millisievert bei Atomunfällen empfiehlt - weniger, als die Bevölkerung von
Fukushima City wahrscheinlich ausgesetzt ist - hält das die Atomkritische
Ärzteorganisation IPPNW schon fast für kriminell.
"Das ist aus ärztlicher Sicht unverantwortlich", sagt die langjährige
IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen. Bereits eine Dosis von fünf
Millisievert während der Schwangerschaft könne das Leukämierisiko für
Kinder verdoppeln. Ohnehin lassen sich Strahlendosen nicht eins zu eins
vergleichen. Radioaktive Isotope können sich im Körper anreichern und
schädigen dort fortwährend die Zellen.
Wissenschaftler der Universität veröffentlichten jetzt Untersuchungen an 65
Menschen, die sich zur Zeit des Unglücks in der Nähe des Kraftwerks
Fukushima aufhielten. Bei 50 hatte sich radioaktives Jod in den
Schilddrüsen angelagert, fünf davon bekamen eine Dosis von 50 Millisievert
im Jahr ab. Nicht etwa einmalig: das Jod belastet ihren Körper weiterhin.
9 Mar 2012
## AUTOREN
Ingo Arzt
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